Viersen Herausforderung: Adventskranz selbst basteln

Viersen · Im Laufe seines Lebens sollte ein Mann einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und einen Sohn zeugen. Und wenn all das erledigt ist? Kommen die wahren Herausforderungen. Unser Autor hat erstmals versucht, einen Adventskranz selbst zu basteln. Und dabei viel gelernt.

 Ich bin nicht alleine: Rund 20 Frauen und ein weiterer Mann basteln gemeinsam. Zwischendurch gibt’s Fingerfood und Sekt. 

Ich bin nicht alleine: Rund 20 Frauen und ein weiterer Mann basteln gemeinsam. Zwischendurch gibt’s Fingerfood und Sekt. 

Foto: Martin Röse

Ich habe Laufen gelernt, Sprechen gelernt, Lesen und ein bisschen Schreiben gelernt. Ich habe Abitur gemacht, Autofahren gelernt, manche Dummheit angestellt und bin irgendwann sogar so etwas wie erwachsen geworden. Baum, Haus, Sohn? Drei Haken dran!

Vor einer Sache habe ich mich aber immer gedrückt in meinem 46-jährigen Leben, weil sie mir zu viel Respekt abverlangte. Einen Adventskranz selbst zu basteln! Bis heute. Weil das nun wirklich eine Herausforderung ist, gegen die „einen Brexit managen“ oder „den Weltfrieden herstellen“ meines Erachtens vergleichsweise leichte Übungen darstellen.

Es ist ein bisschen wie die Theodizee-Frage, warum der gute Gott das Böse in der Welt zulässt: Hätte Gott gewollt, dass ich einen Adventskranz bastele, hätte er mich doch bestimmt mit drei Händen gesegnet. Alleine schaffe ich das nicht. Ich habe mich deshalb zum Adventskranz-Basteln im Trendwerk Viersen angemeldet. Da bin ich nicht alleine. (Juchhu!) Allerdings scheinen die 20 anderen Teilnehmer allesamt versierte Adventskranzbastel-Frauen mit einem Adventskranzbastel-Gen zu sein (Mist!).

 Mit dem „Strohrömer“ fängt man an. Den gibt’s zum Glück schon fertig zu kaufen. Dann grünes Stoffband drumwickeln, damit das Stroh nicht durch die Tannenzweige herausschaut. Am leichtesten geht das, wenn man den Kranz in die linke Hand nimmt und mit rechts stramm wickelt.

Mit dem „Strohrömer“ fängt man an. Den gibt’s zum Glück schon fertig zu kaufen. Dann grünes Stoffband drumwickeln, damit das Stroh nicht durch die Tannenzweige herausschaut. Am leichtesten geht das, wenn man den Kranz in die linke Hand nimmt und mit rechts stramm wickelt.

Foto: Martin Röse

So ein gemeinsames Adventskranzbasteln mit Sekt und Fingerfood und netter Gesellschaft ist eine schöne Sache, weil es mir gegen mein FOMO hilft (diese „Fear of Missing Out“ – die Angst, etwas zu verpassen). Zugleich schafft es die Grundlage für mein JOMO („Joy of Missing Out“ – die Freude daran, eine Party zu verpassen. Am ersten Advent bleibe ich schön zu Hause und erfreue mich an meinem Adventskranz. Ach je, der muss ja erstmal fertig werden).

 Jetzt geht’s wirklich ans Eingemachte: Das Wickeln der Tannenzweige ist das Schwerste! Mit der linken Hand Tannengrün und Kranz festhalten, dann mit dünnem Draht umwickeln: einmal vor dem Daumen, dann dahinter. Die nächsten Tannen so auflegen, dass der Draht verdeckt wird.

Jetzt geht’s wirklich ans Eingemachte: Das Wickeln der Tannenzweige ist das Schwerste! Mit der linken Hand Tannengrün und Kranz festhalten, dann mit dünnem Draht umwickeln: einmal vor dem Daumen, dann dahinter. Die nächsten Tannen so auflegen, dass der Draht verdeckt wird.

