Bundestagswahl im Kreis Viersen CDU trotz herber Verluste doppelter Sieger

Kreis Viersen · +++ Martin Plum (CDU) wird direkt gewählt +++ Grüne kommen auf mehr als doppelt so viele Stimmen wie 2017 +++ Briefwahl-Rekord +++ Auch Udo Schiefner (SPD) und Kay Gottschalk (AfD) im Bundestag +++ Höhere Wahlbeteiligung +++

 Direkt gewählt, mit 35,8 Prozent der Stimmen: Martin Plum (CDU) aus Viersen.

Direkt gewählt, mit 35,8 Prozent der Stimmen: Martin Plum (CDU) aus Viersen.

Foto: Martin Röse

Im Kreis Viersen ist  die CDU trotz deutlicher Verluste doppelter Sieger der Bundestagswahl 2021: Ihr Direktkandidat Martin Plum (39) aus Viersen holte die meisten Stimmen, auch bei den Zweitstimmen blieb die CDU stärkste Kraft. Sie kam auf 30,4 Prozent (2017: 38,1 Prozent). Damit verloren die Christdemokraten im Kreis Viersen leicht weniger Prozentpunkte als im Bundesschnitt.

Wie viele Abgeordnete aus dem Kreis Viersen den Landkreis im neuen Bundestag vertreten werden, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Neben Plum werden auch Udo Schiefner (SPD) aus Kempen und Kay Gottschalk (AfD) aus Nettetal dem Parlament sicher angehören. Ob auch Britta Pietsch (Die Linke) den Sprung in den Bundestag schafft, ist angesichts der starken Verluste ihrer Partei zweifelhaft. „Der Zug ist noch nicht abgefahren, aber es bräuchte ein Wunder“, erklärte sie. Dass es Direktkandidat Rene Heesen (Grüne) schafft, ist auch hochgradig unwahrscheinlich.

 Udo Schiefner (SPD) erhielt 27,6 Prozent der Erststimmen, zog über die Landesliste in den Bundestag ein.

Udo Schiefner (SPD) erhielt 27,6 Prozent der Erststimmen, zog über die Landesliste in den Bundestag ein.

Foto: Birgitta Ronge

Eine Sensation blieb aus. Weder dem SPD-Kandidaten Udo Schiefner noch dem Grünen Heesen gelang es, der CDU das Direktmandat abzujagen. Sensationell lediglich die starke Zunahme bei den Briefwahlen: Ihr Anteil hat sich gegenüber der vergangenen Bundestagswahl mehr als verdoppelt. Die Wahlbeteiligung lag bei  77,3 Prozent (2017: 76,2 Prozent).

 Kay Gottschalk (AfD) verschlechterte sein Wahlergebnis gegenüber 2017 von 7,0 auf 6,0 Prozent. Er zieht über die Liste ein.

Kay Gottschalk (AfD) verschlechterte sein Wahlergebnis gegenüber 2017 von 7,0 auf 6,0 Prozent. Er zieht über die Liste ein.

Foto: Norbert Prümen

Die stärksten Zuwächse konnten die Grünen verbuchen. Sie kamen auf 14,8 Prozent nach 6,7 Prozent im Jahr 2017. Auch die SPD gewann gegenüber der vorherigen Bundestagswahl hinzu. „26,8 Prozent“, verkündete Kreiswahlleiter Andreas Coenen am Abend im „Forum“ des Kreishauses – vor vier Jahren waren es 22,3 Prozent. Die Freidemokraten verloren an Zuhalt. Die FDP kam auf 12,8 Prozent gegenüber 16,0 im Jahr 2017. Sowohl Die Linke (3,0 Prozent gegenüber 6,0 Prozent vor vier Jahren) als auch die AfD (6,1 Prozent; ein Verlust von 1,4 Prozentpunkten) büßten gegenüber der vergangenen Bundestagswahl Stimmen ein.

Martin Plum kam sichtlich gelöst mit Frau und Kindern zur Wahlpräsentation ins Kreishaus. „Ich freue mich, dass die Menschen mir in allen Städten und Gemeinden im Kreis Viersen das Vertrauen geschenkt haben.“ In allen neun kreisangehörigen Kommunen lag der 39-jährige Richter aus Viersen vor seinen Kontrahenten.  Plum war von der CDU zum Nachfolger des langjährigen Bundestagsabgeordneten Uwe Schummer auserkoren worden. „Trotz des schwierigsten Wahlkampfs seit 1998 für die CDU haben wir auch bei den Zweitstimmen ein sehr deutliches Ergebnis erzielen können“, sagte er. Und für welche Koalitionsoption würde sich der neue direkt gewählte Bundestagsabgeordnete stark machen? „Wir müssen jetzt erstmal abwarten, welche Möglichkeiten es gibt.“ Und für welche Option schlägt sein Herz? „Natürlich für eine Regierung unter Führung der Union.“

