Schwalmtal Hitler Amerner Ehrenbürger

Schwalmtal · Der Heimatforscher Karl-Heinz Schroers hat bei Recherchen in Archiven ein pikantes Detail der Schwalmtaler Ortsgeschichte entdeckt: Die Amerner Gemeinden verliehen 1933 Hitler die Ehrenbürgerwürde.

Es ist die erste Sitzung des Gemeinderats von Amern St. Anton am 10. April 1933. Zwölf Gemeindeverordnete sind anwesend, der stellvertretende Gemeindevorsteher Heinrich Kamps als Vorsitzender, dazu Bürgermeister Heinrich Bußmann und eine "große Menge Zuhörer", hält der Protokollführer fest. "In anerkennenden und ehrenden Worten wurden hierbei besonders gedacht des Reichspräsidenten von Hindenburg sowie des Reichskanzlers Adolf Hitler. Der Männergesangverein Frohsinn trug zur Verschönerung der Feier zwei Chöre vor."

Einstimmig angenommen

Die Gemeinderatswahlen vom 12. März werden als gültig bestätigt, die Ratsmitglieder verpflichtet. Außerhalb der Tagesordnung: ein Antrag der NSDAP, Hindenburg und Hitler zu Ehrenbürgern der Gemeinde Amern St. Anton zu ernennen, was "einstimmige Annahme" findet. Zwei Tage später beschließt auch der Gemeinderat von Amern St. Georg bei der ersten Sitzung einstimmig, Hindenburg und Hitler zu Ehrenbürgern zu ernennen, ebenfalls auf Antrag der NSDAP-Fraktion. "Mit den innigsten Wünschen für ferneres Wohlergehen unseres Ehrenbürgers" verschickt der Bürgermeister die Urkunden.

Diese Dokumente hat der Waldnieler Heimatforscher Karl-Heinz Schroers bei seinen Recherchen in Archiven entdeckt. Dass die Gemeinde Schwalmtal Hitler zu ihren Ehrenbürgern zählte, ist offenbar weitestgehend unbekannt. Nun wollen die Bündnisgrünen Hitler aus dieser Reihe tilgen. Sie haben den Antrag gestellt, der Gemeinderat, der am 19. Januar wieder tagt, möge als Rechtsnachfolger der Gemeinde Amern Hitler die Ehrenbürgerschaft aberkennen. "Für jeden, der in der Neuzeit zum Ehrenbürger ernannt wird, ist es eine Form der Diskreditierung, in einer Reihe mit Hitler zu stehen", begründet Grünen-Chef Jürgen Heinen den Antrag. Dass die Ehrenbürgerschaft Hitlers offenbar unbekannt sei und Hitler nirgendwo als Schwalmtaler Ehrenbürger genannt werde, sei "auch eine Form der Geschichtsfälschung". In der Auseinandersetzung mit der Historie müsse man Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkennen. Unklar ist, ob das überhaupt möglich ist. "Die Ehrenbürgerwürde erlischt automatisch mit dem Tode", sagt Bürgermeister Reinhold Schulz, den die Nachricht von Hitlers Ehrenbürgerwürde in Amern völlig überraschte. "Zudem hat der Alliierte Kontrollrat nach Kriegsende Kriegsverbrechern solche Sonderrechte aberkannt. Formaljuristisch hat sich das also erledigt." Insofern sei das Argument mancher Städte, die Hitler ebenfalls einst die Ehrenbürgerwürde verliehen und diese heute nicht offiziell aberkennen wollten, verständlich: "Man kann nicht aberkennen, was nicht mehr da ist." Andererseits, so Schulz, werfe die Tatsache allein, dass man Hitler 1933 zum Ehrenbürger gemacht habe, "einen Schatten auf die Geschichte der Gemeinde". Und da das Thema Rechtsradikalismus immer mal wieder hochkoche, sei eine deutliche Distanzierung durch die offizielle Aberkennung "ein machbarer Weg, um dieses unrühmliche Kapitel aufzuarbeiten", sagt Schulz.

(RP)
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