Viersen GWG rettet das Klima — aber erst später

Viersen · Keine Treibhausgase, wenig Energieverbrauch, ein gemeinsames Elektroauto für alle Bewohner: Das ist der Plan für die Klimaschutzsiedlung. Doch ihr Bau verzögert sich immer wieder. Im Sommer sollen die ersten Bagger kommen

 Noch ist sie eine Vision: In der Klimaschutzsiedlung sollen eines Tages Mieter 48 Wohnungen beziehen. Da viele Detailfragen zu klären sind, hat sich der Baubeginn verschoben.

Noch ist sie eine Vision: In der Klimaschutzsiedlung sollen eines Tages Mieter 48 Wohnungen beziehen. Da viele Detailfragen zu klären sind, hat sich der Baubeginn verschoben.

Foto: Ulrich Beyer

Lässt sich beim Wohnen das Klima schützen? Das ist das Ziel einer Wohnanlage, die die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Viersen (GWG) an der Oststraße plant. Die Häuser, die dort früher standen, sind abgerissen, das Baufeld vorbereitet. Es fehlen nur Bagger und Bauarbeiter, die die Klimaschutzsiedlung bauen.

Ursprünglich sollten die ersten Bewohner in diesem Jahr einziehen. Doch es wird mindestens bis Ende 2017 dauern, bis die Häuser fertig sind. "Wenn wir dieses Projekt in herkömmlicher Bauweise errichtet hätten, wäre es möglicherweise seit eineinhalb Jahren bewohnt", sagt der GWG-Geschäftsführer Heinz Fels. Er schaut einerseits mit Unbehagen auf die konkurrierende Wohnungsgenossenschaft VAB, die in der Planungszeit diverse Projekte fertiggestellt hat. Andererseits ist er stolz: Die Siedlung an der Oststraße sei ein Wohnprojekt der Zukunft. Auch in 100 Jahren sollen hier Viersener wohnen, wünscht sich Fels.

Doch der Bau von klimaneutralen Gebäuden ist für Bauherren eine Herausforderung, das zeigt das Beispiel GWG. Das Banner auf dem Baufeld für die Klimaschutzsiedlung hängt nur noch schief an einem Drahtzaun auf kahler Erde. Seit Monaten tut sich hier nichts. Der Baubeginn verzögert sich immer wieder, weil die GWG Detailfragen klären muss, die sich bei anderen Projekten nicht stellen, sagt Fels.

Ein Beispiel: Soll die GWG den Mietern in ihren Wohnungen überschüssigen Strom zur Verfügung stellen, den eine Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt? Wenn ja, wäre die GWG rechtlich verpflichtet, die Stromversorgung ihrer Mieter zu garantieren. Erzeugt die Photovoltaikanlage keinen Strom, müsste die GWG Strom kaufen und liefern. "Dann würden wir zum Energieunternehmen", sagt Fels. Nach langer Überlegung entschied sich die Genossenschaft dagegen.

Aktuell hofft Fels nun, dass die Bagger im Juni anrollen. Sie sollen drei Passivhäuser bauen, geheizt mit Erdwärme. Auf dem Dach wird eine Photovoltaikanlage installiert. Die so erzeugte Energie soll ausreichen, um die Wohnungen zu heizen und das nötige Warmwasser zu erhitzen. Die Bewohner sollen sich ein Elektroauto teilen, das mit Strom aus der Photovoltaikanlage geladen wird.

Die Wohnungen gelten am Ende als klimaneutral: Läuft alles wie geplant, liegt der Ausstoß des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid um 65 Prozent niedriger als bei einem Gebäude, das nach der aktuellen Energieeinsparverordnung gebaut wird. Das Land fördert das Projekt als eine von 100 Klimaschutzsiedlungen, die es künftig in NRW geben soll. "Das Ziel ist die CO2-Reduzierung im Wohnungsbau", sagt Andreas Gries, Leiter des Projekts bei der Energieagentur NRW. Momentan sind 69 Klimaschutzsiedlungen in NRW geplant oder fertig. In Willich gibt es eine solche Siedlung, hier wurden Einfamilienhäuser gebaut. Die nächsten beiden sind in Mönchengladbach.

Die 69 Siedlungen reichen allerdings bei weitem nicht aus, wenn die Bundesregierung ihre Ziele erreichen will. Bis 2050 soll der Gebäudebestand in Deutschland nahezu klimaneutral sein. Davon ist man heute weit entfernt. Noch immer entfällt etwa ein Viertel des CO2-Ausstoßes pro Kopf laut Umweltbundesamt auf Heizung und Strom.

Günstig ist das klimaneutrale Bauen nicht. Ihr ehrgeiziges Projekt lässt sich die GWG viel kosten. Sie hat 7,3 Millionen Euro für die Klimaschutzsiedlung eingeplant, 150.000 Euro wird das Land als Förderung zuschießen. Darüber hinaus wird die GWG beim Bau der Siedlung nicht vom Land unterstützt. Trotzdem soll der Bau sich für die GWG lohnen. Sie will an ihre etwa 1000 Mitglieder schließlich weiterhin eine Dividende ausschütten. Diese lag 2015 bei vier Prozent.

Dass die Miete nicht allzu hoch ausfallen soll, liegt am niedrigen Zinsniveau. Die Kaltmiete soll zwischen 6,50 und 7 Euro pro Quadratmeter betragen, damit liegt sie am oberen Ende dessen, was in Viersen üblich ist. Die Nebenkosten dürften gering ausfallen, da kaum Energie gebraucht wird.

Das Interesse an den Wohnungen in der Siedlung ist trotz des verzögerten Baubeginns groß. 48 Wohnungen werden entstehen, für viele gibt es mehrere Interessenten. "Der überwiegende Teil der Wohnungsinteressenten besteht aus einer Person oder zwei Personen", sagt Fels. Ein Großteil der Wohnungen ist für diese Haushaltsgröße gedacht. Solche Wohnungen sind bisher in Viersen Mangelware.

Trotz des großen Interesses an den Wohnungen ist Fels nicht sicher, ob auch das nächste GWG-Projekt wie die Klimaschutzsiedlung gebaut werden soll. "Mit Hinblick auf die sehr lange Vorlaufphase möchte ich ein Fragezeichen daran machen", sagt er. "Im Moment sind wir erschöpft."

(RP)
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