Philipp Weyer im Interview Der Speedy Gonzales des Zauberwürfels

Viersen · Der 17-jährige Willicher ist amtierender Deutscher Meister im "Speedcubing". An diesem Wochenende tritt er in Köln erneut an. Vor sieben Jahren hielt er seinen ersten Zauberwürfel in den Händen. Er trainiert bis zu vier Stunden täglich.

 Gerade einmal rund sechs Sekunden benötigt Philipp Weyer aus Willich, um den Zauberwürfel zu ordnen.

Gerade einmal rund sechs Sekunden benötigt Philipp Weyer aus Willich, um den Zauberwürfel zu ordnen.

Foto: Zangen Bansmann PR

Wer entzaubert am schnellsten den Zauberwürfel? Das vertrackte Ding, das kürzlich sogar die Millionenfrage bei Günther Jauch entschied, ist von einem ungarischen Bildhauer und Designer namens Ernö Rubik entwickelt worden. Verspielte Jungmathematiker und solche, die es gerne wären, frickeln mit Vorliebe an Rubiks buntem Kasten und tragen sogar Meisterschaften aus. Ihre Disziplin heißt "Speedcubing", und amtierender Champ der Republik ist der Elektrotechnik-Student Philipp Weyer aus Willich. Der hochbegabte 17-Jährige, der vor dem Abitur zwei Klassen übersprang, holte den Titel Anfang September vergangenen Jahres in Köln und tritt am kommenden Wochenende in der Domstadt erneut an. Der Speedy Gonzales des Speedcubing wird beim erstmals ausgerichteten Turnier "Cubelonia 2016" starten und erklärt zuvor, wie man der Mutter aller Würfel auf die Schliche kommt.

Sie sind gewissermaßen ein Profi im Zauberwürfeldrehen. Aber das ist doch bloß ein dreidimensionales und vorproduziertes Puzzle, und die damit gestellte Aufgabe ist längst gelöst: nämlich die verschiedenfarbigen Steine so zu ordnen, dass jeweils eine Seite des Teils einheitlich koloriert ist. Werden Wettkämpfe da nicht auf Dauer langweilig?

WEYER Nein. Bei jeder neuen Position, die von den Cubies eingenommen wird, überlege ich mir, wie ich noch effizienter ans Ziel gelangen kann. Und ich versuche, intuitiv einen besseren Weg zu finden. Nicht zuletzt auch, um meine eigene Bestzeit zu unterbieten, allein das ist eine sportliche Herausforderung.

Während der deutschen Meisterschaft vor vier Monaten in Köln haben Sie die Konkurrenz mit unglaublichen 6,61 Sekunden abgehängt. Gibt es wirklich noch Luft nach oben?

WEYER Auf jeden Fall, ich habe schon bessere Zeiten geschafft. Mein persönlicher Rekord sind 6,44 Sekunden, damit habe ich ein Turnier im vergangenen Frühjahr entschieden. Am schnellsten bin ich, wenn ich zu Hause übe, die absolute Bestmarke dort sind 4,23 Sekunden.

Offenbar sind Sie ein Naturtalent!

WEYER Das sah aber anders aus, als ich meinen ersten Zauberwürfel in Händen hielt, zu Weihnachten vor sieben Jahren. Um den zu knacken, brauchte ich damals drei Tage. Anschließend habe ich jedoch im Internet recherchiert und Algorithmen - das heißt, die exakte Beschreibung von Zugfolgen für das Speedcubing - schlicht auswendig gelernt, und bald bin ich unter eine Minute gekommen. Training ist alles, im Durchschnitt investiere ich dafür circa vier Stunden täglich.

Spüren Sie das nicht hinterher schmerzhaft in Fingerkuppen und Gelenken?

WEYER Das tut nicht wirklich weh, aber nachdem ich den Zauberwürfel 200 Mal in Folge gelöst habe, werden die Finger etwas müde.

Verraten Sie uns einen Trick, den Zauberwürfel zu entzaubern!

WEYER Ein guter Einstieg ist die Layer-by-Layer-Methode, sprich, eine Schicht nach der anderen wird abgearbeitet. Zuerst drehen Sie die Steine, bis eine Seite vollständig weiß ist. Anschließend knöpfen Sie sich den mittleren Ring vor, dessen Cubies müssen sich im Ergebnis einfarbig aneinanderreihen. Vom mittleren Ring gehen Sie über zu einer weiteren Seite, machen die komplett, so dass auch die bloß noch eine Farbgebung aufweist, und so fort. Im Wettkampfsport haben sich jedoch andere Verfahren durchgesetzt. Ich bevorzuge eine Methode, die von der tschechischen Mathematikerin Jessica Fridrich entwickelt worden ist. Der Clou: Sie kombinieren die Vereinheitlichung der Farbebenen zuerst mit einem weißen und dann einem gelben Kreuz, zu dem die Steine zwischendurch arrangiert werden. Das funktioniert, allerdings müssen Sie sich dafür Zugfolgen mit bis zu zehn Schritten einprägen.

Und die haben Sie alle im Kopf?

WEYER Ich beherrsche um die 100 Algorithmen. Und das läuft automatisch, ist quasi drin in meinen Händen, während eines Turniers denke ich nicht drüber nach. Denn wenn mich jemand fragt, wie ich das hinkriege, und ich versuche, das vorzuführen, indem ich das langsamer mache, hakt es nicht selten, gerade weil ich versuche, die notwendigen Schritte bewusst durchzuführen.

Sie haben den Zauberwürfel demnach quasi blind im Griff?

WEYER Theoretisch könnte ich Wettkämpfe tatsächlich blind bestreiten, aber mich interessiert das nicht wirklich. Übrigens ist das weniger schwierig, als sich die meisten Leute das vorstellen: Dafür müssen Sie im Prinzip nur zwei verschiedene Zugfolgen drauf haben: die eine für diejenigen Steine, die Längskanten bilden, und die andere, um Ecksteine auszutauschen. Das ziehen Sie dann stur durch.

Wie reagiert der Freundeskreis darauf, dass Sie nun ein Topstar im Speedcubing sind?

WEYER Manche finden's etwas seltsam. Aber die meisten sind ziemlich beeindruckt und wollen das auch lernen.

RENÉ GRALLA STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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