Viersen "Ein Meilenstein für unsere Stadt"

Viersen · Interview SPD-Ratsherr Felix Thönnessen sieht in dem neuen Jugendforum ein wichtiges Teilstück der Viersener Kommunalpolitik

 Am 30. August 2009 wurde Felix Thönnessen für die SPD in den Rat der Stadt Viersen gewählt. Der 31-Jährige ist ebenfalls Vorsitzender der Jusos im Kreis.

Am 30. August 2009 wurde Felix Thönnessen für die SPD in den Rat der Stadt Viersen gewählt. Der 31-Jährige ist ebenfalls Vorsitzender der Jusos im Kreis.

Foto: KN

Viersen bekommt ein Jugendforum, das sich aktiv in die Kommunalpolitik einbringen soll. Das entschied der Jugendhilfeausschuss in seiner jüngsten Sitzung ohne Gegenstimme. 20 gewählte junge Viersener zwischen 14 und 26 Jahren werden dem neuen Gremium angehören. Über das Konzept sprach RP-Redakteur Joachim Nießen mit Felix Thönnessen, Ratsherr der SPD in Viersen und Kreisvorsitzender der Jusos.

Herr Thönnessen, vor allem die Viersener Jusos haben gemeinsam mit der JU bereits vor Monaten wichtige Schritte unternommen, um der Jugend die Kommunalpolitik näher zu bringen. Liegt mit der Einrichtung des Jugendforums jetzt ein erstes Ergebnis vor?

Thönnessen Ja, das Jugendforum ist ein Meilenstein für unsere Stadt. Nur durch die Zusammenarbeit des Jugendamtes, engagierter Jugendlicher und der politischen Jugendorganisationen konnte das Ganze umgesetzt werden. Unser eigener Startschuss war die Veranstaltung "Wir sind die Zukunft" im Frühjahr dieses Jahres, bei der mehr als 100 Jugendliche ihre konkreten Wünsche geäußert haben.

Halten Sie die Altersspanne von 14 bis 26 Jahren für richtig?

Thönnessen Wissen Sie, wie so oft wird nicht über die Idee als solche nachgedacht. Sondern direkt nach Schwierigkeiten gesucht, das ist leider typisch in der Politik. Natürlich ist ein 14-Jähriger in seiner Entwicklung nicht so weit, wie jemand der 26 ist. Bei den Jusos reicht die Spanne aber sogar bis 35. Ich sehe hier gar kein Problem.

Wie kann man sicherstellen, dass das Jugendform auch die gesellschaftliche Breite der Viersener Jugend widerspiegelt?

Thönnessen Das ist ein ganz wichtiges Thema. Das Forum muss Jugendliche aller Altersklassen und aller Schulformen vertreten. Nur so kann das Ganze auch wirklich ein Erfolg sein. Es darf keine Veranstaltung für Abiturienten werden. Hier muss aktiv auf die Schulen zugegangen werden. Auch die Lehrer sind hier gefragt.

Im Jugendhilfeausschuss haben Teile der Politik selbstkritisch von einer Überalterung des Rates gesprochen, ist das Jugendforum darauf die richtige Antwort?

Thönnessen (lacht) Das Jugendforum ist ein Anfang, aber noch lange nicht die Lösung. Die Überalterung der Politik ist ein kommunales Problem, das nur dadurch gelöst werden kann, dass gerade die Älteren junge Menschen motivieren politisch aktiv zu werden. Dies ist in Viersen nicht der Fall.

Der Viersener Rat hat zurzeit ein Durchschnittsalter von über 50 Jahren. Wie sehen Sie selbst die Interessen junger Menschen vertreten?

Thönnessen Von 50 Ratsmitgliedern sind sechs, ich wiederhole sechs, unter 35 Jahren. 2 sind unter 30. Wer hier von einem guten Alters-Mix und politischer Jugendförderung spricht, sucht nur eins: einen Weg, seinen Posten gegenüber dem eigenen Nachwuchs zu verteidigen. Die Situation in manchen Fraktionen ist noch weitaus schlimmer als der Durchschnitt.

Bedeutet die Einrichtung eines Jugendforums in Vieren ein Versagen der etablierten Parteien, sich unmittelbar mit Jugendthemen zu beschäftigen?

