Haushaltsrede SPD Viersen zum Haushalt 2023

Viersen · Lesen Sie hier im Wortlaut die Haushaltsrede des Vorsitzenden der Viersener SPD-Fraktion, Manuel García Limia, zum jetzt beschlossenen Haushaltsplan 2023.

 Manuel García Limia ist Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion in Viersen.

Manuel García Limia ist Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion in Viersen.

Foto: Martin Röse

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Ratskolleg*innen,

in meiner letztjährigen Rede zum Haushalt hatte ich meine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass wir im nächsten Jahr endlich wieder zur Normalität zurückkehren könnten. Dies ist leider nicht so eingetroffen. Das einzige Gute zeigt sich darin, dass unsere Zivilgesellschaft funktioniert. Auch wenn die Sozialen Medien und eine kleine Minderheit etwas anderes suggerieren: Wir erleben – trotz aller Widrigkeiten – großen gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität. Und dass wir darauf bauen können, zeigt sich aktuell bei der Aufnahme und Unterstützung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Viele Menschen in unserer Stadt sind aktuell unermüdlich im Einsatz, um denen zu helfen, die auf Hilfe angewiesen sind. Das gilt für viele Viersener*innen, die sich in unseren Vereinen, Verbänden und Kirchen, aber auch als Privatpersonen für das Gemeinwohl einsetzen. Dies verdient unser aller Anerkennung und unseren Dank.

Dies ist übrigens der Anfang meiner letztjährigen Haushaltsrede. Anders als wir es uns erhofft haben, ist die Situation immer noch weit entfernt von der Normalität. Der russische Angriffskrieg auf einen friedlichen Nachbarn, hat Europa in eine Situation manövriert, die wir nach dem Ende des Kalten Krieges überwunden glaubten. Hoffen wir, dass wir in einem Jahr auf eine positivere Gesamtsituation blicken können.

Die SPD-Fraktion wird – das sage ich vorweg – dem Haushalt und dem Stellenplan zustimmen. Der Haushalt sichert Kontinuität und Verlässlichkeit. Trotz der finanziellen Grenzen, die uns gesetzt werden, investieren wir rund 19,1 Mio. € in die Zukunft Viersens. Die Höhe der Investitionen zeigt, dass kein Stillstand herrscht.

In Vorbereitung auf diese Rede habe ich auf frühere Haushaltsreden zurückgeblickt. Viele der Themen sind heute genauso aktuell, wie sie es damals waren. Wir stehen aktuell vor der schweren Aufgabe, zu vermeiden, dass Viersen perspektivisch in die Haushaltssicherung rutscht. Der Haushalt weist eine Deckungslücke von rund 7,7 Mio. € aus. Bedeutet dies, dass wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben? Oder nicht auf dem richtigen Weg sind?

Daher muss deutlich gesagt werden: Wir haben in Viersen unsere Hausaufgaben gemacht. Die IHK bestätigt dies in ihrer Stellungnahme zum Haushalt. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man dies mit den Stellungnahmen zu anderen Kommunen vergleicht.

Dank der Ausgleichsrücklage, der Bilanzierungshilfe, die es ermöglicht, dass wir kriegs- und pandemiebedingte Mehraufwendungen und Mindereinnahmen isolieren, und dem moderaten Verbrauch der Allgemeinen Rücklage gelingt es uns auch diesmal einen Haushalt zu beschließen, der nicht genehmigungspflichtig ist. Das soll auch in Zukunft so bleiben.

Unser Kämmerer spricht davon, dass wir ein Haushaltssicherungskonzept leben müssen, um genau dies zu vermeiden. Der Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung wird sich dieser Aufgabe stellen müssen. Der Kämmerer hat auch davon gesprochen, dass dazu auch eine Aufgabenkritik gehört und wir auch entscheiden müssten, ob und vor allem wie man freiwillige Aufgaben erfüllt. Auch eine Grundsteuer-Erhöhung spricht er an. Wir Sozialdemokrat*innen haben bei beiden Themen große Bauchschmerzen. Natürlich ist es sinnvoll, dass man sich genau anschaut, welche freiwilligen Leistungen angeboten werden und auch wie man Aufgaben erfüllt. Wir reden hier aber lediglich von rund 6,6 Mio. € an freiwilligen Leistungen in diesem Haushalt. Die strukturellen Probleme des Haushaltes lassen sich zum einen damit nicht lösen, zum anderen stellen gerade diese freiwilligen Leistungen das Herzstück der kommunalen Politik dar, die den Charakter einer Stadt ausmachen. Eine Erhöhung der Grundsteuer B halten wir für den falschen Ansatz. Wir glauben nicht, dass sich die finanzielle Situation vieler Bürger*innen in den nächsten Jahren so ändern wird, dass eine Erhöhung nach jetzigem Stand gerechtfertigt wäre.

