Niederkrüchten Fegte ein Tornado über Elmpt hinweg?

Niederkrüchten · Ein kräftiger Wind hat am Dienstagabend zahlreiche Dächer beschädigt. Möglicherweise handelt es sich bei dem Wetterphänomen um eine Windhose, also einen kleinen Tornado. Der Deutsche Wetterdienst bittet um Hinweise.

 An der Schule in Elmpt half die Feuerwehr dabei, lose Dachziegeln zu entfernen, damit der Unterricht gestern stattfinden konnte. Andere von der heftigen Winbö betroffene halfen sich selbst oder riefen den Dachdecker.

An der Schule in Elmpt half die Feuerwehr dabei, lose Dachziegeln zu entfernen, damit der Unterricht gestern stattfinden konnte. Andere von der heftigen Winbö betroffene halfen sich selbst oder riefen den Dachdecker.

Foto: Jungmann

Die Schüler der Grundschule Elmpt hatten gestern nur ein Thema: die Windhose, die am Dienstagabend über Teile des Ortes hinweggegangen ist und Schäden anrichtete - auch an ihrer Schule. Dort gingen Dachziegel fliegen, wie auch an mehr als zehn anderen Häusern an der Hauptstraße, Im Grund und im Neubaugebiet Malerviertel. Die Anwohner halfen sich selbst, bestellten teilweise Dachdecker. An der Schule half am Abend die Feuerwehr, damit der Unterricht gestern stattfinden konnte und keine Gefahr bestand, dass noch Dachziegel auf den Schulhof rutschen könnten.

Ob es wirklich eine Windhose war, also ein schwacher Tornado, lässt sich noch nicht sagen. Aber nach den Beschreibungen der Augenzeugen spreche einiges dafür, sagt Andreas Friedrich, Tornado-Experte beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach.

Der Dienstag war ein Tag mit kräftigen Schauern, auch mal der ein oder anderen Windbö, insgesamt mit einer sehr instabilen Wetterlage. Aber gegen 18 Uhr war es trocken. Dicke schwarze Wolken zogen von Overhetfeld her heran. Eltern und Betreuer beim Fußball in der Lehmkul witzelten noch darüber, dass es jetzt wahrscheinlich trocken sei, weil eine Mutter extra einen Regenschirm gekauft hatte. "Und dann hörten wir einen Knall, fast wie eine Explosion, und es flogen von Overhetfeld her Netze auf uns zu", erzählt eine Augenzeugin. Auch in der Kindertageseinrichtung "Unterm Regenbogen", wo die Erzieherinnen noch eine Sitzung hatten, gingen alle Blicke zum Fenster, als die riesigen schwarzen Gebilde vorbeiflogen und immer höher in die Luft gewirbelt wurden.

In anderen Teilen des Ortes war es absolut windstill. An der unteren Hauptstraße beobachteten einige Kinder, wie die Netze in Richtung Autobahn flogen. Als gefährliche Situation nahmen sie das, was passierte, aber nicht wahr. "Ein Klassenkamerad, dessen Vater Bauer ist, hat sich heute bei allen entschuldigt, auf deren Dächern und in deren Gärten die Netze gelandet sind - die sind 50 Meter lang", erzählt ein Viertklässler nach der Schule stolz.

Es war nicht das erste Wetterphänomen dieser Art, das es in Elmpt zu beobachten gab. Am 26. August 2011 zog ein Unwetter über den Kreis Viersen, bei dem in Viersen eine Oberleitung beschädigt wurde und ein Zug evakuiert werden musste. Damals hatten Soldaten aus den Javelin-Barracks in Elmpt von einem Wirbelsturm berichtet - aber niemand hatte fotografiert. Deshalb taucht dieses Ereignis in den Statistiken nicht auf.

Denn der DWD kann nicht alles auf Radar- und Satelliten-Bildern nachweisen. In der für den Niederrhein zuständigen Regionalstelle in Essen ist auf den Bildern von Dienstagabend zwar eine kleine Schauerzelle zu erkennen, aber nicht mehr. Tornado-Experte Friedrich ist auf Schilderungen von Augenzeugen angewiesen - und auf Fotos und Videos. In Deutschland, so wird geschätzt, gibt es jährlich etwa 20 bis 60 Tornados. Dass die Zahl in den vergangenen Jahren gestiegen ist, wird zunächst nicht auf eine Klima-Erwärmung zurückgeführt, sondern eher auf bessere und vor allem besser belegbare Beobachtungen. "Für einen Tornado ist immer eine Schauer- oder Gewitterwolke nötig", sagt Friedrich. "Daraus regnen muss es aber nicht zwingend." Unterhalb der Wolke müssten bestimmte Windverhältnisse herrschen, die die Luft vom Boden hochsaugen, und zwar dadurch, dass direkt unter der Wolke eine andere Windrichtung herrscht als am Boden und der Wind dort auch stärker ist. Der klassische "Tornadorüssel", der von der Wolke in Richtung Boden gehe und ihn manchmal auch berühre, werde gar nicht immer gesehen. Und erst, wenn alle Wetterbedingungen gleichzeitig zuträfen, könne sich ein Tornado bilden.

Tornados dauern zwischen wenigen Sekunden und etwa einer Stunde, meist sind sie aber in wenigen Minuten vorbei. Sie treten am häufigsten im Frühsommer auf und in den frühen Abendstunden - beides trifft für Elmpt zu. Mit dem "Verdachtsfall" von Elmpt sind dem DWD in Offenbach für Dienstagabend deutschlandweit drei Tornado-Verdachte gemeldet worden. Die anderen liegen in Leipzig und am Kaiserstuhl, nördlich von Freiburg.

(hah)
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