Viersen Die Eigenarten des Homo dulcensis

Viersen · Mitten in der Karnevalszeit versuchte der Historiker René Franken, den Dülkener an sich zu erklären.

 Dr. Albert Pauly (links), Vorsitzender des Vereins für Heimatpflege Viersen, und der Referent René Franken im Gespräch.

Dr. Albert Pauly (links), Vorsitzender des Vereins für Heimatpflege Viersen, und der Referent René Franken im Gespräch.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Nein, es wurde keine Büttenrede, wenn die Ausführungen von René Franken bei den Zuhörern im voll besetzten Saal des Corneliushauses auch manches Schmunzeln hervorriefen. Denn der Historiker und gebürtige Dülkener hatte sich auf Einladung des Vereins für Heimatpflege Viersen und des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Dülken auf die Suche nach verlässlichen Quellen für den Dülkenern nachgesagte Charakterzüge gemacht. Dabei musste er bald feststellen, dass wenig Schriftliches vorhanden ist, das Meiste wurde nur mündlich weitergegeben.

Die einzigen schriftlichen Quellen sind die Archive der Narrenakade-mie und der Pfarre St. Cornelius. Historisch verbürgt ist hier, dass Dülken schon seit mehr als 250 Jahren einen besonderen Ruf als Narrenstadt hat. Dafür spreche auch das Stripke, die Sichel des zunehmenden Mondes. Peter Norrenberg — der 1874 die erste und noch immer wertvollste Dülkener Chronik herausgab — erläuterte: Wenn einer verrückt ist, heißt es "Ist schon wieder junges Licht?!"

Dann gab Franken einige Hinter-gründe preis, zum Beispiel für "Der Dülkener ist gesellig". Die hohe Kneipendichte im 19. Jahrhundert zeigte dies und auch die "stichhaltigen" Argumente für eine neue Schankerlaubnis. Heinrich Sartingen gab als Gründe für die Eröffnung seiner "Börse" die "sechs stark frequentierten Gassen" und die Bewirtung der unterkühlten Kirchgänger im Winter an. "Dülken ein Gefühl?" Das zeige sich an den Liedern, die den Dülkenern aus dem Herzen sprechen. Bedeutendster Vertreter war Heinz Luhnen, der die Dülkener Hymne "Gloria tibi Dülken" — Ehre sei dir Dülken — schrieb und dafür die Melodie eines altbekannten Martinsliedes übernahm.

Als aus dem Publikum der Wunsch nach dem vollständigen Lied laut wurde, stimmte Gerd Schmitz vom Seniorenchor Miteinander-Füreinander die erste Strophe an, in die auch einige einfielen. Der Refrain erscholl dann wie gewohnt mit Inbrunst aus allen Kehlen. Dabei machte Franken klar, dass diese "Hymne" kein Karnevalslied ist, sondern das ganze Jahr über zu vielen Gelegenheiten geschmettert wird. Sie wurde auch abgewandelt: "Gloria tibi Academia" oder "Gloria tibi Musica". Die "liebe alte Mühle" dagegen war immer eine mit der Narretei verbundene "Maschine". Die älteste Mühle stand im 15. Jahrhundert am heutigen Cap Horn.

Interessiert lauschte Hausherr Pfarrer Rainer Thoma, als es um das Selbstbewusstsein der Dülkener ging. Hatte doch sein Vorgänger Ignatius Coelges, ein sehr frommer Benediktinerpater, 1769 seine Probleme mit der Sebastianus-Junggesellenbruderschaft. Er hatte angekündigt, die Fronleichnams-Prozession abzubrechen, wenn geschossen würde. Er musste "viele Schmähungen ertragen", übernahm aber als Ausgleich die Bewirtung der Teilnehmer.

Den "Homo dulcensis" - gibt es ihn wirklich? "Nöö", meint René Franken. "Der Ur-Dülkener steckt in uns."

(flo)
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