Schwalmtal Ein Schandfleck weniger

Schwalmtal · Zahlreiche Schaulustige beobachteten Donnerstag an der Roermonder und Ungerather Straße, wie der Sudturm der ehemaligen Schlossbrauerei in Waldniel abgerissen wurde. Ihr Fazit: "Gott sei Dank".

 Mit dem Greifer zieht der Baggerführer an einer Säule, bis die obere Hälfte des Turms einknickt. Zuvor hatte das Dach schon ordentlich gewackelt. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei.

Mit dem Greifer zieht der Baggerführer an einer Säule, bis die obere Hälfte des Turms einknickt. Zuvor hatte das Dach schon ordentlich gewackelt. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei.

Es sieht so aus, als beiße ein riesiges gelbes Tier Stück für Stück Teile des Mauerwerks heraus. Langsam knuspert sich der Greifer des Baggers vorwärts, reißt Brocken um Brocken aus dem Turm, die herunterfallen auf den Schuttberg, auf dem der Bagger vor- und zurückfährt. Große Betonklumpen baumeln von der Decke des ehemaligen Sudturms an Stahlseilen – mit jeder Erschütterung pendeln sie hin und her, als hinge da ein federleichtes Mobile.

Mit jedem herabfallenden Mauerstück staubt es gewaltig. "Boah", entfährt es den Kindern, die mit ihren Erzieherinnen auf der Fensterbank vor Lidl hocken und den Abriss mit großen Augen beobachten. Der gewaltige Bagger fasziniert nicht nur die Kinder der "Regenbogengruppe" aus der Bethanien-Kita Kaiserpark, sondern auch "große Jungs" – wenngleich die Erwachsenen nicht nur "Boah" rufen, sondern auch sagen: "Gott sei Dank kommt das Ding weg."

Die Ruine der ehemaligen Schlossbrauerei sei "ein Schandfleck für die ganze Gegend" gewesen, findet Johannes Höftmann aus Amern, der vom gegenüberliegenden Bürgersteig aus den Abriss verfolgt. "So, wie das die letzten Jahre hier aussah, ist es gut, dass da jetzt endlich was passiert."

Tauben ohne Unterschlupf

Der Bagger legt eine kurze Pause ein, Tauben flattern auf. "Jetzt ist der Tauben-Turm weg", sagt Klaus Hauers, der mit dem Rad gekommen ist. 23 Jahre war er in der Schlossbrauerei beschäftigt, zuerst als Fahrer, später im Lager. Nein, wehmütig blicke er nicht auf die Reste der ehemaligen Brauerei, sagt der Waldnieler, "da denke ich heute nicht mehr dran". An manche Feier in der Firma erinnere er sich aber noch gut, "zum Schützenfest gab's immer Freibier".

Dass die Brauerei zum Waldnieler Schützenfest einlud, weiß auch Ilona Scholz noch, die beim morgendlichen Einkauf einen kleinen Stopp an der Roermonder Straße einlegt. "Mein Mann war damals Spieß, und was wurde da gefeiert! Alle Waldnieler Schützen zogen in die Brauerei", sagt die Anwohnerin.

Ganz einverstanden mit dem Abriss ist sie nicht – so viele Erinnerungen hängen an der Brauerei und ihren Bieren: "Wir haben immer Schlossbräu Dunkelbier getrunken – ein besseres gab es nicht." Ein wenig schade sei es doch, dass von den Gebäuden nun gar nichts bleibe, "wenn man bedenkt, wie alt die Brauerei war".

Dieter Mommers aus Waldniel hat Alt-Gläser mit Schlossbräu-Logo aufbewahrt, "daraus schmeckt mir das Bier heute noch am besten". Vor rund 60 Jahren habe er als Jugendlicher Eisstangen für die Gaststätte Bax in der Brauerei geholt, "die kamen in die Zapfanlage. Das war vielleicht 'ne Arbeit", sagt er. Doch traurig um den Abriss sei er nicht: "Das war ein Schandfleck. Der musste weg."

(RP)
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