Thönnessen Ein Versagen würde ich dies nicht nennen. Aber es ist schon symptomatisch für unsere Stadt, dass die Einrichtung eines solchen Forums unter anderem auf einer Veranstaltung ("Wir sind die Zukunft" – Auftaktveranstaltung im Frühjahr, Anm. der Redaktion) beruht, die bei den politischen Parteien auf absolute Gegenwehr gestoßen ist. Auf der Facebook-Seite der Veranstaltung haben Politiker offen dagegen gewettert. Motivation sieht anders aus.

Wie sieht die politische Unterstützung der Parteien für die Jugendorganisationen aus?

Thönnessen Jeder Bürger unserer Stadt sollte sich die einzelnen Fraktionen im Rat einmal genau anschauen und für sich selbst entscheiden, ob sie oder er findet, dass junge Menschen, Schüler, Auszubildende, Studenten oder aber auch Angestellte in diesen Gremien ausreichend vertreten sind. Ich finde dies nicht, und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine. Deshalb kann die Unterstützung nicht ausreichend sein.

Wie wollen die etablierten Parteien künftig Jugendliche für die aktive Mitarbeit gewinnen?

Thönnessen Diese Frage stelle ich mir oft. Von den sechs im Rat der Stadt Viersen vertretenen Parteien verfügen gerade einmal drei überhaupt über eine politische Jugendorganisation in der Stadt Viersen. Dieser Zustand ist eigentlich nicht hinnehmbar. Hier fehlen Konzepte, Ideen und vor allem die Motivation, junge Menschen für politische Arbeit zu begeistern.

Wie muss in den kommenden Monaten eine Unterstützung durch die Politik und die Verwaltung aussehen, damit das Engagement junger Menschen mit Leben gefüllt wird?

Thönnessen Viele junge Menschen sind mit politischen und verwaltungstechnischen Abläufen nicht vertraut. Hier muss Unterstützung her. Das Jugendamt mit Frau Krieg und Herrn Fülbier leistet hier eine erstklassige Vorarbeit. Die Unterstützung der Parteien sollte praktisch sein und nicht aus dem Erzählen von Anekdoten aus den 70er Jahren bestehen.

Gerade in Gremien und Aufsichtsräten liegt der Altersdurchschnitt teilweise über 60 Jahren. Worauf führen Sie das zurück?

Thönnessen Erfahrung ist wichtig, aber Borussia spielt auch nicht mit einer Mannschaft, bei der alle Spieler über 30 sind. Warum gerade in den Gremien die Älteren sitzen, weiß ich nicht. Dass es hier einen Zusammenhang mit einer zusätzlichen Entlohnung gibt, will ich nicht hoffen.

Wie würden Sie Ihren eigenen politischen Werdegang beschreiben? Wurden Sie durch die Politik und/oder die Verwaltung dabei unterstützt?

Thönnessen (lacht) Politischer Werdegang klingt so, als hätte ich bereits etwas Großes geschafft. Momente, in denen einem einer auf die Schulter klopft, gibt es selten bis gar nicht. Mein familiärer Hintergrund (Sohn des Bürgermeisters, Anm. der Redaktion) macht es sicher nicht einfacher. Aber als mir im Frühjahr solch eine Flut von Kommunalpolitikern mitteilte, dass sie nichts davon halten, parteiübergreifend etwas für junge Menschen zu tun, war das schon hart. Da fragt man sich, wofür man das alles macht. Aber in den Momenten, in denen dann etwa das Jugendforum verabschiedet wird oder andere eigene Anträge Zustimmung bekommen, weiß man wieder wofür – nämlich für die Stadt und nicht für die Sympathien anderer.

Was würden Sie sich ganz konkret von den älteren Politikern wünschen?

Thönnessen Ich würde mir wünschen, dass Sie mit Floskeln wie "Jugendliche sind unsere Zukunft" aufhören und viel mehr aktiv etwas tun. Vielleicht denkt der ein oder andere ja mal darüber nach, ob man in einem gewissen Alter noch bestimmte Positionen besetzen muss oder ob man nicht Platz für neue Ideen schafft. Niemand wünscht sich eine Politik aus lauter jungen Menschen, aber Marco Reus, Marc-Andre ter Stegen und Tony Jantschke sind trotz ihres Alters Leistungsträger der Borussia.

(RP)
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