Viersen Ein Straßenmusiker und seine Geschichten

Straßenmusiker Nik Dayllen aus Russland zieht durch ganz Europa und landet in Viersen.

 Der Straßenmusiker Nik Dayllen ist komplett ausgestattet: Mit Mikrofon, elektrischer Gitarre und Fußtrommel singt er in Fußgängerzonen.                 

Der Straßenmusiker Nik Dayllen ist komplett ausgestattet: Mit Mikrofon, elektrischer Gitarre und Fußtrommel singt er in Fußgängerzonen.                 

Foto: Sophia Bosio

Etwa zwei Mal im Monat kommt Straßenmusiker Dominik Dayllen (30), genannt Nik, in die Viersener Fußgängerzone und macht Musik. Eigentlich – denn jetzt in der Corona-Krise wird er das wohl vorerst ändern müssen. Seinen Gesang begleitet der gebürtige Russe mit einer elektrischen Gitarre und einer Fußtrommel. Die Passanten bekommen vor allem Rock- und Popmusik zu hören, aber auch das ein oder andere selbst komponierte Lied ist dabei.

Seit Dayllen denken kann, liebt er die Musik. Sein Vater war Musiker und brachte ihm das Gitarre-Spielen bei. Lange Zeit konzentrierte sich Nik ausschließlich darauf. Irgendwann ergriff ihn die Lust, das Singen zu lernen. Gesangsunterricht nahm er aber keinen, stattdessen übte er jeden Tag mithilfe von Youtube-Videos. Seitdem ist Nik sicher: „Jeder kann singen lernen, man muss nur dranbleiben und regelmäßig üben.“ Auch andere Instrumente, wie das Keyboard, die Trommel und die Mundharmonika kann der Musiker mittlerweile ein wenig spielen.

 Bevor Nik mit der Musik sein Geld verdiente, arbeitete er eine Zeit lang als Veranstaltungstechniker in Düsseldorf oder in Karaoke-Bars. „Egal was ich gemacht habe, es hatte immer was mit Musik zu tun. Irgendwann wusste ich, dass ich selbst Musik machen wollte“, sagt er in englischer Sprache. Einen Bürojob konnte er sich noch nie vorstellen.

Die Straßenmusik war nicht der Beginn von Niks Musikkarriere: „Angefangen habe ich mit kleinen Auftritten in der Schule. Danach habe ich in einer Band gespielt und bin auf Veranstaltungen oder in Bars aufgetreten“, erzählt der Musiker. Seine erste Berührung mit der Straßenmusik machte er in Berlin: „Da sah ich Straßenmusiker, die besser spielten als manche auf der Bühne“, erinnert er sich. Doch wer sich in die Innenstadt stellt und Musik macht, der müsse mutig sein: „Bei meinen ersten Auftritten als Straßenmusiker fühlte ich mich nackt. Man ist den Reaktionen der Passanten komplett ausgeliefert.“ Rückblickend habe Dayllen diese Erfahrung weitergebracht, er habe sich seinen Ängsten gestellt und mehr über sich selbst erfahren.

Für Nik gibt es eine Sache, die er an der Straßenmusik besonders zu schätzen weiß: „Wenn Leute auf der Straße stehen bleiben und dir zuhören, dann kannst du dir sicher sein, dass ihnen deine Musik gefällt. Trittst du in einer Bar oder auf einer anderen Veranstaltung auf, weißt du nie, ob die Leute wirklich interessiert an deiner Musik sind  oder einfach nur zufällig dort sitzen.“

Trotzdem spielt Nik nicht nur auf der Straße, sondern gibt auch Wohnzimmerkonzerte, spielt auf Geburtstagen oder in Kneipen. Diese Auftritte bringen einige Vorteile mit sich, sagt Dayllen:„Wenn ich für einen Auftritt gebucht werde, kann ich mich auf ein festes Gehalt verlassen, werde technisch bestens ausgestattet und auch das Wetter spielt keine Rolle.“

An Viersen weiß der Musiker zu schätzen, dass es eine kleinere Stadt ist, in der sich die Leute mehr Zeit nehmen und nicht so gestresst sind wie in der Großstadt. Außerdem traf er in Viersen auf zwei weitere Musiker aus Amerika, mit denen er jetzt gemeinsam Musik mache. Gerne erinnert er sich an eine Frau vom Viersener Wochenmarkt, die vor ein paar Jahren zu ihm kam und sagte, dass sie ihm total gerne zuhöre und er immer ihre Lieblingslieder sang.

Die Reaktionen auf seine Musik seien immer unterschiedlich, erzählt Nik. Vor ein paar Jahren spielte er das Lied „Hallelujah“: Es kam eine unter Tränen gerührte Frau zu ihm und teilte ihm mit, dass sie mit diesem Lied nur schöne Erinnerungen verbinde. Kurz danach kam ein Mann, der ihm das Gegenteil sagte – er hasste eigentlich den Song. Nik habe das Lied aber auf so eine besondere Art gesungen, dass er seine Meinung geändert hatte. „Ein größeres Kompliment kann man einem Musiker kaum machen“, sagt er rückblickend. Es sei aber auch schon vorgekommen, dass ältere Leute zu ihm kamen und sagten, er solle gefälligst deutsche und keine englischen Lieder singen, erzählt er. Solche Kommentare nehme er dann aber nicht persönlich und sie kämen auch nicht häufig vor. Er habe während seiner Zeit als Straßenmusiker vor allem positive Erfahrungen gemacht: „Ich bin so vielen tollen Menschen begegnet. Meiner Meinung nach gibt es mehr gute Menschen als schlechte“, sagt der Musiker. Besonders beim Thema Zivilcourage habe er das häufig gespürt. Einmal zum Beispiel fiel eine ältere Frau hin und brach sich den Arm, erinnert sich Nik. Noch bevor er bei der Frau ankam, war sie schon umgeben von Passanten, die ihr hochhalfen.

„Auf der Straße sieht man die unterschiedlichsten Menschen. Man sieht gute und schlechte Dinge“, sagt Dayllen. Einmal habe er beobachtet, wie in einem Geschäft Kleidung gestohlen wurde. Zusammen mit ein paar anderen Passanten konnte Nik den Mann aufhalten und die gestohlene Ware zurückbringen. In solchen Momenten habe der Musiker gemerkt, dass die meisten Leute sehr hilfsbereit sind. Diese persönlichen Erlebnisse und Geschichten verpackt Nik auch in seine eigenen Lieder. Welche Lieder er wann singe, hänge ausschließlich von seiner Stimmung ab, erzählt er. Nur, wenn er die Emotionen eines Liedes nachempfinde, könne er sie authentisch rüberbringen und nur dann würden sie sich gut anhören.

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