Türen erzählen Geschichten Ganesha, Mutter Teresa und die Finsterspinne

Viersen · Eine Tür ist die Visitenkarte eines Hauses. Sie sagt etwas aus über das Haus, seine Geschichte, seine Bewohner. Wir stellen außergewöhnliche Haustüren vor — und die Menschen dahinter. Zum Auftakt: Ramesh Modi und seine indische Tür in Leuth

 Ramesh Modi und die mehrere hundert Jahre alte Holzverzierung aus Indien, die seine Haustür schmückt.

Ramesh Modi und die mehrere hundert Jahre alte Holzverzierung aus Indien, die seine Haustür schmückt.

Foto: jobu

Wie ein Trichter öffnet sich die weiße Gespinströhre, zwei Taster lugen hervor und verraten die Finsterspinne, die im Innern lauert. Ihre Röhre hat sie mit Gespinstfäden an einer außergewöhnlichen Stelle befestigt - an Ganesha. Der Gott mit dem Elefantenkopf ziert zusammen mit Shiva und anderen Göttern, alle kunstvoll in Holz geschnitzt, den Eingang des Bungalows an der Straße Hampoel in Leuth. Als Ramesh Modi die Haustür öffnet, zieht sich die Spinne erst mal tief in ihre Röhre zurück. Der Mediziner lächelt und sagt: "Die Türverzierung stammt aus Indien, ist mehrere hundert Jahre alt."

Aus Indien also. Nicht überraschend, dass solch exotische Motive mitten im niederrheinischen Dörfchen immer wieder für Erstaunen sorgen. Und für Verwunderung: "Besucher fragen natürlich, was es mit dieser Türverzierung auf sich hat", erklärt Modi, der viele Jahre als Arzt in Leuth praktizierte. Und dann muss er jedes Mal den Hintergrund erklären: Seine Familie stamme eben aus Indien, wohin er oft reise, von wo er die Türschnitzereien mitbrachte.

 Ganesha - der Gott mit dem Elefantenkopf.

Ganesha - der Gott mit dem Elefantenkopf.

Foto: jobu

Was dahintersteckt, schildert seine Frau Hannelore Modi. Viele Inder hätten Ganesha und andere Götter als Verzierungen an den Hauseingängen: "Ganesha soll das Haus beschützen, das ist wie ein Segen." Dieses Segensmotiv aus Teakholz an der Tür der Modis wirkt als verspielter Kontrast zur nüchternen Hausfront aus Stein und Glas. Kunstvoll die Figuren in verschiedenen Szenen, Götter, Schlangen, Tempel, Symbole, über die Modi Stunden lang reden könnte.

Stattdessen jedoch spricht er über das, was ihn immer wieder nach Indien lockt. "Viele Menschen dort sind krank, arm, haben nichts, Sozialwesen und Gesundheitsversorgung in manchen Gegenden liegen immer noch brach", bedauert der Arzt. Während hierzulande eher der wirtschaftliche Aufschwung in den Millionenstädten des riesigen asiatischen Staates für Schlagzeilen sorgt, brauche es im Land selbst Menschen, die sich um die Armen am Rande kümmern. Weshalb Modi 1981 das Hilfswerk Somedi gründete, das in Ländern der damals so genannten Dritten mit medizinischer Versorgung, Lebensmitteln und Kleidung hilft.

 Shiva ist eine der wichtigsten Hindu-Gottheiten .

Shiva ist eine der wichtigsten Hindu-Gottheiten .

Foto: jobu

Somedi unterstützt bis heute auch das Werk einer Ordensfrau und Friedensnobelpreisträgerin, die in Kalkutta so segensreich unter den Ärmsten der Armen wirkte - die 1997 verstorbene Mutter Teresa, die voraussichtlich in diesem Herbst heiliggesprochen wird. "Wir haben viel mit Mutter Teresa vor Ort zusammengearbeitet", erinnert sich Hannelore Modi. Der Kontakt war herzlich, und so besuchte Teresa 1982 die Modis in Leuth: "Sie war bei uns im Haus zu Gast und freute sich natürlich über die schönen indischen Motive an der Haustür", so Modi.

Was Mutter Teresa und die Modis auch verband, war und ist der Respekt vor dem Menschen - unabhängig von seiner Herkunft oder Kultur. Modi: "Sie fragte nie, welche Religion jemand habe, und es ist auch unser Prinzip, jeden Menschen zu achten." Genau da kommen wieder die Götter-Motive der Türschnitzereien ins Spiel, die Modi "sich immer wieder gern anschaut".

Denn der Hinduismus, für den 79-Jährigen "eine philosophische Religion", ist zwar vorherrschend in Indien, doch daneben gibt es andere, ähnliche Richtungen und Religionen. Jainismus zum Beispiel, der Ramesh Modi angehört, seine Frau ist Christin. "Für einen Jain gilt jedes Lebewesen als beseelt, ob Mensch, Pflanze oder Tier", schildert Modi eine Grundrichtung des Jainismus. Niemals würde er zum Beispiel ein Tier töten, betont er.

Und als wüsste sie um seine Grundhaltung, traut sich langsam die Finsterspinne wieder aus ihrer Röhre hinter dem Hindu-Gott Ganesha hervor.

(jobu)
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