Tornado in Viersen Die Kapelle, die vor Sturm bewahrt

Viersen · Ein schweres Unwetter zerstörte die Honschaft Lind bei Boisheim im Jahr 1891 fast völlig. Doch niemand kam zu Tode. Aus Dankbarkeit errichteten die Anwohner eine Kapelle. Beim Tornado am Mittwoch blieben sie verschont — erneut

 Nach einem schweren Unwetter wurde in Lind bei Boisheim diese Kapelle gebaut, berichtet Heinz Erkens (85). Seither blieb die Honschaft von Unwettern verschont - auch der Tornado zog zwar daran vorbei, richtete aber keine größeren Schäden an.

Nach einem schweren Unwetter wurde in Lind bei Boisheim diese Kapelle gebaut, berichtet Heinz Erkens (85). Seither blieb die Honschaft von Unwettern verschont - auch der Tornado zog zwar daran vorbei, richtete aber keine größeren Schäden an.

Foto: Jana Bauch

Plötzlich wird der Himmel grau. Dann schwarz. Wind kommt auf, der immer stärker wird. Derart stark, dass Ziegel von den Dächern fliegen, Türen und Fenster aus den Verankerungen gerissen werden. Wände einstürzen. Es ist ein großer Sturm, der über die kleine Honschaft hinwegfegt. Von den acht Bauernhöfen wird die Hälfte dem Erdboden gleichgemacht. Die Linder werden auf den Feldern vom Sturm überrascht. Doch niemand von ihnen muss sein Leben lassen. Es ist der 1. Juli 1891.

An dieses zerstörerische Unwetter erinnert eine viereckige Kapelle in Lind. "Die Nachbarn errichteten sie 1911 - aus Dankbarkeit, dass der Sturm niemanden getötet hatte. Jeder gab einen Obolus dazu", erzählt Heinz Erkens (85), früherer Landwirt aus Lind. Im Oktober des folgenden Jahres wurde das kleine Gotteshaus mit der eindrucksvollen Pieta eingeweiht. Auch seine Familie war maßgeblich am Kapellenbau beteiligt.

Deshalb gehört Heinz Erkens zu den Menschen aus Lind, die die Geschichte vom großen Sturm noch heute in ihren Herzen tragen. "In meiner Familie habe ich viel von diesem Ereignis gehört. Vom großen Unwetter - und dem großen Wiederaufbau. Denn hier sah es danach aus wie nach einem verheerenden Krieg." Die Kraft des Unwetters damals habe die Menschen zusammengeschweißt, die Nachbarn halfen einander, bauten vieles gemeinsam wieder auf. Die Zerstörung Linds lockte auch die Neugierigen - Katastrophentourismus auf Schienen.

In Sonderzügen kamen die Menschen über die Bahnlinie Venlo/Mönchengladbach - und wollten die Verwüstungen mit eigenen Augen sehen. "Die kleine Kapelle, die Maria als der schmerzhaften Mutter geweiht ist, errichteten sie als Dankeschön an den lieben Gott - ein Zeichen für die Gläubigkeit, die die Linder empfanden", sagt Erkens. Die Menschen hätten auf Gott vertraut und ihm dafür danken wollen, dass niemand umgekommen war.

Nach dem Tornado am Mittwochabend können die Linder erneut dankbar sein: Während im nur drei Kilometer entfernten Boisheim Häuser abgedeckt wurden, Bäume umstürzten und Straßen gespeert werden mussten, ist der Schaden in der Honschaft überschaubar. "Das Grün hat viel abbekommen, der Nussbaum ist kahl", nennt Heinz Erkens einige Schäden.

Ähnlich glimpflich sei ein schweres Unwetter in den 1990er-Jahren verlaufen: Niemand wurde verletzt, die materiellen Schäden waren gering. Vielleicht gewährt die Kapelle einen besonderen Schutz? Heinz Erkens jedenfalls fühlt sich ihr "tief verbunden". Sein Sohn Christoph ebenso: Er ist Geschäftsführer im Kapellenverein.

Anregungen für die Gestaltung des kleinen Gotteshauses wurden auf Reisen gesammelt, so Erkens. Junge unverheiratete Männer seien bis nach Ungarn geschickt worden. Sie brachten die Idee von einem viereckigen Grundriss mit einer Kuppel mit. Seit 1984 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

(busch)
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