Für-Vie zum Haushalt Viersen „Abgabenerhöhung so gering wie möglich halten“

Viersen · Unsere Redaktion dokumentiert die Haushaltsrede der Fraktion Für-Vie, gehalten vom Fraktionsvorsitzenden Hans-Willi Pertenbreiter.

 Hans-Willi Pertenbreiter, Fraktionsvorsitzender von Für-Vie.

Hans-Willi Pertenbreiter, Fraktionsvorsitzender von Für-Vie.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Liebe Viersener Bürgerinnen und Bürger,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Der 18.12.18 hätte ein historisches Datum werden können, wenn bei der damaligen Ratssitzung der Haushalt 2018 wenigstens mit einer schwarzen Null avisiert und der 2019er-Haushalt mit einem akzeptablen Plus geplant worden wäre, ohne die Bürger daran mit Steuererhöhungen beteiligen zu müssen.

Für beides sah es aber schlecht aus. Darum wurde es im Dezember auch nichts mit der historischen Bedeutung des Datums. Nur mit einer Abgabenerhöhung von insgesamt 3,5 Millionen Euro, zusammengesetzt aus einer Erhöhung der Grundsteuer B um zehn Prozent, einer Erhöhung der Gewerbesteuer um 2,2 Prozent und der Änderung der Abschreibungssystematik bei den Abwassergebühren wäre es gelungen. Das konnte und wollte Für-Vie nicht mittragen.

Der Haushalt 2018 war bereits ausgeglichen geplant bzw. er sollte sogar mit einem leichten Überschuss von 300.000 Euro abschließen. Doch Ende 2018 wurde uns ein Minus von knapp 400.000 Euro und damit 700.000 Euro unter der Planung avisiert.

Die Problematik bei der Aufstellung des Haushaltes am Ende des Jahres liegt darin, dass zum Einen der Abschluss des laufenden Jahres nicht mit endgültigen Zahlen hochgerechnet werden kann und auch für die Planung des nächsten Jahres wichtige Einnahme- und Ausgabepositionen ebenfalls nur geschätzt werden können.

Für-Vie hatte deshalb der Verschiebung der Haushaltsverabschiedung 2019 zugestimmt.

Nach vielen Jahren der Haushaltskonsolidierung wären wir über einen endlichen Erfolg unserer ständigen Sparbemühungen sehr froh gewesen.

Der interfraktionelle Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung hat in dieser Zeit eine Menge Projekte auf der Tagesordnung gehabt, die kleine und große Einsparungen realisieren sollten.

Nicht alles hat auch letztendlich zu den errechneten Einsparungen geführt oder bei einigen Projekten können sich die Einsparungen erst im Laufe mehrerer Jahre ergeben.

Durch steigende Ausgaben und geringere Einnahmen wurden die geplanten Einsparungen immer wieder relativiert. Mit Sparen allein funktioniert die Haushaltskonsolidierung leider nicht mehr. Nur die von der Verwaltung geplante Steuererhöhung hätte den Haushalt aus den roten Zahlen gebracht.

Dennoch hat sich Für-Vie sehr schwer getan, einer weiteren Belastung der Viersener Bürgerinnen und Bürger durch Erhöhung der Grundsteuer und auch einer weiteren Belastung der in Viersen erfolgreich tätigen Unternehmen durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer zuzustimmen.

Erst im ersten Quartal des neuen Jahres kommen konkrete Zahlen auf den Tisch und die wollten wir mit in die Planungen einbeziehen um eine Abgabenerhöhung entweder ganz zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.

Aber die Aufwendungen laufen uns davon, zum Beispiel die Personal- und Versorgungsaufwendungen. Der Stellenplan 2019 weist netto 18,5 neue Stellen aus – 6,5 Stelleneinsparungen ste-hen 25 neuen Stellen gegenüber. Stellen 2019 insgesamt 1.028,5.