Warum ich bewusst von jetzigem Stand spreche? Im Juni steht ein Bürgerentscheid an, der den Schulstandort Krefelder Straße betrifft. Wenn die Initiative mit ihrem Anliegen Erfolg hat, dann werden wir vor einer vollkommen anderen Ausgangslage stehen. Wir werden dann darüber reden müssen, welche der geplanten Investitionen überhaupt noch umsetzbar sind. Und auch die eben angesprochenen Themen wie freiwillige Leistungen und Steuererhöhungen werden – ohne unser Zutun – plötzlich ganz oben auf der Agenda stehen und aufgrund der finanziellen Situation der Stadt kaum zu vermeiden sein.

Dies obwohl ein nicht unerheblicher Teil nicht hausgemacht ist. Land und Bund haben die Kommunen mit immer mehr Pflichtaufgaben betraut, ohne gleichzeitig für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen. Das obwohl der Art. 78 Abs. 3 der Landesverfassung das Konnexitätsprinzip zwischen Land und seinen Kommunen eigentlich regelt. Kommunalpolitik wirkt keineswegs nur im begrenzten Radius, sondern weit darüber hinaus. Um der Bedeutung der Kommunen für die Demokratie gerecht zu werden, müssen jedoch die Voraussetzungen erfüllt sein. Auch wenn sich in den letzten Jahren einiges getan hat, ist – was die finanzielle Ausstattung der Kommunen betrifft – noch Luft nach oben.

Wie der Kämmerer sagte, hat Viersen weiterhin starke, branchenbreite und gut aufgestellte Unternehmen. Das führt dazu, dass wir deutlich besser dastehen, als andere Kommunen. Dies ist Verdienst unserer Wirtschaftsförderung und der Bürgermeisterin. Aber man kann noch besser werden und wir erhoffen uns nach der Neubesetzung der Stelle des Wirtschaftsförderers Impulse, die den Wirtschaftsstandort Viersen noch weiter stärken.

Bisher habe ich in erster Linie von den – vor allem finanziellen – Rahmenbedingen gesprochen, in denen wir agieren muss. Auch wenn vieles von außerhalb beeinflusst wird, kann und darf dies nicht als Entschuldigung dienen. Politik ist trotzdem gefordert, Schwerpunkte zu setzen. Laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik unter den Kommunen gehören die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, die Zukunft der Mobilität, Digitalisierung, der Klimaschutz und auch die Haushaltskonsolidierung zu den wichtigsten Themen, mit denen sich die Kommunen beschäftigten. Themenschwerpunkte, die sich mit denen der Bürger*innen decken. Ergänzt man diese Themen noch um die Bereiche Schule, KiTa, Freizeit und Kultur, dann haben wir den Auftrag, hierzu Antworten zu liefern. Die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu verweisen, dass man es sich nicht leisten kann, ist nämlich keine Alternative. Weder für die Bürger*innen, noch für uns Kommunalpolitiker*innen.

Einige der Handlungsfelder, die wir weiter angehen müssen, möchte ich hier ansprechen.

Unsere Stadt wächst seit mehreren Jahren. Es wird dringend bezahlbarer Wohnraum benötigt. Ein größer werdender Personenkreis – Familien, Alleinerziehende oder Alleinstehende, zunehmend auch Rentner*innen – sehen sich immer größeren Problemen auf dem Wohnungsmarkt ausgesetzt. Adäquaten und bezahlbaren Wohnraum zu finden, erweist sich – auch in Viersen - immer mehr als große Herausforderung. Ohne VAB, Dülkener Bauverein, Süchtelner Bauverein oder der Wohnungsgenossenschaft Viersen sähe die Situation noch problematischer aus.

