Viersen Der Züchter der Remigius-Bohne

Viersen · Gärtnern interessiert Sie nicht die Bohne? So ging das René Bongartz als Jugendlichem auch. Er hätte lieber Fußball gespielt. Dann fand er im Schuppen seines verstorbenen Großvaters geheimnisvolle schwarze Bohnen

 René Bongartz erntet in seinem Garten in Bracht die schwarz glänzende Remigius-Bohne. Vor 32 Jahren fand er die Keimlinge in einem Schuppen seines 1974 verstorbenen Großvaters Remigius (Foto links) in dessen Garten im Rahser.

René Bongartz erntet in seinem Garten in Bracht die schwarz glänzende Remigius-Bohne. Vor 32 Jahren fand er die Keimlinge in einem Schuppen seines 1974 verstorbenen Großvaters Remigius (Foto links) in dessen Garten im Rahser.

Foto: Röse. Foto: Bongartz

René Bongartz war noch ein kleiner Junge, als sein Großvater starb. 1974 war das, und René Bongartz fünf Jahre alt. Die Erinnerungen an "Oppa Remmi" - sein Großvater hieß Remigius mit Vornamen - sind verschwommen. "Ich kann mich noch erinnern, wie wir die Großeltern immer samstagsmittags besucht haben. Mein Oppa werkelte da oft im Garten an der Regentenstraße im Rahser." Zwei Schuppen gab's auf dem Gelände, für die Gartengeräte und das Saatgut. "Sie hatten grüne Holztüren." Im Familienalbum der Bongartz' gibt's ein Foto des Großvaters. Es zeigt einen Mann, der sein kariertes Hemd hochgekrempelt hat und, natürlich im Garten, einen Spaten in der Hand.

Viersen: Der Züchter der Remigius-Bohne
Foto: Bongartz

Heute ist René Bongartz 48 Jahre alt, er hockt in einem Garten unweit des TSF-Bracht-Sportplatzes, bricht die Schote einer Bohnenpflanze auf und holt pechschwarze Keimlinge hervor. Dann reibt er die Punzen behutsam mit den Fingern wie Aladin seine Wunderlampe. Die Bohnen beginnen zu glänzen. Und auch wenn an diesem sonnigen Spätherbsttag kein wünscheerfüllender Dschinn in Bracht erscheint, so hat René Bongartz doch zumindest den Geist seines Großvaters beschworen.

Auf einem Ablagebrett in einem der beiden Schuppen im Garten von "Oppa Remmi" fand René Bongartz Mitte der 1980er-Jahre eine Handvoll Bohnen. "Weiße, violett gesprenkelte und schwarze." Die schwarzen hatten es ihm angetan. "Ich kenne kein Gemüse, von Auberginen einmal abgesehen, das solch eine tief schwarze Farbe hat." Mehr aus Spaß pflanzte Bongartz die Bohnen ein. Und konnte miterleben, wie sie auch nach Jahren im Schuppen austrieben, rot blühten und Schoten bildeten. "Ich habe meiner Mutter dann die bunten für eine Suppe gegeben, die schwarzen aber behalten, um sie wieder einzupflanzen", erinnert sich der heute 48-Jährige. Im Laufe der Jahre ging der Anteil der bunten Bohnen immer stärker zurück. Bongartz grinst: "Würde meine Mutter heute eine Suppe von den Fehlexemplaren kochen, müsste sie verhungern." Nur noch ganz vereinzelt finde sich ein weißes oder violett gesprenkeltes Exemplar der Prunkbohne in den Schoten.

Bislang zog Bongartz die Bohnenpflanzen an seinem Haus, in diesem Jahr aber wuchsen sie erstmals in seinem 650 Quadratmeter großen Nutzgarten am Ortsrand von Bracht heran. 17 Ranken hat Bongartz gepflanzt, ist bereit für Größeres: "Ich habe jetzt 3000 Kerne fürs kommende Jahr zusammen."

Die Bohnen stehen in interessanter Nachbarschaft: Zuckererbsen wachsen dort, Steckrüben, Mangold ("Die Blätter schmecken wie Spinat, das harte Stück in der Mitte wie Spargel"), Schwarzwurzeln und Rote Melde. Mit der färbten sich im Mittelalter die Menschen die Haare schwarz, Kinder finden sie besser bekömmlich als Spinat - vermutlich wegen des geringeren Oxalsäuregehalts. "Das Saatgut ziehe ich komplett selbst", berichtet Bongartz. Von nebenan aus dem Nachbargarten grüßt "Der Schöne von Elmpt" - eine alte Apfelsorte. Vermutlich hat Bongartz es seinem Vater zu verdanken, dass er einen grünen Daumen hat. "Während die Nachbarskinder Fußball gespielt haben, mussten mein Bruder und ich beim Vorbereiten der Pflanzkartoffeln helfen", erinnert sich Bongartz. "Da hat mein Vater großen Wert drauf gelegt." Gefallen habe ihm das damals nicht. Eher widerwillig sei er in den Garten gestiefelt. Heute sei er seinem Vater dankbar. "Das Wissen geht verloren. Ich habe deshalb das Gefühl: Irgendjemand muss sich kümmern. Und dieser Irgendjemand bin zunächst einmal ich."

Also sät Bongartz und erntet, kocht möglichst frisch, was ihm der Nutzgarten schenkt. "Das klingt nach viel Arbeit, aber in Wahrheit ist das ein toller Ausgleich zur Arbeit", sagt er. "Eine halbe Stunde im Garten - das ist Erholung wie im Urlaub." Das meiste friert er zu Hause ein. "Wir haben eine 400-Liter-Gefriertruhe." Und wenn im Garten mal nichts zu säen oder zu ernten ist, hat Bongartz trotzdem genügend zu tun: "Ich will einen Schuppen bauen. Der soll auch noch fertig werden."

Dass die schwarzen Bohnen, die ihn nun schon seit 32 Jahren seines Lebens beschäftigen, "Remigius-Bohnen" heißen, ist einem Pflanzmarkt geschuldet. "Vor drei Jahren war Grüne-Daumen-Markt in Brüggen, wir hatten viele Pflanzen zum Tauschen und dachten uns: ,Das Kind braucht einen Namen.'" Es bekam den vom Großvater - so wie René Bongartz auch: "Mein dritter Vorname ist ebenfalls Remigius."

(mrö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort