Viersen In der Baracke stand ein Weihnachtsbaum mit Kerzen

Viersen · Jürgen Zauner - damals neun Jahre - erlebte die Friedensweihnacht hinter Stacheldraht in einem Lager.

Jürgen Zauner - der 67-jährige lebt in Dülken - erinnert sich an Heiligabend 1945: "Meine sogenannte erste "Friedensweihnacht" verbrachte ich als Halbwaise (damals sechs Jahre alt) mit meiner Mutter (29) und meinem jüngsten Onkel (13) hinter Stacheldraht und Wachtürmen im ehemaligen Konzentrationslager Ebensee im Salzkammergut in Oberösterreich. Die amerikanische Besatzungsmacht betrieb es nach Kriegsende als Sammel-, Gefangenen- und Durchgangslager für Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS, für uns Reichsdeutsche und Juden."

Am Nikolaustag des Jahres 1945 sei seiner Familie die Benachrichtigung von der Gemeinde Grünau im Almtal überbracht worden, dass sie als "Reichsdeutsche" trotz verwandtschaftlicher Bindungen und einem dortigen, zweieinhalbjährigen Aufenthalt ihre Ein-Zimmer-Wohnung aufgeben mussten. "Zwei Tage später, am 8. Dezember, standen wir mit unserem Gepäck vor dem dortigen Gemeindeamt", so Zauner. "Amerikanische Soldaten verluden uns auf Lastwagen und ab ging es über vereiste, kurvige Straßen in das Lager Ebensee in der Nähe des Traunsees. Uns wurde in einer Baracke eine Stube zugewiesen. Wir waren neun Personen, drei Mütter und sechs Kinder. Unser Bett war dreistöckig gezimmert, der Raum konnte zum Glück beheizt werden. Für unser leibliches Wohl sorgten gefangene deutsche Soldaten unter Aufsicht der Amerikaner." Für die Kinder sei das Lagergelände ein Abenteuerspielplatz gewesen: "Ständig belagerten wir die Lokomotiven und Loren der stillgelegten Feldbahn. Manchmal zwängten wir uns auch unter dem Zaun hindurch, um nach Schneerosen zu suchen, mieden aber ängstlich die in den Fels gesprengten Stolleneingänge."

Jürgen Zauners Erinnerung an Heiligabend: "Wir hatten einen Weihnachtsbaum mit brennenden Lichtern. Die Lagerleitung sorgte auch für eine besondere Zuteilung. Frisch gebackener Zopf wurde in den einzelnen Baracken verteilt. Wir Kleinkinder erhielten selbst gebasteltes Spielzeug, hergestellt von den gefangenen deutschen Soldaten." Im Januar 1946 seien sie nachts zum Bahnhof gefahren, in amerikanische Güterwagen verladen, mit Proviant aus amerikanischen Beständen versorgt und bei Passau heimatlos abgeschoben worden. "Wo sollten wir nur hin, die Heimat Ostpreußen war unerreichbar geworden?", so Zauner.

Was der Dülkener vermisst: "Den Hinweis auf die lange Weiternutzung vieler Lager unter anderen Vorzeichen."

(RP)
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