Brüggen Geschichten aus dem Leben
Brüggen · Die Künstlerin Anja Hannig stellt derzeit im Kultursaal der Burg Brüggen aus. In ihren Arbeiten ist der Mensch das beherrschende Thema. Wer sich ihren Collagen und Objekte nähern will, muss zwischen den Zeilen lesen.
Anja Hannig gestaltet in Schichten, und sie erzählt Geschichten. So verweist der Titel "Ge:Schichten" ihrer Ausstellung in der temporären "Galerie 4 Null 4" in der Burg Brüggen auf Gestaltung und Inhalt. Beides verlangt ein gewisses Maß an archäologischem Gespür, um zwischen den "Zeilen" von Collagen und Objekten zu lesen. Die ideale Position insbesondere für die Collagen ist eine leichte Distanz, die das Spiel der Formen und Strukturen eher freigibt als die Nähe. Zwischen gegenständlicher Andeutung und Abstraktion liegt immer etwas Geheimnisvolles, das sich einer eindeutigen Festlegung entzieht.
Angelika Verkaar, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Fremdenverkehr, stellte die Künstlerin in Vertretung von Bürgermeister Gerhard Gottwald vor: Hannig kam mit sechs Jahren als Tochter eines Künstlerehepaares nach Brüggen. Die Mutter Hanna Brückelmann ist Keramikerin, Vater Ernst Grafiker. Beide leben in Born. Nach einer Ausbildung zur Goldschmiedin in Roermond und einem Design-Studium in Düsseldorf und Mönchengladbach führt Hannig ein eigenes Atelier – einst in Wuppertal, seit 2005 in Hilden.
Die Collagen entstehen im Prozess mit verschiedenen Papieren auf Holzfaserplatte. Hannig trägt Farben großzügig auf, überklebt, reißt ab und übermalt wiederum. Malerei und greifbare Linienstrukturen ergeben ein bewegtes Miteinander, das Gedanken an das Vergängliche berührt, wie etwa die Collage "Abschied".
Der Mensch ist beherrschendes Thema. Beim "Familienbild" mit der übergroßen Vaterfigur greift die Künstlerin die Tradition alter Fotos auf, um diese aufzubrechen. "Es ist der Moment, wenn keiner mehr Lust hat und alles abfällt aus der gestellten Position", erklärt sie die gefährdet anmutende Position des dargestellten kleinen Kindes. Die Figur des Engels "Gabriel" mit übergroßen Flügeln hängt einer Marionette gleich an Fäden. Sie berührt im zerbrechlich anmutenden Charakter der Keramikfragmente, die mit Rauch gefärbt sind. Die Künstlerin fühlte sich inspiriert von der Patina alter Steinfiguren, die mit Moos und Flechten übersät sind. Vom Erinnern und dessen Verlöschen erzählt die dreiteilige Installation "Ahnentafel" mit symbolisch reduzierten Zeitschichten. Im oberen Drittel sind Fotos aus den 1950er Jahren schon teilweise verbrettert, aber noch verfügbar. Ein milchig verschleierter Glaskasten darunter entrückt in ihm liegenden Liebesbriefe aus den 1920er Jahren schon wesentlich stärker, während Verwitterungsprozesse der abschließenden Metallplatte alles Vergangene verschluckt zu haben scheinen. "Es ist das, was ich nicht mehr weiß", sagt Hannig über ihre Darstellung vom stetigen Fortschreiten der Zeit.