Viersen Für Borussia-Siege darf man beten

Viersen · Interview Schwester Jordana ist Erziehungsleiterin im Bethanien Kinderdorf Waldniel. Dort ist sie Borussia-Fan geworden. Ein Gespräch über Horst Köppels Schwesternbonus, volle Stadien, leere Kirchen – und vor allem über Gott und die Fußball-Welt.

 Sr. Jordana Schmidt, Erziehungsleiterin im Kinderdorf Bethanien in Waldniel, sagt: "Man darf für alles beten, also auch für einen Sieg." Sie jubelt auch im Taxi, wenn sie hört, das Borussia wieder gewonnen hat.

Sr. Jordana Schmidt, Erziehungsleiterin im Kinderdorf Bethanien in Waldniel, sagt: "Man darf für alles beten, also auch für einen Sieg." Sie jubelt auch im Taxi, wenn sie hört, das Borussia wieder gewonnen hat.

Foto: Busch

Sie sind in Grevenbroich aufgewachsen. Das ist nicht allzu weit von Mönchengladbach entfernt. Was sind Ihre ersten Erinnerungen an Borussia?

Schwester Jordana Ich kann mich an die Farben erinnern, schwarz, grün und weiß, aber ansonsten sind meine Erinnerungen spärlich. Richtiger Fan von Borussia bin ich erst hier im Kinderdorf geworden. Denn fast alle Kinder sind Fan von Borussia. Als Gladbach abgestiegen ist, waren die Fahnen auf Halbmast gehisst.

Borussia Mönchengladbach hat eine sehr erfolgreiche Saison gespielt. Wie haben Sie die verfolgt?

Schwester Jordana Es ist nicht so, dass ich mir jeden Samstag die Sportschau ansehe. Aber Borussia ist der einzige Grund, warum ich den Sportteil in der Zeitung lese. Und wenn ich Nachrichten gucke, achte ich genau darauf, wo Borussia steht. Ich war Anfang des Jahres in Bayern und fragte den Taxifahrer, der mich zum Flughafen brachte, wie das Spiel Bayern München gegen Mönchengladbach ausgegangen sei. Als er meinte, Bayern habe leider verloren, jubelte ich. Woraufhin mich der Taxifahrer sehr irritiert ansah.

Wenn Gladbach ein Spiel verliert, schlägt das auf die Stimmung im Kinderdorf?

Schwester Jordana Bei manchen Mitarbeitern merkt man das. Und manchmal muss ich auch die Kinder aufmuntern. Ich habe schon gelernt, dass ich nicht sagen darf "Das ist doch nur Fußball".

Ist es unanständig, für einen Sieg zu beten?

Schwester Jordana Nein. Man darf für alles beten, also auch für einen Sieg. Man soll nur nicht in die Glaubenskrise kommen, wenn der Verein trotzdem verliert.

Fußball ist für viele Menschen so etwas wie eine Ersatzreligion geworden.

Schwester Jordana Fußball kann das Leben sicher verschönern, aber für mich ist Religion eine Gottesbeziehung, die mir einen Sinn im Leben gibt. Es gibt noch so viele andere Dinge im Leben als Fußball. Wenn Menschen die Sportschau wichtiger finden, als dem Nachbarn einen guten Tag zu wünschen, finde ich das bedenklich. Wenn ich sehe, dass wir hier um jeden Cent kämpfen müssen und bei den Übertragungsrechten mal eben Hunderte Millionen über den Tisch gehen. Klar, Fußball ist ein schönes Gemeinschaftserlebnis. Auch mich macht es stolz, wenn Borussia gut spielt.

Der Stadionbesuch am Wochenende ist für viele Leute selbstverständlich. Der Besuch des Gottesdienstes nicht.

Schwester Jordana Es hat sicher etwas Verbindendes, gemeinsam zum Fußball zu gehen. Aber ich frage mich, wie viel Religion uns noch bedeutet. Früher haben uns Kirche und Gemeinschaftsleben gebunden, heute macht das der Fußball.

Kann ein Gottesdienst ein Event sein wie ein Fußballspiel?

Schwester Jordana Ich gehe nicht zum Gottesdienst, weil er Event ist, sondern weil ich meine Beziehung zu Gott pflegen möchte. Es gibt feierliche Oster- und Weihnachtsgottesdienste, aber das sind Ausnahmen.

Was kann denn ein Fußballspieler aus seinem Glauben ziehen?

Schwester Jordana Dass er nicht ganz verzweifelt, wenn er mal verliert, und weiß, dass er als Mensch trotzdem angenommen wird. Der Wert eines Fußballspielers bemisst sich für Gott nicht danach, wie viel Tore er schießt. Leider gibt es ja trotzdem immer wieder Fußballspieler, die Depressionen haben.

Die Fans treffen Niederlagen häufig noch schwerer.

Schwester Jordana Ich kann nachvollziehen, dass Fans trauern, wenn das Team verliert. Wenn Borussia verliert, bin ich auch enttäuscht. Aber es ist nur das Spiel, das verloren ist, nicht das ganze Leben.

Das schaffen nicht alle.

Schwester Jordana Es schockiert mich, wenn das Fan-Dasein in Gewalt umschlägt gegen Anhänger anderer Mannschaften. Da wird Fußball für etwas genutzt, was dort nicht hingehört. Das hat der Fußball mit der Religion gemeinsam, die auch häufig benutzt wurde und manchmal auch noch wird, um Gewalt zu rechtfertigen. Von einer Sache begeistert sein, ist gut. Aber Fanatismus hat nie etwas Gutes. Nun muss ich es doch noch sagen: Es ist eben nur Fußball.

(RP)
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