Dass die CDU im Kreis Viersen besser als im Bund abschnitt, sei auch dem engagierten Wahlkampf zu verdanken, sagte der CDU-Kreisvorsitzende Marcus Optendrenk. „Gerade zu Beginn des Wahlkamps gab es bundespolitisch heftigen Gegenwind.“ Dass Plum im Vergleich zum letzten Wahlergebnis von Uwe Schummer rund zwölf Prozentpunkte verlor, hat laut Optendrenk zwei Ursachen. Erstens: „Nach Corona hatten wir gar nicht viel Zeit, Martin Plum als unseren Kandidaten in der Bevölkerung zu positionieren.“ Gemessen daran sei das Ergebnis sehr gut. Und zweitens: „Uwe Schummer hat sich seinen guten Ruf über fast zwei Jahrzehnte Arbeit im Bundestag aufgebaut.“ Dennoch habe Plum deutlich über dem Zweitstimmen-Ergebnis gelegen. „Er hat einen guten Start hingelegt.“

Udo Schiefner (SPD), der 27,6 Prozent der Erststimmen erhielt, sagte: „Ein taktisch kluges Wählen bei den Erststimmen bei den Grünen hätte dazu geführt, dass ich direkt gewählt worden wäre. Indirekt haben die Grünen so Martin Plum den Sieg gebracht.“ Welche Koalition würde er bevorzugen?  „In unsicheren Zeiten ist es wichtig, einen regierungserfahrenen Kanzler zu bekommen. Armin Laschet hat kein Fettnäpfchen ausgelassen, er hat nicht das Format für die Kanzlerschaft.“

Kay Gottschalk (AfD), dessen Partei im Kreis von 7,5 auf 6,0 Prozent fiel, sagte: „Schade, ich hatte mir mehr erhofft.“ Durch die Warnung der CDU vor Rot-Rot-Grün hätten einige AfD-Anhänger taktisch CDU gewählt.

Die Grünen im Kreis Viersen hätten sich solch ein Ergebnis wie nun vor zwei, drei Jahren nicht träumen lassen, sagte Maria Dittrich, Sprecherin des Grünen-Kreisverbands. „Das haben wir noch nie erlebt, dass uns so viele Menschen unterstützt haben, das gibt Schwung.“ Seit knapp einem halben Jahr vor der Kommunalwahl 2020 hätten die Grünen im Kreis Viersen einen enormen Zuwachs erlebt, auch durch viele junge Menschen, sagte Jürgen Heinen, Sprecher des Grünen-Kreisverbands. Mit Blick auf Koalitionen sagte Dittrich: „Ich traue unseren Leuten zu, ernsthaft und gut zu verhandeln. Letzten Endes zählt, mit wem man die größte Schnittmenge erreicht.“ Heinen wurde deutlicher: „Ich kann mir zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Personaltableau der CDU keine schwarz-grüne Koalition vorstellen, erst recht nicht mit den Grünen als Juniorpartner.“ Die Grünen seien gewählt worden, weil sie Klimaschutz „radikal umsetzen wollen“, so Heinen. „Wir sind es den Menschen schuldig, das auszuverhandeln. Ich will meinen Enkeln sagen können: Wir haben bis zuletzt gekämpft, um die Welt für euch lebenswert zu halten. Kapital kann man nicht atmen.“

Für die FDP analysierte der Brüggener Landtagsabgeordnete Dietmar Brockes die Wahl: „Wir sind zufrieden, liegen mit dem Kreisergebnis einen guten Schuss über dem Bundesergebnis – das war aber auch unsere Verpflichtung.“ Mit dem Studenten Eric Scheuerle habe die FDP einen „herzerfrischenden Kandidaten“ aufgestellt. „Ich habe heute auch Stimmen ausgezählt – dabei ist mir aufgefallen, dass bei Erststimmen ungefähr gleich oft CDU wie auch SPD angekreuzt waren – sofern die Wähler ihre Erststimme nicht auch der FDP gegeben haben. Das heißt: Wir haben keine ,Leihstimmen’ bekommen – die Stimmen für die FDP waren Stimmen für die Freiheit.“

Die Partei Die Linke hat ihren Stimmenanteil von 6,0 auf 3,0 Prozent gegenüber 2017 halbiert. Die linke Direktkandidatin Britta Pietsch aus Viersen nennt das Abschneiden ihrer Partei bei der Bundestagswahl „eine Niederlage“. Für Rot-Grün-Rot im Bund reicht es nicht. „Ich danke aber allen Wählern, die uns im Kreis Viersen die Stange gehalten haben.“

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