Schwalmtal Ein Waldnieler Engel auf neuen Wegen

Schwalmtal · Hedwig Sieberichs alias Engel Hettwich ist mit ihrem Soloprogramm „Schein-bar normal“ abseits der Karnevalsbretter unterwegs.

 Hedwig Sieberichs arbeitet seit 2012 professionell als Büttenrednerin und Comedian. Engel Hettwich heißt ihre Figur.

Hedwig Sieberichs arbeitet seit 2012 professionell als Büttenrednerin und Comedian. Engel Hettwich heißt ihre Figur.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Nix Wolke sieben. Engel Hettwich lebt in einer normalen Wohnstraße. Obwohl – irgendwie schwebt sie gerade schon auf einer Wolke: „Ich bin in dieser Adventszeit mit einem Pilotprojekt gestartet: Engel Hettwichs himmlisch-heiteres und besinnliches Weihnachtsdinner. Ich habe zwischen den einzelnen Menü-Gängen auf der Bühne und zwischen den Gästen gespielt. Das Projekt wird 2019 weitergeführt.“

Engel Hettwich ist nur auf der Bühne ein Engel. Vor allem im Karneval, in Köln und anderswo im Land. Oder eben zu Weihnachten, „Jahresabschlussfest“ wie sie es nennt. Passt ja auch. In der Realität verbirgt sie sich hinter dem, na ja, mal frechen, dann wieder naiven Engel, der keine Angst hat, immer darauf bedacht, eigene Lösungen für (nicht wirklich existierende) Probleme zu finden, Hedwig Sieberichs.

Die geprüfte Pharmareferentin arbeitet seit 2012 professionell als Büttenrednerin und Comedian. Sie hat „schon als Kind in Mönchengladbach-Wanlo Büttenreden gehalten“. Das mit dem Engel lief dann in späteren Jahren sehr gut. Sie hat etwa die Auszeichnung WDR Rampensau gewonnen. Wobei sie immer schon ein Soloprogramm machen wollte, um nicht allein auf den Karneval festgelegt zu sein. „Ich habe dann irgendwann beschlossen, Neuland zu betreten. Ich wollte mich aus meiner Engelfigur herausschälen, herausfinden, wer bin ich auf der Bühne? Wie spreche ich? Wofür stehe ich? Wer bin ich wirklich?“

Die Arbeit als „haptische Figur“ Hedwig Sieberichs bedeutet für sie, stetig an ihrem Programm zu arbeiten. Und sich auch kontinuierlich Auftrittsmöglichkeiten fernab des närrischen Treibens zu suchen: „Das ist nicht einfach. Der Wettbewerb ist groß. Man muss sich erst einen Namen erspielen. Aber für 2019 bin ich guten Mutes.“ So langsam fülle sich der Terminkalender, auch über die Grenzen des Heimatortes hinaus. Wobei sie immer stärker feststellt, dass sie ein professionelles Management braucht, um im Comedy-Bereich Fuß zu fassen.

Den Stoff und die Inspirationen für ihre Programme findet die 53-Jährige im Alltäglichen, auch in der Zeitung, „selbst auf dem Weihnachtsmarkt in Kempen“. Sie wisse dann plötzlich, aus dem ein Satz, aus der anderen Begebenheit, lasse sich etwas Lustiges machen: „Ich habe von jemanden gehört, er wolle einen Crossrollator, weil er nicht gut zu Fuß ist. Mit dem Ding will er in den Wald und dort im Dunkeln Bogenschießen veranstalten.“ Sie lacht: „Ich stelle mir vor, wie es zu gewollten oder ungewollten Opfern unter den Teilnehmern des nächtlichen Schießens kommt. Da wird mein Schutzengelgehirn aktiv.“

Während Hedwig Sieberichs erzählt, sitzt ihr Mann Ralf still neben ihr. Mit stoischer Gelassenheit nimmt er zur Kenntnis, was sich seine Frau gerade so alles zusammenreimt. Er nimmt das, weiß Gott, nicht bloß ergeben hin, sondern hat in der Konstellation Engel & Co. seinen festen Platz. „Mein Mann ist mein erster Zuhörer, Kritiker, vor allem mein Comedy Buddy. Die erste Instanz für die Gags. Wir machen den ganzen Tag Blödsinn.“ In der Session ist Ralf Sieberichs der himmlische Fahrer, der sich um die Technik und das Organisatorische kümmert. Der Wagen wird gemeinsam gepackt, „jeder hat seinen Teil, für den er verantwortlich ist. Damit das nicht durcheinander geht und schlimmstenfalls etwas vergessen wird.“ Vor dem Auftritt sitze jeder Griff. Wie ein Ritual: „Perücke auf, Headset anschließen.“

Lampenfieber kennt Hedwig Sieberichs eigentlich nicht. Um auf den Punkt vorbereitet und konzentriert zu sein, „klopfe ich mich ab, Arme, Brust, Nacken. Dann ist die Körperspannung da und ich bin ich im Jetzt.“ Die Texte hat sie längst im Kopf. Vor dem Auftritt noch einen Blick auf den Spickzettel werfen und dann raus auf die Bühne: „Da ist der Karneval eine harte Schule. Weil man sich jedes Publikum erst erspielen muss. Gerade auch dann, wenn man bei einer Sitzung sehr spät auftritt.“

Geholfen hat ihr auch ihre frühere Arbeit als Pharmareferentin: „Ich musste jeden Tag verkaufen und mich auf neue Menschen eingehen. Schlagfertig und spontan auf Situationen reagieren können.“ Aus diesen Erfahrungen speist sich ihr Mut für ihre Arbeit auf der Bühne. Dort ist sie stets hochkonzentriert, um in jeder Sekunde die Situation im Griff zu haben – und auch mal abseits des einstudierten Programms mit Situationskomik reagieren zu können.

An ihren Programmen schreibt sie ständig. Dabei kommt sie erst so richtig in Fahrt, wenn sie unter Druck steht: „Das ist so wie mit einem Diamanten, der entsteht auch nur unter höchstem Druck.“ Beispiel: „Es gab mal einen Termin. Also habe ich mich entschlossen: Im Urlaub arbeite ich an meinen Texten. Was habe ich gemacht? Nix.“ Sie lacht. Ralf schüttelt den Kopf: „Ich könnte so nicht arbeiten.“ Aber sie könne halt nicht arbeiten „wie Thomas Mann es gemacht hat, jeden Morgen pünktlich an den Schreibtisch und dann bis zum Mittagessen arbeiten. Nee. Meine Inspiration hole ich mir im Alltäglichen, da muss ich unterwegs und in Bewegung sein.“ Alle Ideen würden wie Puzzleteile in ihrem Kopf zusammengesetzt, kompensiert und die Essenz komme auf die Bühne.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort