FSJ im Kinderhaus Bethanien Ein Jahr Kultur pur

Klavierunterricht geben, die musikalische Begleitung für ein Theaterstück betreuen und Verantwortung übernehmen: In seinem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) Kultur in Schwalmtal konnte der Aachener Jannis Gulde viel ausprobieren.

 Jannis Gulde (18) absolviert sein Freiwilliges Soziales Jahr im Bethanien-Kinderdorf. Und hat dabei viel gelernt.

Jannis Gulde (18) absolviert sein Freiwilliges Soziales Jahr im Bethanien-Kinderdorf. Und hat dabei viel gelernt.

Foto: Julia Esch

Einzelne Noten spielt die Schülerin auf dem Klavier, dabei sagt sie die Namen der Töne auf. „Das war schon ganz gut“, sagt Jannis Gulde. Er zeigt ihr, wie sie die Noten richtig liest, wo das Tempo des Stücks auf dem Blatt angegeben ist, wann die Klänge lauter oder leiser sein müssen. Der 18-Jährige macht ein freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Kultur im Bethanien Kinder- und Jugenddorf in Schwalmtal. Genauer gesagt: In der Musikschule.

Klavierunterricht, die musikalische Begleitung für ein Theaterstück organisieren, aber auch Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit der Musikschule – sein Aufgabengebiet sei seit Herbst vergangenen Jahres bislang breit gefächert, sagt der junge Aachener.

Dass die Anwärter für das FSJ Kultur aus Städten und Gemeinden außerhalb der Region kämen, sei nicht unüblich, sagt Wolfhelm Ostendarp (62), seit 1986 Leiter der Musikschule: „Wir sind ein sehr gefragter Standort.“ In den zwölf Monaten seiner Tätigkeit in  Schwalmtal wohnt Gulde auch im Kinderdorf und fährt nur an den Wochenenden nach Hause. „Nicht alle Standorte bieten diese Möglichkeit an. Das war hier schon ein großer Vorteil“, sagt der 18-Jährige.

Zunächst habe Gulde beim Unterricht nur zugesehen, schildert der Leiter der Musikschule. Mittlerweile übernimmt er aber den Klavierunterricht dort nahezu komplett. „Ich musste erst lernen, wie ich am besten auf die Bedürfnisse und Ideen der Schüler eingehe, und wie ich die Grundlagen, die für mich selbstverständlich schienen, zeigen kann“, sagt der FSJ-ler.

Für die Musikschüler im Bethanien-Kinderdorf beginnt der Unterricht in der Regel mit Noten lesen und spielen lernen. Gulde hat neben dem Schulunterricht eine Organisten-Ausbildung absolviert – eine der Voraussetzungen, die ihn bei seiner Bewerbung zu einem interessanten Kandidaten gemacht habe, sagt Ostendarp. „Wer bei uns in dem Bereich ein FSJ machen möchte, sollte schon ein Instrument spielen können, vorzugsweise Klavier“, so der Musikschulleiter.

Doch was macht einen guten Bewerber aus? „Die jungen Menschen müssen mit den Kindern empathisch umgehen können“, sagt der 62-Jährige. „Im Unterricht muss man auf die Ideen und Wünsche der Schüler eingehen, aber trotzdem den Lerninhalt vermitteln können.“

Die Musikschule in der Jugendhilfe-Einrichtung ermöglicht Kindern und Jugendlichen, die sonst keine Chance auf einen dauerhaften Musikunterricht haben, sich musikalisch auszudrücken und ein Instrument zu erlernen. Wegen  Entwicklungsrückständen und Verhaltensauffälligkeiten hätten sie an einer kommunalen Musikschule eher geringe Chancen auf dauerhaften Unterricht. Aber: „Musik hat mit Gefühl zu tun“, sagt Ostendarp. Geduld, Lernen in kleinen Schritten und Einfühlsamkeit seien für die Arbeit an der Musikschule besonders wichtig: „Aber auch grundsätzliche Dinge wie Zuverlässigkeit.“

Jannis Gulde ist zufrieden mit seinem FSJ. Es habe ihm bislang geholfen, „verschiedene Dinge auszuprobieren und ein wenig klarer zu spüren, in welche Richtung das zukünftige Studium gehen soll“, sagt er. „In meinem Umfeld haben das viele gemacht, oder auch ein Jahr im Ausland verbracht.“ Dass sein FSJ mit Musik zu tun haben soll, sei ihm schnell klar gewesen – doch an der Musikschule sei auch ein weiterer Bereich in den Vordergrund gerückt. „Ich habe schon früher gerne geschrieben“, sagt Gulde. „Das habe ich auch hier gemacht.“

So ist aus dem ursprünglichen Gedanken, vielleicht Jura zu studieren, Guldes Blick nun in Richtung Journalismus geschwenkt. Und vielleicht auch zu einem Berufsweg, der beides unter einen Hut bringen könnte – das Schreiben und die Musik.

Ein Abschlussprojekt ist bei jedem Freiwilligen Sozialen Jahr Pflicht – Jannis Gulde hat sich für eine rein musikalische Aufgabe entschieden, die mit viel Organisation und Verantwortung einherging. Für die Aufführung von „Belle und das Biest“ mit der Theater-AG des St.-Wolfhelm-Gymnasiums im vergangenen Jahr hat Gulde die Proben der Musikschul-Band organisiert und auch selbst Klavier gespielt. Verantwortung und die Leitung bei Aufgaben zu übernehmen, sei für ihn eine weitere Erfahrung gewesen, die er im FSJ gewonnen habe. Ebenso wie Ergebnisse seiner Arbeit im Klavierunterricht: „Bei der Talentshow der Musikschule war es sehr schön zu sehen, was Schüler, mit denen ich seit Herbst arbeite, gelernt haben, und dass ich dazu beigetragen habe“, sagt Gulde.

Einblick in den Unterricht zu bekommen und bei der Arbeit in der Musikschule mitzuhelfen, sei aber nicht nur mit einem FSJ möglich, erläutert Ostendarp. „Wir bieten Praktika an, auch für Schüler.“

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