Haushaltsrede Linke in Viersen zum Haushalt 2023

Viersen · Lesen Sie hier im Wortlaut die Haushaltsrede des Vorsitzenden der Viersener Fraktion Die Linke, Christoph Saßen, zum jetzt beschlossenen Haushaltsplan 2023.

 Christoph Saßen ist Vorsitzender der Ratsfraktion der Linken in Viersen.

Christoph Saßen ist Vorsitzender der Ratsfraktion der Linken in Viersen.

Foto: Die Linke

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

nach zwei Jahren Corona-Pandemie und einem Jahr russischem Angriffskrieg in der Ukraine befinden wir uns aktuell in einer Weltlage, die unser bisheriges Leben auf den Kopf gestellt hat, die von heute auf morgen kippen kann und die unsere Zukunft ungewiss lässt. Wir erleben nicht bekannten Rohstoffmangel, nicht gekannte Preiserhöhungen auf Öl, Gas und Strom, aber auch auf alltägliche Produkte des normalen Lebens und gleichzeitig eine nach wie vor vorhandene (so nicht gekannte) Inflation in Deutschland (mit 9,3% im Februar 2023) und ganz Europa (8,5% im Februar 2023). Die aktuellen Zinssteigerungen werden die Stadt Viersen zusätzlich treffen.

Wir können heute nicht sagen, ob und wie wir in den nächsten Jahren unseren Energiebedarf decken können, ob wir genügend Ressourcen zur Verfügung haben, um etwaige Reparaturen an Schulen oder städtischen Gebäuden durchzuführen oder ob wir uns diese Ressourcen überhaupt leisten können.

Viele der aktuell brennenden Aufgaben unserer Zeit landen auf den Füßen der Kommunen und Land und Bund schauen hier mal wieder nur zu. Ich hatte in meinen vergangen Haushaltsreden sehr häufig über das Thema Konnexität und die entsprechende Nichteinhaltung der oberen Stellen diesbezüglich gesprochen und möchte das hier wieder mit Bezug auf die Haushaltsrede des Stadtkämmerers nicht wiederholen, aber zumindest ansprechen. Auch sehr häufig gesprochen habe ich über den Fetisch der schwarzen Null, der mögliche Investitionen in der Vergangenheit verhindert hat, was uns heute nochmal zusätzlich auf die Füße fällt. Das geht natürlich nicht nur der Stadt Viersen so, ich schaue da beispielsweise nur mal auf verschiedene Autobahnbrücken, die teils kaum mehr nutzbar sind. Die entsprechenden Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten, die in den kommenden Jahren anstehen sind aber auch hier ordentlich. Viele Schul- und Verwaltungsgebäude, Turnhallen sowie u.a. deren Heizungs- und Lüftungssystem stehen in den kommenden Monaten und Jahren zur Modernisierung an. Eine Mammutaufgabe, die zusätzlich zur generellen Situation und zusätzlich zu den vorhandenen Aufgaben dazukommen wird. Auch hier nehme ich Bezug auf die Rede des Stadtkämmerers und erwähne beispielhaft die Frage nach dem Rechtsanspruch auf einen Ganztagesschulplatz ab 2026, der vom Land NRW vorgegeben wird. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin durchaus für den Rechtsanspruch auf einen Ganztagesschulplatz, bin durchaus dafür, dass hier endlich durchgehend Klarheit und neue Strukturen eingeführt werden, mit Blick auf die vorhandenen Räumlichkeiten, Möglichkeiten und das verfügbare Personal bleibt die entsprechende Umsetzung (bildlich gesprochen mit der Brechstange) hier allerdings zumindest spannend.

Aus meiner Sicht (und auch das habe ich bestimmt mehr als einmal gesagt), müsste die gesamte Beziehung von Bund, Land und Kommunen auf neue Beine gestellt werden. Ich darf diesbezüglich an die aufgrund einer erhöhten Zahlung der Gewerbesteuer im letzten Jahr verminderten Schlüsselzuweisungen des Landes NRW erinnern, die dazu geführt haben, dass die Stadt Viersen im Prinzip nichts von der erhöhten Steuerzahlung hatte, da diese auf anderer Seite wieder kassiert worden ist. Das Land NRW lässt uns diesbezüglich dann auch mit der Frage allein, wie denn überhaupt die Stadt Viersen aus diesen dauerhaften Finanzsorgen herauskommen könnte? Wenn Erfolge kassiert werden und hier das Prinzip linke Tasche, rechte Tasche gilt, dann fehlt zumindest mir die Antwort, wie man denn aus diesem nicht enden wollenden Hamsterrad aussteigen könnte… vielleicht könnten Sie da mal beim „neuen“ Finanzminister des Landes NRW nachfragen…

