Viersen Jugend hält Erinnerung wach

Viersen · Mit einem beeindruckenden Gottesdienst wurde am Mittwochabend in der Christuskirche in Dülken der Pogromnacht am 9. November 1938 gedacht. In Süchteln erinnerte Pax Christi an dieses Ereignis.

 Schüler von drei Dülkener Schulen – im Bild der Chor des Clara-Schumann-Gymnasiums – gestalteten den ökumenischen Gedenkgottesdienst zur Pogromnacht in der evangelischen Christuskirche in Dülken mit.

Schüler von drei Dülkener Schulen – im Bild der Chor des Clara-Schumann-Gymnasiums – gestalteten den ökumenischen Gedenkgottesdienst zur Pogromnacht in der evangelischen Christuskirche in Dülken mit.

Foto: BUSCH

Vor allem Jugendliche sind es, die die Erinnerung an die Progromnacht und den damit verbundenen Holocaust, die Verfolgung und Ermordung der Juden durch die Nationalsozialisten, auch in der Kreisstadt wach halten. "Tu deinen Mund auf für die Stummen" überschrieben die evangelische und die katholische Kirchengemeinden Dülkens ihren Gottesdienst zum Gedenken an die Reichspogromnacht. Genau vor 73 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, brannten in Deutschland die Synagogen – unter ihnen auch die Dülkener direkt gegenüber der evangelischen Christuskirche in der ehemaligen Bahnhofstraße.

Gewaltiger Choral

Als das Glockengeläut ausklang, hoben sich die Stimmen von rund 50 Schülerinnen und Schülern des Clara-Schumann-Gymnasiums in Dülken zu einem gewaltigen Choral. Hinter sich das christliche Kreuz und vor sich den siebenarmigen Leuchter der Juden stimmten sie auf einen Gottesdienst ein, der jeden in der voll besetzten Kirche mitnahm auf eine Erinnerungsreise in die Vergangenheit, die in historischen Bildern und erklärenden Texten auf einer Leinwand zu sehen war: von der Verdammung der jüdischen Schriftsteller über die Nürnberger Rassegesetze zur Pogromnacht, in der 30 000 männliche Juden in Lager transportiert wurden, ihre Stimme verloren.

Munch-Bild interpretiert

Beide Pfarrer, Matthias Clever und Rainer Thoma, nahmen immer wieder den Spruch Salomos auf: "Tu deinen Mund auf für die Stummen". Die Schülerinnen und Schüler der Dülkener Ostschule versuchten, mit ihren Worten das Bild von Edvard Munch "Der Schrei" zu deuten und in die schrecklichen Geschehnisse zu interpretieren. Auch die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs in Dülken machten sich Gedanken zu unserer Vergangenheit, die nicht vergessen werden dürfe. "Das Unrecht nicht kleinreden und sinnvoll an das Leid erinnern, selber nicht verstummen" war das Leitmotiv. Nach den Fürbitten "Herr hilf uns das Gute wagen" schloss der Gottesdienst mit einem gemeinsamen Vaterunser und einem lang anhaltenden Beifall der Besucher für die jungen Mitwirkenden.

Die Kollekte am Ausgang soll dem Kinderschutzbund Viersen überreicht werden für das Kinder- und Jugendtelefon: "Um auch dort die Stummen zum Reden zu bringen." Dann baten die beiden Geistlichen die Gäste hinaus auf die Straße, wo sie am Gedenkstein für die niedergebrannte Synagoge noch einmal fragten: "Wer hat damals den stummen Schrei gehört?"

(flo)
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