Klar können wir auf neue Stellen im Sozial- und Erziehungsbereich nicht verzichten. Schließlich müssen wir neue Kindergärten bauen und weitere Kita-Gruppen einrichten. Denn viele neue Einwohner bringen auch hoffentlich viele Kinder mit in unsere Stadt.

Und auch auf dringend benötigtes weiteres Einsatzpersonal bei der Feuerwehr wollen und dürfen wir nicht verzichten.

Aber bei der einen oder anderen Position in der Aufstellung der 25 neuen Stellen fragen wir uns schon, muss das sein? Muss das dringend jetzt sein, wo wir die Hoffnung noch nicht aufgege-ben haben, doch noch den Haushaltsausgleich zu schaffen?

Allein vier neue Stellen für unterschiedliche Aufgaben in der angestrebten Digitalisierung der Verwaltung.

Für-Vie hat vor einiger Zeit einen Antrag eingebracht, die Digitalisierung der Stadtverwaltung zeitnah voranzutreiben. Der Antrag wurde mehr oder weniger von der Verwaltungsspitze abge-bürstet – um es mal salopp auszudrücken. Mit dem Hinweis, dass man daran arbeiten würde und vor allem, weil auch ein Pilotprojekt des Landes mit mehreren Kommunen läuft und man das Ergebnis daraus dann auch für Viersen umsetzen würde.

Unseres Wissens waren vom so genannten NRW-Digitalminister für dieses Pilotprojekt so fünf Jahre vorgesehen. Deshalb begrüßen wir es natürlich besonders, dass die Verwaltung dennoch unserem Antrag folgen will und mit der Di-gitalisierung schon jetzt beginnen möchte. Auch wenn wir anzweifeln, dass dafür erst mal neues IT-Personal eingestellt werden muss.

Der Interims-Kämmerer hat die Personalsituation der Stadtverwaltung so beschrieben: „Wir sind an der absoluten Oberkante angekommen. Mehr können die Mitarbeiter nicht leisten.“ Diese Einschätzung können wir nachvollziehen und teilen sie auch weitgehend.

Deshalb stimmen wir trotz einiger Zweifel an der nicht unbedingt erkennbaren Notwendigkeit jeder neuen Stelle dem Stellenplan 2019 zu.

Für-Vie hält Steuererhöhungen, um kommunale Haushalte zu retten, nicht für den richtigen Weg.

Die Kommunen bekommen von Bund und Land ständig neue Aufgaben aufs Auge gedrückt, aber die Finanzierung bleibt meist auch bei den Kommunen hängen.

Die Bundes- und/oder Landesmittel decken die Kosten selten ab.

Dazu kommt noch, dass der Kreis Viersen nicht bereit ist, sein üppiges Finanzpolster zu nutzen um durch eine weitere Senkung der Kreisumlage die kreisangehörigen Kommunen zu unter-stützen. Weder die Spitze der Kreisverwaltung noch die Kreistagsabgeordneten zeigen hier eine Bereitschaft.

Für-Vie ist nur auf kommunalpolitischer Ebene tätig. Aber alle Ratskolleginnen und -kollegen haben doch die Möglichkeit, auf ihre Kreistags-, Landtags- und Bundestagsabgeordneten, auf die sie so stolz sind, einzuwirken. Viel mehr, als das jede Bürgerin und jeder Bürger kann!

Die Haushaltsmiseren der Kommunen sind kein Viersener Problem. Wir befinden uns da in guter Gesellschaft.

Manche – auch große Kommunen - haben es ja durch drastische Maßnahmen geschafft, zum Beispiel durch den Verkauf des eigenen Energieversorgers.

Müsste man vielleicht nochmal drüber nachdenken, ob unsere Anteile an unserem Energieversorger für die Haushaltskonsolidierung reichen würden.

Eine „ganz böse“ Kommune hat es ja auch geschafft mit einer drastischen Senkung der Gewerbesteuer die Einnahmesituation zu verbessern. Leider kein Beispiel für Viersen, dazu fehlen uns die freien Gewerbeflächen.

Wie bereits gesagt, ein großes Problem bei unserem städtischen Haushalt ist die Planung, die auf viel zu vielen Schätzungen basiert.

