Serie Vor 400 Jahren Fenstersturz: Auftakt zum 30-jährigen Krieg

Viersen · Schlimmer als große Schlachten waren für die Menschen im heutigen Kreis Viersen Einquartierungen von Söldner-Armeen

 Ihre Politik hatte wesentlichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen am Niederrhein: Infantin Isabella Clara Eugenia von Spanien, die Ehefrau von Erzherzog Albert VII. von Österreich (Gemälde im Museo del Prado - Künstler Alonso Sanchez Coello) und Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Herzog von Jülich-Berg (Künstler: Johann Spilberg.,1648).

Ihre Politik hatte wesentlichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen am Niederrhein: Infantin Isabella Clara Eugenia von Spanien, die Ehefrau von Erzherzog Albert VII. von Österreich (Gemälde im Museo del Prado - Künstler Alonso Sanchez Coello) und Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Herzog von Jülich-Berg (Künstler: Johann Spilberg.,1648).

Foto: Wikipedia

Kreis Viersen Als am 23. Mai 1618 in Prag Mitglieder der protestantischen Stände hochrangige Vertreter des Kaisers aus dem Fenster der Prager Burg 17 Meter tief in den Burggraben stürzten, nahm das furchtbare Ringen, das wir unter der Bezeichnung "Dreißigjähriger Krieg" kennen, seinen Anfang. Er endete mit den Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück und brachte unter anderem den evangelischen Niederlanden die völkerrechtliche Anerkennung.

Diesen Krieg darf man sich nicht als eine Kette flächendeckender, reichsweiter Kampfhandlungen vorstellen. Vielmehr waren unterschiedliche Regionen des Reiches zu unterschiedlichen Zeiten sehr unterschiedlich vom Krieg betroffen.

Für das Gebiet des heutigen Kreises Viersen ist zu bedenken, dass die zum Herzogtum Geldern gehörenden Orte Viersen, Grefrath, Lobberich, Tönisberg, Hinsbeck und Leuth im 17. Jahrhundert unter spanischer Herrschaft standen und damit während des Dreißigjährigen Krieges in den spanisch-niederländischen Krieg einbezogen waren. Kempen und das heutige Willich gehörten zum Kurfürstentum Köln, dessen Landesherr Kurfürst Ferdinand von Bayern, wie Wilhelm Janssen in seiner "Kleinen Rheinischen Geschichte" schreibt, "bedingungslos der wechselnden politischen Linie seines Bruders Maximilian von Bayern, des Führers der katholischen Reichsstände" folgte. "Dessen distanziert kaisertreue, aber latent spanienfeindliche Haltung ermöglichte dem Kölner die Aufrechterhaltung eines neutralen Verhältnisses zu den Generalstaaten, das seinen Untertanen wirtschaftliche Prosperität und - bis in die Schlussphase des Krieges - seinem Lande Ruhe und Frieden sicherte."

Als weniger segensreich für die Bevölkerung erwies sich die Politik einer bewaffneten Neutralität, die der auch der wittelsbachischen Dynastie entstammende Jülicher Herzog Wolfgang Wilhelm, verfolgte. Zu seinem Herrschaftsbereich gehörten neben weiteren Orten Dülken, Süchteln, Waldniel. Kaldenkirchen, Bracht und Breyell. Herzog Wolfgang Wilhelm sah seine Territorien der militärischen Bedrängnis durch schwedische und kaiserliche Soldateska ausgesetzt.

Insgesamt ist der Niederrhein im Dreißigjährigen Krieg glimpflicher davon gekommen als andere Gebiete zum Beispiel Süd- und Mitteldeutschlands. Die einzige Schlacht am Niederrhein war jene auf der Tönisheide bei Kempen im Januar 1642, die der katholischen Amtsstadt Kempen eine drückende Invasion der evangelischen Hessen bescherte.

Im Herzogtum Jülich verringerte sich die Bevölkerungszahl zwischen 1635 und 1647 um ein Viertel, wobei die Pest das ihre getan hatte. Schlimmer als große Schlachten waren für die Menschen Truppendurchzüge oder Einquartierungen der vielfach aus entwurzelten Söldnern bestehenden Armeen.

Lange in leidvoller Erinnerung blieb den Menschen von Brüggen bis Kevelaer die Einlagerung von kaiserlichen Truppen unter Octavio Piccolomini im Jahre 1635/36. Bestürzende Berichte liegen für die Verhältnisse im Amt Brüggen vor. In dem "geringen stättlein Brüggen" lagen unter anderem sechs Kompanien Dragoner, die nach einem Bericht des stets um Schadensbegrenzung bemühten Amtmanns Johann Friedrich von Schaesberg vom 24. Januar 1636 die Bevölkerung derart aussaugten, dass "die inwohner innerhalb wenig tag alles verlassen und ellendiglich davon verlaufen mussen" . Der Amtmann hatte keinen Zweifel, dass es in Dülken, Dahlen und Waldniel "gleichmäßig zugehen" würde. Wenig später schrieb Schaesberg: Den "ellendigsten zustandt" des Amtes Brüggen zu beschreiben, wäre schlicht unmöglich.

Der Amtmann bediente sich des damals beliebten Mittels der Zahlung üppiger Bestechungsgelder an die jeweiligen Heerführer. Das war auch Methode in der Politik des Herzogs von Jülich. Im Herbst 1635 wies die landesherrliche Kanzlei in Düsseldorf dem Brüggener Amtmann 3000 Reichstaler an, um die "notwendige presenten" für die Kommandanten in den "Kayserlichen, Königlichen Spanischen, Königlichen Frantzösischen und Statischen lägeren" zu besorgen, damit die Militärs günstig im Sinne der Verschonung des Amtes Brüggen gestimmt würden. Als 1637 eine erneute Invasion kaiserlicher Kriegsvölker drohte, fürchtete man in der Brüggener Burg, dass die "unierte niederländische provincien" es dann um so mehr auf eine Besetzung des Amtes absehen könnten. Der Dreißigjährige Krieg bestand eben aus mehreren aufeinander folgenden Kriegen. Es ist nicht leicht, den Überblick zu bewahren

(prof)
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