Süchteln Mit Gedanken über Steine stolpern

Am Montag wurden die elf letzten Stolpersteine in Süchteln verlegt. Der Verein um Ex-Bürgermeister Günter Thönnessen möchte sich für weitere Gedenksteine in Viersen einsetzen.

 Der Künstler Gunter Demnig war am Montag in Süchteln und hat elf weitere Stolpersteine verlegt.

Der Künstler Gunter Demnig war am Montag in Süchteln und hat elf weitere Stolpersteine verlegt.

Foto: Julia Esch

Mit den elf Stolpersteinen, die am Montag in Süchteln verlegt wurden, sind alle 26 Gedenkstücke nun in die Straßen eingefasst. „Wir werden noch mehr Stolpersteine in Viersen verlegen“, kündigte Günter Thönnessen. an. Er ist ehemaliger Bürgermeister (SPD) und gemeinsam mit Uwe Micha einer der Hauptakteure, die sich für die Verlegung eingesetzt haben.

An der Hindenburgstraße 66 begann Künstler Gunter Demnig, der das Projekt der Stolpersteine 1992 begann, mit der Verlegung. Sieben Messingtafeln, zehn mal zehn Zentimeter groß, fasste der 71-Jährige im Bürgersteig ein. „Es ist das mindeste, was wir tun können“, sagte Thönnessen in seiner Ansprache bei der Verlegung – im Anschluss an eine Rede, in der er an die Gräueltaten des NS-Regimes erinnerte.

Zu verdanken ist die Tatsache, dass in Süchteln nun alle 26 Stolpersteine verlegt sind, weit mehr Menschen als denen, die bei der Verlegung anwesend waren. Denn nachdem Hausbesitzer und -bewohner gegen die Steine protestiert hatten, beschloss auch der Stadtrat zunächst im April 2018, dass die Steine nicht gegen den Wunsch der Anwohner verlegt werden dürften – selbst, wenn das Grundstück öffentlicher Grund sei. Daraufhin startete die Gruppe um Thönnessen und Micha ein erfolgreiches Bürgerbegehren. Darauf wies in ihrer Ansprache Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) hin: „Nach dem Bürgerbegehren revidierte der Rat seinen Beschluss mit überwiegender Mehrheit.“ Das Engagement der Bürger und auch das anschließende Umdenken in der Politik: „Darauf dürfen wir stolz sein.“ Bundestagsmitglied Uwe Schummer (CDU) betonte die Wichtigkeit der Erinnerungskultur. Dass es Synagogen gebe, die dauerhaft unter Polizeischutz stehen müssten, und dass Juden davor gewarnt werden, eine Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen, sei eine Erinnerung daran, wie wichtig es sei, die Erinnerungen an den NS-Terror zu bewahren.

„Über diese Steine soll man nicht mit den Beinen stolpern“, sagte Thönnessen, „sondern mit den Gedanken.“ Hinter jedem Namen, jedem Datum, jedem Ort stehe ein Mensch mit Erinnerungen. An seine Schulzeit, an sein Leben. Mit Vorstellungen von der Zukunft, mit Menschen, die er liebte, Nachbarn, denen er verbunden war. „Die Mordmaschine der Nazis war unerbittlich, das Grauen war geplant, organisiert“, sagte der Ex-Bürgermeister. „Es ließ kein Entkommen zu.“

An die einzelnen Schicksale, nicht nur in dem Haus an der Hindenburgstraße, sondern auch an der Grefrather Straße 3 und der Tönisvorster Straße 46, erinnerten Realschüler der Johannes-Kepler-Schule. In kurzen Passagen erzählten sie aus dem Leben jener, denen zum Gedenken die Steine verlegt wurden. Zumindest soweit es rekonstruiert werden kann, denn: „In manchen Fällen sind Meldeakten von Einwohnern verschwunden“, sagte Thönnessen. An dieser Stelle dankte er im Namen des Vereins, der sich für die Stolpersteine und den Erhalt der Erinnerungskultur der Kriegszeit einsetzt, dem Stadtarchiv. Unter anderem gehört Axel Greuvers, der beispielsweise die Grafische Sammlung der Stadt betreut, zu den Fachleuten, die den Verein unterstützen.

Jedes Jahr soll eine größere Stolpersteinverlegung erfolgen, auch für politisch verfolgte, Sinti und Roma, Homosexuelle und behinderte Menschen, die dem NS-Regime zum Opfer fielen. Das hat sich der Verein für Förderung der Erinnerungskultur 1933-45 zum Ziel gesetzt. Möglich ist die Verlegung der Steine, von denen jeder einzelne inklusive Verlegung 120 Euro kostet, durch Spenden und Sponsoren. Die ersten 15 Steine in Süchteln wurden am 5. Dezember 2018 verlegt.

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