Schwalmtal Erinnerungen auf Lüttelforster Platt

Schwalmtal · Käthe Büttgenbach-Kremer erzählt auf einer CD von ihrer Kindheit und Jugend in Lüttelforst. Ihre Dialekt-Erzählungen sind ein Schatz, den die Bürgerstiftung Lüttelforst jetzt zusammen mit dem Landschaftsverband aufgenommen hat.

 Käthe Büttgenbach-Kremer (re.) erzählt Jan Reiners und Charlotte Kaufmann auf Lüttelforster Platt von ihrer Kindheit und Jugend im Dorf, von Festen wie Fronleichnam und Bräuchen zur Beerdigung.

Käthe Büttgenbach-Kremer (re.) erzählt Jan Reiners und Charlotte Kaufmann auf Lüttelforster Platt von ihrer Kindheit und Jugend im Dorf, von Festen wie Fronleichnam und Bräuchen zur Beerdigung.

Foto: Busch

Die Erinnerung an die Kindheit und Jugend auf dem Dorf ist noch frisch. 81 Jahre ist Käthe Büttgenbach-Kremer alt, aber vergessen hat sie nichts. Nicht die Bräuche und Feste in Lüttelforst, nicht die Nachbarn, nicht die Hunde, die sie ein Leben lang begleiteten. In vielen Sitzungen hat Büttgenbach-Kremer diese Erinnerungen erzählt, auf Lüttelforster Platt — so, wie es zu Hause in ihrem Elternhaus und im Dorf gesprochen wurde. Ihre Geschichten wurden aufgenommen und in Auszügen bei der Kulturwoche des Fördervereins Kultur und Tradition Lüttelforst im Sommer den Besuchern vorgestellt. Jetzt bietet der Verein die vollständigen Aufnahmen auf zwei CDs an. Auf einer dritten CD erläutert die Lüttelforsterin Charlotte Kaufmann, wovon Büttgenbach-Kremer da erzählt. So können auch Nicht-Plattsprecher an den Erinnerungen der 81-Jährigen teilhaben. Die Aufnahme sei ein Dokument, "das Jahr für Jahr wertvoller wird", stellt Dr. Georg Cornelissen, Sprachwissenschaftler des Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte im Landschaftsverband Rheinland (LVR), fest.

Er sammelt Aufnahmen von Dialektsprechern und erforscht die Entwicklung der Sprache im Rheinland. Von Jahr zu Jahr wertvoller werden die O-Töne der Dialektsprecher deshalb, weil es kaum noch echte Dialektsprecher gibt: Kinder lernen heute im Elternhaus kein Platt mehr, ihre Eltern können es in der Regel selbst nicht mehr sprechen. Manche verstehen vielleicht noch ein paar Wörter oder Sätze, können sich aber nicht mit anderen auf Platt unterhalten. Mundart-Kreise, in denen auf Platt vorgelesen wird, bilden kein natürliches Sprechverhalten ab. Mit den Dialektsprechern stirbt auch der Dialekt aus. Das macht solch eine Aufnahme so wertvoll für die Sprachwissenschaftler.

Angestoßen hat die Aufnahme die Bürgerstiftung Lüttelforst. Der Vorsitzende der Bürgerstiftung, Jan Reiners, zeichnete die Erzählungen Büttgenbach-Kremers auf. Schon immer sei es ihm ein Anliegen gewesen, das Lüttelforster Platt festzuhalten für nachfolgende Generationen, sagt Reiners: "Die Sprache stirbt aus, aber man sollte zumindest Dokumente darüber besitzen."

Auf Dialektsprecher wurde lange Zeit herabgesehen. Die Mundart war die Sprache der einfachen Leute, und Eltern versuchten, im Umgang mit den Kindern den Dialekt zu vermeiden. Ähnlich war es bei Büttgenbach-Kremer: "Meine Eltern haben mit mir immer Platt gesprochen, als ich noch klein war. Als ich dann aber in die Schule kam, sprach meine Mutter nur noch Hochdeutsch mit mir." In der Schule habe sie aber keine Schwierigkeiten gehabt, erzählt die Lüttelforsterin. "Nur einmal hat der Musiklehrer gefragt, wer denn zu Hause Platt spreche. Ich habe aufgezeigt, und da hat er gesagt: ,Na, das hört man.'", erinnert sich die 81-Jährige. Ihre Fähigkeit, sowohl Hochdeutsch als auch Platt zu sprechen, habe aber auch etwas Positives gehabt: "Mein Platt kam mir sehr zugute, als ich meine erste Stelle als Lehrerin in Kückhoven antrat. In der Klasse waren hauptsächlich Bauernkinder."

Ihr Vater war in der Nähe von Wegberg aufgewachsen, die Mutter war "Ur-Lüttelforsterin", wie Büttgenbach-Kremer erzählt. Im Dorf sei in ihrer Kindheit fast ausschließlich Platt gesprochen worden. "Alle Kinder sprachen Platt. Ich erinnere mich an zwei evangelische Kinder, die Familie war zugezogen, aber denen haben wir dann Platt beigebracht."

Auch ohne Interesse am Dialekt sind die Erzählungen deshalb hörenswert, weil sie einen Einblick in das Leben in Lüttelforst geben, wie es früher war. Kriegserlebnisse und die Erinnerungen an die Nachkriegsjahre berühren auch Hörer späterer Jahrgänge. Auch dürften es die Kinder aus Lüttelforst vielleicht ganz spannend finden zu erfahren, wie man damals dort groß wurde: "Im Winter sind wir mit dem Schlitten nach Waldniel zur Schule gegangen", erzählt Büttgenbach-Kremer, "das war praktisch, da musste man den Tornister nicht tragen." Sie besuchte nach der Volksschule in Lüttelforst das Vorbereitungsgymnasium in Waldniel — dort, wo heute das Gymnasium ist. Der Einblick ins Lüttelforst der Vergangenheit stimmt ein wenig sentimental. Büttgenbach-Kremer: "Wir haben eine sehr schöne Kindheit gehabt, wo man sich frei bewegen konnte."

(RP/ac)
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