Brüggen Ilja Richter: "Ich wäre damals gerne frecher gewesen"

Brüggen · Licht aus - Spot an: Ilja Richter las in Brüggen aus seinem Buch "Du kannst nicht immer 60 sein: Mit einem Lächeln älter werden".

 Licht aus - Spot an: Ilja Richter las in Brüggen aus seinem Buch "Du kannst nicht immer 60 sein: Mit einem Lächeln älter werden".

Licht aus - Spot an: Ilja Richter las in Brüggen aus seinem Buch "Du kannst nicht immer 60 sein: Mit einem Lächeln älter werden".

Foto: Busch

Als Ilja Richter begann, den Übergang ins sechste Lebensjahrzehnt aus der Sicht des Schriftstellers ins Visier zu nehmen, war er noch keine 60. Inzwischen hat sich für den nun 62-Jährigen der Titel "Man kann nicht immer 60 sein!" längst bewahrheitet. Zur Lesung im Kultusaal von Schloss Dilborn bewies der Jungstar der 70er Jahre, dass er tatsächlich, wie versprochen, mit einem Lächeln älter geworden ist. Haare und Bart sind längst ergraut, doch eine oft geradezu spitzbübische Freude ließ immer noch den jugendhaften Schalk aufleuchten. Tatsächlich trumpfte der Schauspieler und Fernsehmoderator schelmisch auf, Alter sei doch kein Problem in einem Land, wo ein Mann noch mit 72 Bundespräsident werden und mit einer 20 Jahre jüngeren Frau in wilder Ehe leben und in ferne Länder reisen könnte.

Das Publikum war relativ überschaubar, doch wer gekommen war, genoss den späten Nachmittag mit einem selbstironischen Schmunzeln, das häufig ein wissendes Vertraut-Sein mit dem Thema verriet. Tatsächlich überwog die Generation, für die die Musiksendung "Disco" Kult gewesen war, aber auch einige Jüngere hatten sich dazu gesellt.

Sie alle erlebten keine streng vorgegebene Lesung, sondern einen gut aufgelegten Autor, der besonders im zweiten Teil zusehends spontan reagierte und mitunter entzückt vom Buch wegmäanderte.

Natürlich durfte die Disco-Zeit nicht ganz fehlen. Der Autor plauderte am Rande von Chris Roberts und Bata Illics, "dem Tragöden des deutschen Schlagers", dessen Gesicht den gesamten Kosovokonflikt wiederspiegele. "Karikatur kann auch eine Liebeserklärung sein", kündigte er vor seiner freundlich amüsanten Imitation von Peter Alexander an. Dabei hütete sich Richter, die 70er zu verklären. Es sei "ein spannendes, aufregendes, dramatisches Jahrzehnt gewesen, aber in der Unterhaltung eine Ruine", bilanzierte er mit Blick auf die damals strengen Vorschriften "gegen alles, was Spaß macht". Rückblickend stellte er fest: "Ich wäre gerne frecher gewesen."

Er sei ein Zweckoptimist, der späte Vater eines frühreifen Sohnes bekannte Richter begleitend zu Gedankenspielen über das Älterwerden und den Tod. Mit der rhetorischen Frage "Kommen Komiker ins Paradies?", schwenkte er über zum Kapitel über die schönsten Nachrufe auf sein Leben. Der taz, wo er einst als Kolumnist schrieb, unterstellte er einen schlecht gelaunten Kommentar zum Ableben eines TV-Alptraums. Als Richter riet, sich beizeiten einen Grabstein zu kaufen, rief eine Frau aus dem Publikum fröhlich unbefangen: "Haben wir schon!" Mit prüfendem Blick konterte der Autor "Schreiben Sie sich auch eine Grabrede?". So wahrte er im "nach vorne gewandten" Rückblick Humor und eine feine Prise Melancholie. Da durfte das "kleine Feuilleton über Sex im Alter" in Anspielung auf das Genre Altherrenwitz mit Sahne nicht fehlen.

Titel: "Du kannst nicht immer 60 sein: Mit einem Lächeln älter werden" von Ilja Richter, ISBN: 3868832947.

(anw)
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