Das aktuell vorliegende „Kommunale Handlungskonzepts Wohnen der Stadt Viersen“ macht deutlich, dass hinsichtlich der Ausweisung von Grundstücken für den Bau von Mietwohnungen und Eigenheimen, insbesondere im Segment für bezahlbaren Wohnraum, deutlicher Nachholbedarf besteht. Wie in anderen Städten im Kreisgebiet wurden in den letzten Jahrzehnten eher der Eigenheimbau und der Bau von Eigentumswohnungen im gehobenen Segment vorangetrieben. Hier müssen wir gegensteuern. Ob hier – bei knapper werdenden Grundstücken – Lösungen à la Tiny Houses eine Lösung darstellen? Bei den Menschen, die günstigen Wohnraum suchen, ernten Sie mit solchen Ansätzen nur Kopfschütteln.

Die SPD-Fraktion hat daher – auf Grundlage der Ergebnisse des Handlungskonzepts Wohnen – zur Stärkung des Mietwohnungsbaus und des Baus von öffentlich geförderten Wohnungen und Eigenheimen beantragt, dass 40% der möglichen Wohneinheiten im künftigen Mietwohnungsbau für die Nutzung als öffentlich geförderte bzw. mietpreisgedämpfte Wohnungen, insbesondere für junge Familien, Alleinstehende sowie Alleinerziehende und Senior*innen, ausgewiesen werden sollen. Zudem sollen in Bebauungsplänen für Eigenheime 40% der Grundstücke für geförderten Eigenheimbau ausgewiesen werden. Uns ist bewusst, dass dies - in Zeiten hoher Baukosten, der Abhängigkeit von privaten Investoren und einer ungünstigen Förderkulisse - nicht einfach ist. Gehen wir das Thema jedoch nicht offensiv an, werden wir dies nicht lösen. Nichts zu tun, ist immer die schlechteste Lösung.

Ein wichtiges Thema ist der Klimaschutz. Die Frage ist nicht ob, sondern wie es uns gelingen, wird Klimaziele zu erreichen. Unsere Aufgabe muss sein, alle Menschen mitzunehmen. Klimaschutz darf auf der einen Seite nicht reine Symbolpolitik sein, auf der anderen Seite muss Klimaschutz für uns Sozialdemokrat*innen immer auch sozial gerecht ausgestaltet werden. Immer mehr Menschen bereiten höhere Energiepreise und die steigende Inflation Sorgen. Auch das muss in diesem Kontext stets berücksichtigt werden. Einen Klimaschutz, der nur für wirtschaftlich bessergestellte Bevölkerungsgruppen finanzierbar ist oder mit Regelungswut von Oben gängelt, darf es in Viersen – sofern wir alle Menschen mitnehmen wollen - nicht geben.

Diese Handschrift haben auch unsere Anträge. Ob unsere Forderung zur Auf- und Nachrüstung von Photovoltaikanlagen auf Parkplätzen, der Errichtung der sogenannten Tiny Forests, der verstärkten Nutzung CO2-bindender Baumarten oder auch der Reaktivierung, Verdichtung und Modernisierung bestehender Gewerbeflächen als einige zu nennende Beispiele – es geht unserer Fraktion immer um konkrete Maßnahmen, die wirklich etwas bewirken.

Auch Mobilität ist hierbei ein wichtiger Baustein. In Viersen wird man nie ganz auf das Auto verzichten können. Es ist wichtig, dass die Bürger*innen nicht vom Auto abhängig sind, wenn sie sich fortbewegen wollen oder müssen. Wir müssen ein Verkehrsnetz vorhalten, in dem Fußgänger*innen, Fahrradfahrer*innen, der Individualverkehr und der ÖPNV gleichberechtigt sind. Dafür muss der ÖPNV deutlich attraktiver und perspektivisch auch günstiger werden. Dies wird Viersen alleine nicht bewerkstelligen können. Land und Bund müssen hier die Förderung von Projekten der Verkehrswende deutlich intensivieren. Das 49 €-Ticket ist ein erster Schritt. Ein Radwegenetz, das seinen Namen verdient, haben wir bis heute leider nicht. Auch wenn es – wie wir in der RP lesen konnten – Fortschritte gibt und bestehende Fahrradwege saniert werden. Hier sind weitere Anstrengungen unerlässlich.

Bei KiTas und Schulen haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Der weitere Ausbau der KiTas und der OGS an unseren Grundschulen steht seit einigen Jahren auf der Agenda und wir sind hier auf einem guten Weg. Schulen müssen fit für die Erfordernisse der nächsten Jahre gemacht werden. Bei IT-Ausstattung und Anbindung an schnelles Internet sind die Weichen gestellt.