Foto: Martin Röse

Auch wenn der Kern des Adventskranzes „Rohling“ heißt, ein Rohling ist es nicht. Silvia Joosten vom Trendwerk-Team hat augenscheinlich Erfahrung mit hoffnungslosen Fällen wie mir. „Da muss jetzt grünes Stoffband drum“, erklärt sie mir und macht es auch gleich vor. Das sieht ganz einfach aus: das Stoffband nehmen, ein bisschen feste ziehen und wickeln. Sie reicht mir den Rohling. Ich lege los. „Gut machen Sie das“, lügt mir eine Mitarbeiterin ins Ohr. „Sind Sie Linkshänder?“, will eine Teilnehmerin links von mir wissen. Nein, bin ich nicht. Mit der Körperkoordination klappt es noch nicht. Ich dachte, ich würde Zeit gewinnen, wenn ich den Kranz gegen meine Brust drücke und dann... Joosten zeigt’s mir nochmal. Jetzt habe ich es begriffen: Kranz in die linke Hand, mit der rechten wickeln. Läuft!

 Expertentipp: Genau gucken, dass man mit der Heißklebepistole nicht seinen Finger trifft. Unser Autor Martin Röse zeigt, wie’s nicht geht. Silvia Joosten verhindert Schlimmeres.

Expertentipp: Genau gucken, dass man mit der Heißklebepistole nicht seinen Finger trifft. Unser Autor Martin Röse zeigt, wie’s nicht geht. Silvia Joosten verhindert Schlimmeres.

Foto: Jessica Korczyk

Ich fühle mich bereit, mich meinem Trauma zu stellen: die liebevoll abgeschnibbelten Nordmann-Tannenzweige um den Kranz zu winden. Außen ein bisschen buschiger, innen flach dran. Aber ach: Meine Hände sind zu klein.  Die eine hält verkrampft einen Haufen Tannengrün samt Rohling, die andere Hand wurschtelt irgendwie den Draht drum. Das Ergebnis erinnert an die Augenbrauen von Theo Weigel, teilrasiert. Ob ich Linkshänder sei, fragt mich eine andere Teilnehmerin. Das frage ich mich mittlerweile selbst. Berechtigte Frage: Ich hatte die Hände falsch rum. Tannengrün muss in die Linke, der Kranz in die Rechte. Silvia Joosten zeigt’s mir nochmal, schnibbelt ein paar der vorwitzigsten Zweige ab, deckt Lücken mit Tannengrün und haftet es mit Klammern fest. „Die Klammern heißen Haften“, erfahre ich. Ich mache weiter. Und habe langsam den Bogen raus. Mir erwachsen sogar Zauberkräfte: Der Kranz hält in meiner linken Hand, obwohl ich ihn gar nicht festhalte. Oh. Da hatte ich die halbe Hand mit dem Draht eingewickelt. Einmal wieder runter damit, das letzte Tannengrün drauf. Fertig. „Das sieht aber gut aus“, sagt eine Mitarbeiterin. Gar nicht mal gelogen, finde ich.

 Am Ende sieht der Kranz gar nicht mal so schrecklich aus. Kleine gesägte Tannenbäume, vier rote Kugeln, zwei Zimtstangen, eine getrocknete Orangenscheibe – der Advent kann kommen!

Am Ende sieht der Kranz gar nicht mal so schrecklich aus. Kleine gesägte Tannenbäume, vier rote Kugeln, zwei Zimtstangen, eine getrocknete Orangenscheibe – der Advent kann kommen!

Foto: Martin Röse

Champagnerfarbene Kerzen drauf, dann die Qual der Wahl: Womit garnie... äh: verzieren? Drei Abteilungen stehen bereit. Die eine nenne ich „Flamingo“. „Alt-Rosa liegt dieses Jahr im Trend“, klärt mich Silvia Joosten auf. Rechts daneben ist alles bordeaux-rot. Ich entscheide mich fürs klassisch-bunte und greife zur Heißklebe-Pistole. Orangenscheibe: hält. Holztannenbaum: hält. Mikroskopisch kleiner Fliegenpilz: zu klein für die heiße Klebeportion, in der ich ihn ertränke. Fasziniert schaue ich zu, wie auf meinem Ringfinger in Sekundenschnelle eine große Blase entsteht. Dann setzt der Schmerz ein. Aua! Ich betrachte mein Werk. Bin stolzer, als ich sein dürfte. Trotzdem ein gutes Gefühl. Überschwenglich verabschiede ich mich. Auf dem Weg zum Auto nimmt ein Stück Tannengrün Reißaus. Ich bleibe gelassen. Zu Hause werde ich es festklammern. Natürlich mit einer Hafte. Jetzt bin ich ja Adventskranzprofi.

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