Viersen Kinder glänzen beim Platt-Lesen

Viersen · Zum 29. Mal findet der Vorlesewettbewerb in Plattdeutsch in der Stadtbibliothek statt. Drei Tage lang zeigen Kinder der 1. bis 13. Schuljahre, dass sie fast so gut sind wie Oma und Opa. 151 junge Leser hatten sich angemeldet.

 Die Moderatorin Hella von den Berg (Mitte) erklärt den jungen Vorlesern, wo sie sich nach ihrem "Auftritt" ihr Geschenk und die Urkunde abholen können.

Die Moderatorin Hella von den Berg (Mitte) erklärt den jungen Vorlesern, wo sie sich nach ihrem "Auftritt" ihr Geschenk und die Urkunde abholen können.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Gesicht, Schrammen, Fensterputzer und Stockwerk — mehr als das versteht der ungeübte Plattdeutsch-Hörer zunächst nicht, als die Kinder der Paul-Weyers-Schule die Geschichte "Ene Jlöksfal" in der Stadtbibliothek Viersen zum Besten geben. Doch schnell stellt sich Besserung ein: Einmal warmgehört, ist es gar nicht mehr so schwierig, dem Witz vom ungeschickten Fensterputzer mit Schutzengel zu folgen. Und für die meisten Zuhörer, die gestern beim zweiten von drei Tagen des Vorlesewettbewerbs in Plattdeutsch dabei waren, war es ohnehin kein Problem. "Viele Eltern haben das als Kinder selbst gelernt und sogar schon damals selbst teilgenommen", erzählt Albert Pauly vom Arbeitskreis Mundart.

151 junge Leser hatten sich angemeldet und stellen sich der Jury. Bewertet werden richtiges, fließendes und gestaltendes Lesen. Dafür gibt es Punkte von Null bis 15 mit einer Gesamthöchstpunktzahl von 45. "Ganz wie in der Schule", sagt die Moderatorin Hella von den Berg, die die Kinder gestern fröhlich begrüßte und den jungen Teilnehmern die Aufregung nahm. "Was hast du dir denn da mitgebracht, extra eine Flasche Wein?", fragt sie eine der Teilnehmerinnen und fügt hinzu: "Ach, ist ja nur Wasser ..."

Einige Monate lang haben sich die Schüler zusammen mit Mitgliedern des Arbeitskreises Mundart auf den Wettbewerb vorbereitet. Von Aufregung war daher nicht viel zu spüren. "Lampenfieber habe ich nicht", verrät die neunjährige Lina. "Ich übe seit November in der Schule und mit einer Nachbarin, die Plattdeutsch spricht." Und auch ihre Mitschüler liefen souverän zum Vorlesetisch auf der Bühne und brachten das Publikum — selbst beim vierten Vorlesen desselben Textes — zum Lachen.

Was für manch einen wie eine fremde Sprache klingt, damit hat der Nachwuchs wenig Probleme. Dabei muss sich selbst die Jury ab und an etwas reinhören, erzählt das Jurymitglied Manfred Thyssen: "Den Kindern und Jugendlichen ist es ja freigestellt, ob sie im Viersener oder im Dülkener Platt vorlesen. Gestern hatten wir sogar Brachter Platt — da gibt es schon einige feine Unterschiede. Das ist für die Jury dann manchmal nicht ganz leicht, aber es klappt."

Manfred Thyssen freut es, dass sich in diesem Jahr noch 151 der 279 Schüler, die am vorbereitenden Lesen teilgenommen haben, angemeldet haben. "Ich hoffe, es bleibt bei dieser regen Teilnahme, aber ich fürchte, dass das bald einbrechen wird. An den Schulen ist immer mehr zu tun, jetzt gibt es die Ganztagsschulen, da ist es für die Lehrer oft schwierig, das Plattdeutschlernen noch einzubauen", sagt er. Albert Pauly sieht noch ein anderes Problem: "Viele haben niemanden mehr in der Familie, der Platt spricht. Und auch viele Lehrer kommen gar nicht aus Viersen und haben es daher selbst nie gelernt. Dadurch kann es nicht an die Schüler weitergegeben werden. Das ist alles nicht so leicht wie vor 30 Jahren."

Sah man sich gestern und am Tag zuvor die diesjährigen Teilnehmer in der Stadtbibliothek an, so waren diese Sorgen allerdings fast wie weggewischt. Sie lasen mit Freude und Begeisterung ihre vorbereiteten Texte vor — manche sogar schon zum wiederholten Male. Als Belohnung gab es nach dem Lesen ein kleines Geschenk und eine Urkunde für die Schüler. Bei der Siegerehrung am 20. März im Clara-Schumann-Gymnasium in Dülken erhalten die besten Vorleser dann noch Geld- und Bücherpreise. Zuvor wird heute noch einmal vorgelesen.

(RP/rl)
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