Kreis Viersen Kommunen richten sich auf mehr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ein

Kreis Viersen · Seit einigen Wochen kommen wieder mehr Menschen aus der Ukraine in den Kreis Viersen. Die Gemeinde Niederkrüchten appelliert an Wohnungsbesitzer, sich zu melden.

Ukrainische Flüchtlinge kurz nach der Ankunft in Schwalmtal. Unser Foto entstand im März, knapp zwei Wochen nach Kriegsbeginn.

Ukrainische Flüchtlinge kurz nach der Ankunft in Schwalmtal. Unser Foto entstand im März, knapp zwei Wochen nach Kriegsbeginn.

Foto: bigi

Ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs richten sich die Städte und Gemeinden im Westkreis auf mehr Flüchtlinge aus der Ukraine ein. „Seit Juli sind die Flüchtlingszahlen wieder angestiegen“, berichtete Sascha Achten von der Gemeindeverwaltung Brüggen. „In der ersten Augustwoche kamen acht Personen, in der zweiten August-Woche kamen vier, in der dritten Woche waren es fünf.“ 152 Flüchtlinge aus der Ukraine leben aktuell in der Burggemeinde, 13 sind in den vergangenen Monaten in ihre Heimat zurückgekehrt.

Die Nachbargemeinde Schwalmtal hat 370 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Zwar sei der Flüchtlingszustrom gegenüber den ersten Monaten des Krieges zurückgegangen, berichtet Jan Winterhoff. „Seit Juni/Juli werden monatlich allerdings immer noch rund 15 bis 20 Flüchtlinge von der Bezirksregierung Arnsberg zugewiesen.“

Ein ähnliches Bild zeichnet sich in Nettetal ab: „Die Zahl der geflüchteten Menschen in Nettetal ist immer noch geringfügig steigend“, erklärt Ina Prümen-Schmitz, Fachbereichsleiterin Wohnen und Soziales. „Es kehren zwar immer wieder Menschen in die Ukraine zurück; wenige auch in andere Länder. Gleichzeitig kommen aber weiterhin Menschen nach Nettetal — auf eigene Faust, wegen ihrer Verwandten und Bekannten oder per Zuweisung der Bezirksregierung.“ Für die nähere Zukunft rechne die Stadt Nettetal weiter mit Zuzügen. Prümen-Schmitz: „Weil der Winter einen Verbleib in den zerstörten Wohngebäuden der Ukraine noch mal zusätzlich unerträglich machen wird.“ Am Montag besuchte sie gemeinsam mit Bürgermeister Christian Küsters (Grüne) das Sport- und Erlebnisdorf Hinsbeck des Landessportbundes NRW. Dort sind 28 der insgesamt gut 420 ukrainischen Flüchtlinge untergebracht, die Stadt Nettetal hat die Kooperation mit dem Sportbund jetzt bis Ende Februar 2023 verlängert.

War der Zustrom in Niederkrüchten nach Beginn des Kriegs noch eher verhalten, stiegen dort die Flüchtlingszahlen von etwa Mitte April bis Ende Juni sprunghaft an und ebbten danach wieder etwas ab. „Aktuell weist die Bezirksregierung unserer Gemeinde wieder regelmäßig Flüchtlinge zu, und es reisen auch weiterhin Menschen über private Kontakte in die Gemeinde Niederkrüchten“, berichtet Sprecher Frank Grusen. „In diesen Tagen verzeichnet die Gemeinde stark wachsende Zuweisungen von Geflüchteten durch die Bezirksregierung.“ In den vergangenen Wochen und Monaten konnten Flüchtlinge in Niederkrüchten in Privatwohnungen und anderen Einrichtungen untergebracht werden. Grusen: „Nun reicht der vorhandene Wohnraum zunehmend nicht mehr aus.“ Die Gemeindeverwaltung ruft daher alle Bürger auf, die über derzeit nicht genutzte Wohnungen oder Wohnräume verfügen, sich bei der Verwaltung zu melden, sollten sie bereit sein, geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufzunehmen. Die zuständigen Mitarbeiter der Gemeinde Niederkrüchten sind per Mail an ukrainehilfe@niederkruechten.de und telefonisch (02163 980112) zu erreichen.

Eine Woche nach Beginn des Kriegs erreichten die ersten Flüchtlinge Viersen, viele von ihnen aus Kaniw und Umgebung. Die 25.000-Einwohner-Stadt am Ufer des Dnepr ist Viersens Partnerstadt, es gibt etliche persönliche Verbindungen. Mittlerweile leben knapp 560 ukrainische Flüchtlinge in Viersen, davon lediglich 61 in städtischen Unterkünften. Viele leben noch immer in ihren Gastfamilien, die übrigen haben eigenen Wohnraum anmieten können. Auch in Viersen steigen die Zahlen:  „Es melden sich immer wieder neue Flüchtlinge“, berichtet Stadtsprecher Frank Schliffke. Bis zu zehn Personen seien es, die pro Woche bei der Ausländerbehörde vorsprechen. Bislang ist es der Stadt gelungen, für alle 176 ukrainischen Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter einen Platz in der Grundschule (64) oder einer weiterführenden Schule (112) anzubieten. 26 Kinder werden in Kitas betreut, „derzeitig stehen 13 Kinder auf der Warteliste für einen Platz“, berichtet der Stadtsprecher.

Und wie stellen sich die Städte und Gemeinden darauf ein, ukrainische Geflüchtete zu betreuen, die noch für längere Zeit im Kreis Viersen bleiben werden? „Hier gibt es keinen Unterschied zu anderen Flüchtlingen wie beispielsweise afghanischen Ortskräften oder Geflüchteten aus griechischen Flüchtlingslagern, die Viersen aufgenommen hat“, betont Viersens Stadtsprecher. „Nachdem die aufenthalts- und leistungsrechtlichen Anliegen erledigt sind, geht es vorrangig um den Erwerb der deutschen Sprache.“ Viele der geflüchteten Ukrainer besuchten bereits Integrations- und Sprachkurse, so der Sprecher. Ein Netzwerk aus Jobcenter, dem kommunalen Integrationszentrum sowie Organisationen wie der evangelischen Kirche, dem Sozialdienst Katholischer Menschen und dem Jugendmigrationsdienst helfe weiter. Aufgrund der wachsenden Zahl von Geflüchteten sucht die Stadt Viersen zurzeit eine weitere Integrationsfachkraft.

In Brüggen wurde — für 20 Stunden pro Woche — ein Sozialarbeiter für Ukrainer eingestellt: Er bietet Sprechstunden in der Diakonie. Achten: „Zudem kümmern sich Ehrenamtler um die Flüchtlinge, unter anderem im Ukraine-Café, das wöchentlich abwechselnd in Brüggen und Bracht stattfindet.“

Die Stadt Nettetal bemühe sich intensiv um adäquaten Wohnraum in eigenen Mietverhältnissen, um eine schnelle Versorgung in Schule und Kita, um Sprach- und Integrationskurse, um Integrationsangebote über Sport und Freizeit, berichtet Ina Prümen-Schmitz. Und auch ehrenamtliche Helfer engagieren sich weiterhin. Prümen-Schmitz: „Alles bleibt aber, wie die Situation in der Ukraine und der Fortgang des Krieges, nicht zu kalkulieren und letztendlich ungewiss.“

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