Kursus in Viersen Auch blinde Menschen können helfen

Viersen · Einen Erste-Hilfe-Kursus für sehbehinderte und blinde junge Menschen gab es jetzt in der Feuer- und Rettungswache Viersen. Die Fachgruppe Jugend des Blinden- und Sehbehindertenvereins in NRW setzte das Angebot um.

 Stefan Peters und Nina Odenius üben an der Modellpuppe die Mund-zu-Mund-Beatmung und die Herzdruckmassage. 21 junge sehbehinderte und blinde Menschen aus ganz NRW nehmen an dem Kursus in Viersen teil.

Stefan Peters und Nina Odenius üben an der Modellpuppe die Mund-zu-Mund-Beatmung und die Herzdruckmassage. 21 junge sehbehinderte und blinde Menschen aus ganz NRW nehmen an dem Kursus in Viersen teil.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Kaum hat Nina Odenius die Jacke des Puppenmodells für die Herzdruckmassage geöffnet, fahren ihre Finger vorsichtig tastend den Rippenbogen entlang, bis sie auf die Stelle treffen, wo eine Art kleiner Knubbel zu fühlen ist, weil die beiden Bögen zusammentreffen. Odenius legt zwei Finger über die Stelle, um genau darüber ihren linken Handballen aufzulegen. Ihre rechte Hand folgt und verschränkt sich mit den Fingern der linken Hand. „Die Arme jetzt schön gerade halten und mit der Herzdruckmassage anfangen“, gibt Ulla Maluche vor. Die Krankenschwester und Erste-Hilfe-Ausbilderin hat kaum ausgesprochen, als Odenius mit hochkonzentrierten Gesicht mit der Massage beginnt. 30 Mal setzt die junge blinde Frau an, dann tastet sie sich zum Gesicht vor, um mit der Mund-zu-Mund-Beatmung zu beginnen, nachdem sie zuvor ein korrektes Überstrecken des Halses durchgeführt hat. Nase der Puppe zuhalten und die zweimalige Beatmung wird durchgeführt, bevor es mit der Herzdruckmassage weitergeht.

Rund um die Erste-Hilfe dreht sich alles in der Feuer- und Rettungswache Viersen. Die Fachgruppe Jugend des Blinden- und Sehbehindertenvereins (BSV) in NRW hat zu einem Erste-Hilfe-Kursus eingeladen. 21 junge sehbehinderte und blinde Menschen im Alter zwischen 16 bis 35 Jahren aus ganz NRW haben sich eingefunden, um unter entsprechender Anleitung Erste-Hilfe-Maßnahmen zu erlernen.

Maluche erklärt: „Wenn jemand umfällt, ansprechen, an den Schultern schütteln und Atmung kontrollieren. Kommt keine Reaktion und ist auch keine Atmung mehr vorhanden beziehungsweise liegt eine Schnappatmung vor, den Notruf 112 absetzen und sofort mit der Herzdruckmassage beginnen.“ Die Mund-zu-Mund-Beatmung ist dabei kein Muss. Wichtig ist die Massage, die ohne dazwischen geschobene Beatmung pro Minute 100 Mal durchgeführt werden muss, bis der Rettungsdienst eintrifft und übernimmt.

„Auch als blinder Mensch kann man helfen. Mir gibt es ein gutes Gefühl, Erste-Hilfe zu lernen“, sagt Zainab Zhour. Dem kann sich Tobias Krämer nur anschließen, der das barrierefrei aufbereitete Tages-Seminar, welches die Grundkenntnisse der Ersten Hilfe vermittelt, sehr gut findet. Es nehme ihm die Unsicherheit, bemerkt der junge Mann. „Ich habe damals in der Schule einen solchen Kurs besucht. Für mich ist es eine Auffrischung. Wobei ich es gut finde, dass wir unter Gleichgesinnten sind und alles langsam und gut erklärt wird“, sagt Hacer Savas.

Nicht nur die Herzdruckmassage steht auf dem Programm. Die stabile Seitenlage, der Rautek-Griff und weitere Erstmaßnahmen folgen. Maluche erklärt allgemein, bevor jeder Teilnehmer praktisch mit der entsprechenden Anleitung übt. „Über das Ertasten der Situation und das Ausüben der entsprechenden Hilfe bekommt ein jeder Sicherheit. Wenn man etwas ein paarmal gemacht hat, verfestigt sich das neu erworbene Wissen“, sagt die Ausbilderin. Dazu kommt das Kennenlernen eines Rettungswagens (RTW). Oberbrandmeister und Notfallsanitäter Christoph Peters nimmt die Teilnehmer in Kleingruppen mit in einen RTW und erklärt die Gerätschaften, die sich auf dem Wagen befinden. „Wir haben das Angebot unter das Motto ,Auch du kannst helfen’ gestellt. Unsere Teilnehmer erhalten heute das Handwerkszeug, um in einem Notfall ebenfalls agieren zu können. Zudem erfahren sie über den RTW-Besuch, wie ein solcher aussieht und was darauf alles geleistet werden kann“, sagt Stefan Peters, Leiter der Fachgruppe Jugend der BSV NRW.

Das Vorurteil, dass blinde oder sehbehinderte Menschen in einem Notfall nicht helfen können, widerlegt der Kursus indes auf der ganzen Linie. Ein jeder der Teilnehmer geht souverän an die Erste-Hilfe heran und kann eine Menge für sich mitnehmen. Wissen, mit dem im Falle eines Falles ein Menschenleben gerettet werden kann.

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