Kreis Viersen Ein gefährlicher Abschied

Kreis Viersen · Es gibt zahlreiche authentisch überlieferte Beispiele dafür, dass Menschen, die Zeugen des Unrechts wurden, entsetzt waren und aufrichtiges Mitleid empfanden. Die Angst, sich und die Nächsten zu gefährden, ließ sie den inneren Aufschrei unterdrücken.

Nur wenige waren so mutig, das Unrecht offen anzusprechen und mussten meist bitter dafür bezahlen. Wie sehr einfachste menschliche Regungen gegen das Vorgehen der Nazis zu Anzeigen führen konnten, mag ein Beispiel aus Krefeld vom 25. Juli 1942 zeigen. Von dort berichtete die Gestapo-Außenstelle an die Leitstelle in Düsseldorf über den katholischen Pfarrer Albert Hemsing: Der Geistliche war "durch besondere Freundlichkeit Juden gegenüber aufgefallen.

Mit dem Juden Siegfried Strauß, wohnhaft Krefeld, Goethestraße 85, der im Juli 1942 evakuiert wurde, unterhielt Hemsing ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis. Am Tage vor der Evakuierung hat Hemsing bei diesem einen Abschiedsbesuch gemacht. Ferner ist Hemsing dabei beobachtet worden, wie er auf dem Jungfernweg in Krefeld in lebhaftem Gespräch mit zwei alten Jüdinnen war.

Er erkundigte sich hierbei nach dem Wohlbefinden und wann sie denn fort müssten. Die Jüdinnen haben darauf geantwortet, dass sie noch am Abend des betreffenden Tages abfahren würden. Alsdann hat Hemsing sich mit einer tiefen Verbeugung unter Ziehen des Hutes von diesen verabschiedet. Ob er den Jüdinnen hierbei die Hand gegeben hat, ist nicht festgestellt worden (...)". Ein signifikanter Blick in die abgrundtief unmenschliche Denkweise der Gestapo, wozu in diesem Fall auch noch der dort alltägliche Hass auf die katholische Kirche gekommen sein mag.

Pfarrer Hemsing hatte Glück: In Düsseldorf befand man gnädig, dass sein Verhalten "zu staatspolizeilichen Maßnahmen im Sinne der Bestimmungen über den Umgang mit Juden" nicht ausreichte.

Literatur: Juden in Krefeld. Quellen und Materialien zur Geschichte der Stadt Krefeld. 1991. S. 106.

(RP/ac)
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