Tierschutz im Kreis Viersen Ist die Kastrationspflicht für die Katz‘?
Kreis Viersen · Weniger streunende Katzen, weniger Tierleid — das soll die neue Katzenschutzverordnung bringen, die in 30 Tagen im Kreis Viersen in Kraft tritt. Doch kontrolliert werden kann sie nicht. Was bringt sie überhaupt?
In einem Monat gilt im Kreis Viersen eine Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen. So soll die Zahl streunender Katzen im Kreis Viersen verringert und den Tieren Leid erspart werden. Anlass der Einführung der Verordnung sind die Lebensumstände der wild lebenden Katzen im Kreisgebiet. Tierschutzorganisationen beobachten in den letzten Jahren einen Anstieg frei lebender Katzen, die verwahrlost, oft krank oder verletzt und von Flöhen oder Würmern befallen sind.Doch hilft die Kastrationspflicht wirklich? Darüber gehen die Meinungen auseinander.
Durch eine seit April geltende Verordnung werden Katzenhalter verpflichtet, vom 1. Juli an ihre Freigänger zu registrieren und von einem Tierarzt kennzeichnen und kastrieren zu lassen. Wer seine Freigänger-Katze oder seinen -Kater nicht kastrieren, kennzeichnen und registrieren lässt und dennoch Freilauf gewährt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Halter reiner Hauskatzen ohne Freigang sind von der Verordnung nicht betroffen.
Allerdings: Auch 30 Tage vor der Kastrationspflicht gibt es in den Tierarztpraxen in Viersen keine verstärkte Nachfrage nach Kastrationen. Er führe im Schnitt etwa acht bis zwölf Kastrationen von Katzen und Katern durch, berichtet der Viersener Tierarzt Hubert Schiffer. 77 Euro berechnet er für die OP bei einem Kater, 139 bei einer Katze. „Die Nachfrage ist unverändert.“ Auch bei dem Viersener Tierarzt Jan Paffrath ist das so. Etwa zehn Kastrationen führe er pro Monat durch. Einen starken Nachfrage-Anstieg verspüre er bislang nicht. „Wir haben kurzfristig Termine frei, operieren an vier Tagen pro Woche.“ 70 oder 120 Euro kostet die OP, je nach Geschlecht des Tieres.
Der Knackpunkt: Die Katzenschutzverordnung kann nicht kontrolliert werden. Das räumt auch Ralf Erdmann vom Matthias-Nehlen-Tierheim in Nettetal ein. Dort ist derzeit noch Platz für Fundkatzen. „Aber im späten Frühling und im Sommer wird es bei uns erfahrungsgemäß voll. Dann kommen auch trächtige Katzen.“ Erdmann ist trotz der Unkontrollierbarkeit vom Nutzen der Katzenschutzverordnung überzeugt. „Auch wenn die Kastrationspflicht nicht überprüft werden kann, halten sich doch viele Menschen an Regeln. Und wenn nur jede zweite Freigänger-Katze kastriert wird, ist das Problem schon nur noch halb so groß.“
Wie groß das Problem mit nicht-kastrierten Freigänger-Katzen werden kann, rechnet die Tierschutzorganisation Peta vor: „Eine unkastrierte Katze und ihre Nachkommen können rechnerisch in nur sieben Jahren 370.092 Katzen zeugen.“ Im Kreis Viersen leben nach einer Schätzung rund 10.000 streunende Katzen, Tendenz steigend. Seit Jahren kümmert sich der Verein Notfelle Niederrhein um die Tiere, versucht, so viele Streunerkatzen wie möglich einzufangen, zu kastrieren und zu kennzeichnen: „Wir laufen total am Limit. Vergangenes Jahr haben wir 400 Katzen kastrieren lassen, im Jahr davor waren es 300“, berichtet die Vorsitzende Heike Neuser. „Aktuell haben wir 18 Katzenmamas und 71 Kitten auf unseren Pflegestellen verteilt.“
Der Verein habe stark für die Katzenschutzverordnung gekämpft. „Natürlich müssen wir über die Kastrationspflicht noch weiter aufklären. Es wird dauern, bis sich das herumspricht“, sagt Neuser. Die Verordnung habe aber den zusätzlichen Vorteil, dass sie dem Verein Rechtssicherheit gibt. „Wir dürfen jetzt streunende ungechippte Katzen einfangen und kastrieren lassen, ohne Sorge haben zu müssen, dass sich später ein Halter meldet und Schadenersatz fordert.“ Ähnlich äußert sich auch Erdmann: „Bei uns hatte sich nach Wochen ein Halter gemeldet und erklärt, bei dem von unserem Tierarzt kastrierten Kater habe es sich um ein Zuchttier gehandelt.“ Man einigte sich gütlich. Erdmann: „Jetzt haben wir Rechtssicherheit.“

Kreis-Ordnungsdezernent Thomas Heil (rechts) dankte Jochen Lausberg, Tanja Kawaters, Elke Braun, Jenny Pape (alle Notfelle Niederrhein), Mauela Treken und Ralf Thaler (Tierschutz für Willich e.V.) für ihren Einsatz (von links). Auch dabei: Carina Driehsen, Leiterin des Kreis-Veterinäramts (2.v.r.).
Foto: Kreis ViersenIm Kreishaus wurde vor wenigen Tagen auch eine entsprechende Vereinbarung vom Kreis Viersen, Notfelle Niederrhein und dem Verein „Tierschutz für Willich“ unterzeichnet. Die Vereine unterstützen damit künftig offiziell das Kreisveterinäramt und sind berechtigt, frei laufende Katzen zu fangen und vorübergehend in Obhut zu nehmen, um sie kastrieren und kennzeichnen zu lassen. Zudem erhalten die Vereine einen Zuschuss für ihre Arbeit. „Leider sind die 8000 Euro nicht auskömmlich“, sagt Neuser. Spätestens im Oktober sei der Zuschuss aufgebraucht, die weiteren Operationen trägt der Verein dann durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. „Ich danke den ehrenamtlich Engagierten für ihren unermüdlichen Einsatz in den Vereinen“, sagte Kreis-Ordungsdezernent Thomas Heil bei der Unterzeichnung der Vereinbarung — und betonte, „wie hilfreich die Beratung und Mitarbeit“ der Ehrenamtler an der Katzenschutzverordnung gewesen sei.