Die Forderung der Gemeindeordnung, dass der Haushalt für das nächste Jahr Ende des Vorjahres verabschiedet werden muss, ohne dass zuverlässige Zahlen für den Jahresabschluss feststehen, macht überhaupt keinen Sinn.

Jedes größere Unternehmen arbeitet mit monatlichen oder zumindest quartalsmäßigen Bilanzen und kann so im Laufe des Jahres bereits Gewinnprognosen oder Gewinnwarnungen her-ausgeben. Und am 31.12. steht die Bilanz, in der sich meist nur noch minimale Veränderungen ergeben können.

Mit diesen aktuellen Zwischenbilanzen lassen sich auch konkrete Planungen für das laufende und das folgende Jahr erarbeiten.

Trotz des hochgelobten NKF können wir bis heute noch nicht mal die quartalsmäßigen Auswertungen bekommen.

Der Haushaltsentwurf 2019 besteht aus über 1.200 Seiten dichtbedruckter Zahlenreihen. Das mag rechtlich richtig und wichtig sein. Was wir aber brauchen, sind verständliche zusammengefasste Zwischenabschlüsse.

Nur dann ist auch ein sinnvolles Gegensteuern möglich, wenn man im Laufe des Jahres schon erkennt, wo Zahlen aus dem Ruder laufen, ins Plus oder ins Minus.

Das haben wir nicht und dies ist mit ein Grund, warum wir den Haushalt frühestens zu Beginn des zweiten Quartals verabschieden sollten.

Die Verschiebung der Haushaltsverabschiedung 2019 ist der beste Beweis. Im Laufe dieser drei Monate haben sich viele Zahlen verändert. Letztendlich hat dies dazu geführt, dass wir das bei der Haushaltseinbringung noch vorhandene Risiko von 6,3 Millionen Euro auf unter einer Million reduzieren konnten.

Auch wenn wir Steuererhöhungen immer noch für den falschen Weg halten, werden wir den Ausführungen in dem vorliegenden Kompromissvorschlag im Absatz I, Ergebnishaushalt, zustimmen.

Nicht zustimmen werden wir dem Absatz II Finanzhaushalt investiv. Es ist vollkommen unlogisch, den Haushalt durch die Steuererhöhungen - wenn auch geringeren – mit einem akzeptablen Plus abzuschließen und dann sofort wieder das erwirtschaftete – hoffentlich beständige - Plus wieder auszugeben.Und dazu auch noch den Kreditdeckel zu überschreiten.

So berauschend ist der Überschuss nicht, dass sofort die Wunschliste abgearbeitet werden muss. Zumal auch das Projekt jetzt nicht einer sofortigen Umsetzung bedarf. Da wäre die Sa-nierung einiger Schultoiletten wesentlich dringender. Hier muss man fast vermuten, dass mit der Förderung eines einzelnen Projektes in nur einem Stadtteil schon für die Wahlkämpfe in diesem und im nächsten Jahr politische Prioritäten gesetzt werden sollen.

Wir beantragen deshalb, die Absätze I und II getrennt abzustimmen. Dann haben die beiden großen Parteien nochmal Gelegenheit, diese zu diesem Zeitpunkt vollkommen falsche Verein-barung zu überdenken.

Den Vorschlag der Verwaltung mit der im Haushaltsentwurf angedachten Steuererhöhung lehnen wir ab.

Abschließend bedanke ich mich im Namen der gesamten Fraktion bei der Finanzverwaltung für die geleistete Arbeit. Vor allem auch für die in den letzten Wochen ständig neu aufbereiteten Veränderungen. Unabhängig davon, welcher Kämmerer gerade oben drüber schwebte, die Hauptarbeit lag wohl eindeutig bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzverwaltung.

Auch wenn man dies als normale Aufgabe des Jobs bezeichnen könnte, ist doch die Aufstellung des Haushalts mit seinen über 1.200 Seiten immer eine besondere Herausforderung. Vielen Dank dafür!

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