Altweiber 2023 in Viersen Der Straßenkarneval hat begonnen

Viersen · Tausende feierten im Westkreis den Beginn der tollen Tage. Die meisten kamen nach Viersen-Dülken. Bis zum späten Nachmittag erteilte die Polizei zehn Platzverweise.

Rund 1800 Menschen feierten nach Polizeiangaben auf dem Alten Markt in Viersen-Dülken.

Rund 1800 Menschen feierten nach Polizeiangaben auf dem Alten Markt in Viersen-Dülken.

Foto: Jörg Knappe

Mehrere tausend Menschen haben in den Städten und Gemeinden im Westkreis Viersen an Altweiber den Auftakt der tollen Tage und die liebevoll zelebrierten Rathausstürme genossen.  Es waren die ersten nach den Jahren der Corona-Pandemie. Erneut entwickelte sich der Alte Markt in Viersen-Dülken zur Partymeile. „Rund 1.800 Menschen feierten dort“, berichtete ein Polizeisprecher. Bis zum späten Nachmittag war es fröhlich und friedlich. Bis 17.30 Uhr musste die Polizei lediglich zehn Platzverweise aussprechen, vier Personen wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen und dann ihren Eltern übergeben. Erneut wurde die Partymeile zum Hotspot für viele Jugendliche, die dort feierten. Ganze Einkaufswagen, gefüllt mit alkoholhaltigen Getränken, waren zu sehen. Kunststofflaschen von Kurzen und zertretende Kunststoffbecher zieren den Boden.

 Die Polizei sprach bis zum späten Nachmittag zehn Platzverweise aus.

Die Polizei sprach bis zum späten Nachmittag zehn Platzverweise aus.

Foto: Jörg Knappe

Den Auftakt zu den Rathausstürmen in der Kreisstadt machten die Jecken in Süchteln. Um kurz vor 10 Uhr blickte Hausherr Ertunç Deniz wachsam aus einem der Fenster im Ratssaal des Süchtelner Rathauses – doch noch war kein Angreifer in Sicht. „Das ist mein erster Rathaussturm, ich muss erst mal warm werden“, sagte Viersens Jugenddezernent und ergänzte: Mal schauen, ob ich den Kampf gewinne.“

Das gelang ihm natürlich nicht. Um 10.11 Uhr machte sich das Süchtelner Kinderprinzenpaar Paul I. (Ohligs) und Kerstin I. (Genzen) entschlossen daran, das Rathaus an der Tönisvorster Straße zu stürmen. Deniz, als Kapitän kostümiert und mit Rathaussturm-erfahrener Crew im Rücken, leistete Widerstand: Seine Gehilfen und er hatten die Außentreppe mit Absperrband verkleidet, das Kinderprinzenpaar und sein hunderte Narren starkes Gefolge musste unten erst mal stoppen. „So wild und listig, wie Ihr hier vor mir steht, mit Eurem Auftritt meine Furcht nicht erregt“, rief Deniz ihnen vom Treppenabsatz entgegen. Bevor er sich samt Crew in den Rathausflur zurückzog und von innen die Tür zuhielt, machte er deutlich: „Hier kommt ihr nicht rein, das Süchtelner Rathaus bleibt mein!“ Paul I. und Kerstin I. ließen sich davon nicht abschrecken: Nach wenigen Minuten hatten sie das Absperrband zerrissen und die Rathaustür aufgedrückt. Deniz zog sich auf die Treppe zur ersten Etage zurück und gab klein bei: „Ich ergebe mich und steh‘ euch nicht länger im Weg“, sagte er, bevor der dem Kinderprinzenpaar den Rathausschlüssel übergab. Das zog triumphierend in den Ratssaal ein, wo die White Hackle Pipes and Drums für sie spielten – währenddessen schritt Süchtelns Obermöhn Margret Maier noch schnell zur Tat und schnitt Kapitän Deniz die Krawatte ab.

Kurz darauf begann die Attacke aufs Dülkener Rathaus, den Amtssitz des Ersten Beigeordneten Christian Canzler. Zwei Farbkombinationen bestimmten dort das Bild. Der gesamte Eingangsbereich war von Frauen in schwarz-blauen sowie schwarz-gelben Outfit bevölkert. Die Dölker Dreistadtmöhnen, allen voran Obermöhne Ingeborg Gartz, und die Dölker Möhnen, bereiten sich für die Eroberung des Rathauses vor. „Diesmal kommt ihr nicht rein“, tönte die Stimme von Canzler aus dem Fenster, wozu der Kämmerer grinsend mit dem großen goldenen Schlüssel winkte. Doch da hatte sich der Kämmerer verrechnet. „Bleibt nur hinter der Fassade. Wir Möhnen kennen keine Gnade“, konterte Gartz, während die Verstärkung mit Traktor und schunkelndem Anhänger vorfuhr: Die Boisheimer Karnevalsgesellschaft Ki Ka Kai A mit Prinz Frank I. und Prinzessin Annabelle I. samt Gefolge kletterte, bejubelt von den Möhnen und etlichen kostümierten Zuschauern, vom Wagen. Bützchen machen die Runde, doch dann gibt es kein Halten mehr. Mit eigens konstruiertem Rammbock wurde die Rathaustür aufgesprengt. Anschließend wurde der Straßenkarneval auf dem Alten Markt mit Bühnenprogramm und Tänzen eröffnet.

In Alt-Viersen fiel das Stadthaus erst nach zäher Verteidigung am Nachmittag in die Hände der Karnevalisten. Hunderte Schaulustige verfolgten das Spektakel auf dem Rathausmarkt.

Bereits um 15.30 Uhr hatten Senatspräsident Frank Schiffers und die Mitglieder zahlreicher Karnevalsvereine zum Sturm auf den Amtssitz von Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) aufgerufen - doch die hatte starke Verteidigerinnen an ihrer Seite: Die Dreistadt-Möhnen standen wie ein Riegel an der Seite der Bürgermeisterin, selbst Prinzessin Regina I. reihte sich in die Riege der Verteidigerinnen ein.

„Wenn Du jetzt aufgibst, würden wir das annehmen“, startete Schiffers einen ersten Versuchsballon, wurde aber von der Bürgermeisterin brüsk zurückgewiesen. Es folgten Gesangsdarbietungen und Tänze, um das Herz der Bürgermeisterin zu erweichen, das verriegelte Stadthaus zu öffnen. Sie bekannte, dass sich die Karnevalisten in ihr Herz getanzt hätten. Aber dass die einfach ins Stadthaus tanzen – das ließ Anemüller nicht zu. Schlimmer noch: Sie äußerte sich despektierlich über die zur Schau gestellte Waffengewalt. Das sei doch eine recht mickrige Kanone, meinte Anemüller. (Freilich: Der Krach war enorm.)

Am Ende aber obsiegten die Jecken, gaben die Möhnen den Weg frei, wurde versöhnlich im Foyer des Stadthauses gemeinsam weitergefeiert.

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