Wie in jedem Jahr so haben wir auch in diesem Jahr wieder einen Erinnerungsbrief von der IHK erhalten, doch bloß keine Steuern zu erhöhen. Im Übrigen die gleiche IHK, die uns zum Haushalt 2020 aufgetragen hat, ein Controlling der Personalerhöhungen im Bereich u.a. der KITA durchzuführen, einem Bereich in dem es einen Rechtsanspruch der Eltern gibt, den wir also bedienen MÜSSEN. In diesem Jahr begrüßt es die IHK sehr, „dass die Haushaltsberatungen der Startschuss für weitere Konsolidierungsmaßnahmen sein sollen.“ Der Kämmerer geht in seiner Haushaltsrede ebenfalls wie in den Vorjahren auf das Thema ein und betont, dass wir uns „in den kommenden Monaten mit ungeliebten und unbeliebten Dingen beschäftigen müssen.“

Nun kann man dem Kämmerer hier aus meiner Sicht nichts vorwerfen, er macht seinen Job. Als eines der langjährigen Mitglieder des bekannten und benannten Arbeitskreises, der seit Start Teil dieses Arbeitskreises ist, kann ich aber auch sagen, dass es langsam aber sicher sportlich wird, hier weitere Verbesserungen (also im Prinzip Streichungen und Kürzungen) zu generieren. Nach über 10 Jahren kürzen und streichen wird sich irgendwann die Frage stellen, was kann und was muss Stadt? Wie wollen wir leben? Und führt ein dauerhafter Kürzungswahn uns nicht eher in eine kontraproduktive Situation, in der sich die Bürgerinnen und Bürger auf kurz oder lang von der Stadt abwenden, weil es andere Städte oder Gemeinden gibt, in denen das Leben lebenswerter ist?! Mit den bereits von mir benannten Herausforderungen im Hinterkopf, der unsicheren zukünftigen Situation und der Gefahr, dass auch in Zukunft Bund und Land immer weiter Aufgaben auf die Kommune drücken, die dann als letzter in der Schlange die Zeche zu zahlen hat, stellt sich aus meiner Sicht in Zukunft auch die Frage nach der Verbesserung der Einnahmenseite, vor allem von Seiten Bund und Land. Mittlerweile halte ich es für ausgeschlossen, dass Kreise, Städte und Gemeinden mal auf Bund und Land zugehen und klar machen, dass es so einfach nicht mehr weitergeht. Auch dies hatte ich bereits mehrfach angeregt, aber wie so oft ergibt man sich lieber in seiner Position, statt mal auf den Tisch zu hauen. So drehen wir uns dann also auch zukünftig im Kreis, bis irgendwann nichts mehr da ist, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Das kann und sollte nicht unser Anspruch, unser Credo, unser Weg sein.

Im Grunde verwalten wir nach wie vor den Mangel und selbst wenn es entsprechende positive Einmaleffekte gibt, werden diese verrechnet. Wie man so auf Dauer und über Jahrzehnte eine liebens- und lebenswerte Stadt am Laufen halten soll, konnte mir bisher noch niemand schlüssig beantworten.

Frau Bürgermeisterin, meine Damen und Herren, der vorliegende Haushaltsplanentwurf für 2023 steht am heutigen Abend zur Verabschiedung an. Für die Fraktion DIE LINKE hat dieser Haushalt nach wie vor nur wenig zustimmungsfähiges zu bieten.

Wie bereits in der Vergangenheit erklären wir auch heute, dass wir pauschale Kürzungen bei den Personalaufwendungen sowie Elternbeiträge für die Kinderbetreuung und Mittagessen generell ablehnen. Wir fragen uns auch weiterhin, ob z.B. die Veranstaltung „Viersen blüht“ weiterhin sinnvoll und zukunftsfähig ist.

Aufgrund der bereits ausgeführten unklaren Situation und Lage hat die Fraktion DIE LINKE in Summe beschlossen, sich beim vorliegenden Haushalt 2023 sowie der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2023 zu enthalten.

Zum Stellenplan sei gesagt, dass die Fraktion DIE LINKE die zusätzlichen Stellen begrüßt. Bereits in der Vergangenheit haben wir betont, dass aus unserer Sicht die Stadt mehr Personal statt weniger benötigt. Ein Mehr an Personal bedeutet auch gleichzeitig eine Entlastung des bereits vorhandenen Personals, weniger Überstunden und weniger aufgrund hoher Belastung entstehende Krankheitsfälle.

Was uns nach wie vor stört sind pauschale Kürzungen, kw - Vermerke und Wiederbesetzungssperren, die leider im Stellenplan oder im Haushalt selber stehen und immer wieder die Einstellung von Personal behindern sowie die fehlende auf die Zukunft ausgerichtete Planung in Bezug auf der Ausbildung eigenen Personals zur Sicherstellung des zukünftigen Personalbedarfs der Stadt Viersen. Das Prinzip Hoffnung wird hier nicht funktionieren! In Summe hat unsere Fraktion hier allerdings beschlossen dem Stellenplan 2023 zuzustimmen.

Der Dank unserer Fraktion gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für Ihre geleistete Arbeit für unsere Stadt im Allgemeinen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kämmerei im Speziellen für die Arbeit an und mit dem städtischen Haushalt für das Jahr 2023.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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