Die Diskussion im Rahmen des aktuellen Schulentwicklungsplans zeigt, dass wir das Ganze im Blick haben müssen. Es ist verständlich, dass Eltern – ob im Falle des Standortes Krefelder Straße oder des Schulversuchs der PRIMUS-Schule - in erster Linie eigene Interessen im Blick haben. Politik muss aber das Interesse der gesamten Stadt und aller Schüler*innen vertreten. Würden wir jeweils auf jede Schule einzeln blicken, dann würden wir das gute Schulangebot in unserer Stadt mittel- und langfristig gefährden. Löst man sich von dem Blick auf einzelne Schulen, dann stellt man fest, dass der Schulentwicklungsplan deutlich darauf verweist, dass wir beispielsweise in Dülken aufgrund der mangelnden Anziehungskraft der PRIMUS-Schule das Problem an den beiden Grundschulstandorten in Dülken haben, dass diese Schulen überlaufen sind. Politik muss hier handeln und auch die Interessen der Schüler*innen, Eltern und Lehrerschaft der Schulen vertreten, die nicht so laut sind. Der Schulentwicklungsplan hat dies aufgezeigt und wir haben hier die richtige Entscheidung getroffen.

Ein anderes wichtiges Thema sind unsere Vereine und Ehrenamtler*innen. Sie sind der Kitt, der die Stadt zusammenhält. Gerade heute ist dies wichtig. Daher müssen wir dafür sorgen, dass diese Strukturen funktionieren können. Unser aktueller Antrag, eine Plattform für die Vereine – nach dem Vorbild der Vereinswerkstätten – zu schaffen, ist ein sinnvolles Instrument. Unser gemeinsamer Antrag mit der CDU-Fraktion eine Lösung für Veranstaltungsstätten für die Vereine des Brauchtums in Alt-Viersen und Süchteln zu erarbeiten, ein weiteres Mosaiksteinchen zur Stärkung der Vereine.

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Handlungsfelder, zu denen die SPD-Fraktion in den letzten Jahren zahlreiche Anträge gestellt hat. Für uns zählt – wie auch in den vorhergehenden Jahren – als Gradmesser, dass Viersen immer eine Stadt sein muss, in der man wohnen, arbeiten und seine Freizeit verbringen kann. Eine Stadt, die ein großes kulturelles und sportliches Angebot vorhält. Eine Stadt, in der Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren gerne leben. Eine Stadt für die, die hier geboren sind und für die, die zugezogen sind. Eine Stadt, die allen Menschen eine Heimat bietet, trotz unterschiedlicher finanzieller Möglichkeiten. Dafür machen wir Politik.

Lassen Sie mich zum Abschluss auf einen Aspekt hinweisen, der große finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt hat. Mit rund 30 % stellen Personal- und Versorgungsaufwendungen den zweitgrößten Posten des städtischen Haushaltes dar. Seit meiner ersten Haushaltsrede 2016 bis zum heutigen Zeitpunkt sind die Kosten von 59,8 Mio. € auf nun geplante 85,2 Mio. € gestiegen. Ein Anstieg von 42,5 %. Es ist nachvollziehbar, dass die kommunalen Arbeitgeber besorgt auf die Tarifverhandlungen schauen. Verstehen Sie mich aber nicht falsch: Als Gewerkschafter bin ich der Meinung, dass auch die Kolleg*innen im öffentlichen Dienst einen Anspruch auf eine adäquate Bezahlung haben. Dazu gehört eine entsprechende Erhöhung. Wer eine leistungsfähige Verwaltung will, der muss sich diese auch leisten. Die Kolleg*innen haben die Grenze der Belastung erreicht. Betrachtet man die vakanten Stellen, die teilweise zwei Jahre nicht besetzt werden können, dann weiß ich als Betriebsrat, dass dies nur auf Kosten der Mitarbeiter*innen geht. Dass unsere Verwaltung trotzdem gute Arbeit leistet, funktioniert nur durch großes Engagement der Kolleg*innen. Auch wenn es kein Viersen spezifisches Problem ist, müssen sich Verwaltung, Politik und der Personalrat Gedanken darüber machen, wie wir noch attraktiver für Bewerber*innen werden.

Abschließend möchte ich mich im Namen meiner Fraktion beim Kämmerer und allen Mitarbeiter*innen von Kämmerei und Finanzverwaltung für die geleistete Arbeit bedanken. Die Erstellung von Haushaltsplänen ist in den letzten Jahren mit vielen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten behaftet gewesen. Trotzdem haben sie es geschafft, uns einen soliden Haushalt vorzulegen.

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