Kreis Viersen Der hohe Preis der alternden Gesellschaft

Kreis Viersen · Dem Kreis Viersen liegt jetzt eine ausführliche Untersuchung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik vor. Es gibt heute bereits gravierende Lücken in der Betreuung. Bis zum Jahr 2030 steigt der Bedarf rapide.

 Am Irmgardis-Krankenhaus gibt es bereits geriatrische Betten. Das Gesundheitsministerium entscheidet, ob das Haus den Zuschlag für eine Abteilung für Altersmedizin erhält. Er könnte auch ans AKH oder eine Klinik im Umland gehen.

Am Irmgardis-Krankenhaus gibt es bereits geriatrische Betten. Das Gesundheitsministerium entscheidet, ob das Haus den Zuschlag für eine Abteilung für Altersmedizin erhält. Er könnte auch ans AKH oder eine Klinik im Umland gehen.

Foto: Busch

Nur ein kleines Zeitfenster von knapp einem Jahr bleibt dem Kreis Viersen, sich auf den dann rapide einsetzenden Anstieg der alternden Gesellschaft einzustellen. Diese eindringliche Warnung richtete Dr. Dietrich Engels an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Senioren (AGSS) des Kreistags. Engels legte in der Sitzung das Ergebnis einer Untersuchung des Otto-Blume-Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) zur Kommunalen Pflegeplanung vor.

Das IGS hat zum Teil alarmierende Zahlen und Daten für den Kreis Viersen zusammengetragen. Es würdigt zwar die Anstrengungen, sich auf die Folgen der demografischen Entwicklung einzustellen. Aber im Ergebnis reicht dies bei weitem nicht. Die Zahl der Kreisbürger, die jünger als 50 Jahre sind, wird sich bis zum Jahr 2030 um 19 Prozent gegenüber der Gegenwart verringern. Gleichzeitig steigt die Zahl der Bürger im Alter von 60 Jahren und mehr erheblich an. Die Studie erwartet, dass im Jahr 2030 etwa 13.000 Menschen im Kreisgebiet pflegebedürftig sind, das entspricht einer Steigerung um einem Drittel gegenüber heute. Da mit fortschreitendem Alter das Risiko einer dementiellen Veränderung steigt, wirkt sich das im Gefüge ebenfalls spürbar aus. Ende 2012 waren etwa 4640 Menschen an Demenz erkrankt. In 15 Jahren dürften es annähernd 6800 sein.

Auf Fragen aus dem Ausschuss, ob das Institut in seinen Untersuchungen eine zunehmende Fitness älterer Menschen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigt habe, reagierte Engels sehr zurückhaltend. Darauf in der Planung zu setzen, halte er für sehr riskant. Er sei sehr skeptisch, dass gerontopsychiatrische Erkrankungen nennenswert verringert werden könnten. Untersucht hat die IGS umfassend die Versorgung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen im Kreisgebiet. Deutlich wurde, dass in den neun Städten und Gemeinden sehr unterschiedliche Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht wurden. Im Sommer vergangenen Jahres zählten die Gutachter kreisweit 61 Angebote wie Begegnungsstätten, Seniorenclubs, Generationentreffs und andere mehr. Hinzu kamen 60 selbst organisierte Seniorentreffs. Sehr gut entwickelt hat sich laut IGS das Konzept im Kreis "ambulant statt stationär", indem beispielsweise 61 Entlastungsangebote wie Gesprächskreise, Besuchsdienste, Demenzcafés und andere vorgehalten werden.

Defizite sehen die Experten im Angebot des Wohnens im Alter. Das gilt vor allem für Wohnformen mit Serviceleistungen — oft unerschwinglich für den Normalbürger. Die stationäre Gesundheitsversorgung deckt noch den Bedarf ab, Spezialisierungen wie die Palliativ-Abteilung des Nettetaler Krankenhauses sind vorhanden. Allerdings wird die Schließung des Willicher Hospitals eine Versorgungslücke öffnen. 34 ambulante Pflegedienste und 70 weitere haushaltsnahe Dienstangebote decken den Bedarf ab. Allerdings gibt es im privaten Bereich eine Dunkelziffer, die nicht eingeschätzt werden kann.

In den teilstationären Angeboten gibt es Defizite in der Kurzzeitpflege, eine Nachtpflege gibt es überhaupt nicht. "Eher dünn" schätzt IGS das Angebot der Sterbebegleitung ein. Ein Hospiz in Viersen und zwei ambulante Dienste sowie die Palliativabteilung in Nettetal werden als nicht ausreichend eingestuft. Engels wies eindringlich auch darauf hin, dass die familiären und nachbarschaftlichen Hilfesysteme abbauen. Darauf müsse die kommunale Pflegeplanung im Kreis angemessen reagieren. Erhebliche Anstrengungen sind erforderlich, wenn in Pflegeeinrichtungen das Ziel erreicht werden soll, zu 80 Prozent Einzelzimmer bereitzuhalten.

(RP)
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