Niederkrüchtener stimmen am 21. August ab Freibad oder nicht? Der Tag der Entscheidung

Niederkrüchten · Seit Jahren tobt in Niederkrüchten ein Streit, ob das marode Freibad saniert werden soll oder nicht. 15.952 Einwohner sind am Sonntag dazu aufgerufen, bei einem Bürgerentscheid über diese Frage abzustimmen. Hier die wichtigsten Argumente pro und contra.

 Das marode Freibad.

Das marode Freibad.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Wenn am Sonntag, 21. August, der Bürgerentscheid  der Gemeinde Niederkrüchten über die Bühne geht, haben die Bürger die Qual der Wahl: Soll das marode Freibad saniert werden? Darauf können sie mit Ja oder Nein antworten. Unsere Redaktion hat die fünf wichtigsten Argumente pro Freibad-Sanierung und contra Sanierung gesammelt und jeweils die Gegenseite gebeten, dazu Stellung zu nehmen.

PRO SANIERUNG

Hier fünf Argumente der Befürworter einer Freibadsanierung von Bürgerinitiative und Grünen – und was Vertreter von Parteien dazu sagen, die die Sanierung ablehnen.

 Ein Muster des Stimmzettels für den Bürgerentscheid am 21. August.

Ein Muster des Stimmzettels für den Bürgerentscheid am 21. August.

Foto: Gemeinde

1. Leben im Ort: Attraktive Ortskerne entwickeln sich nur durch Investitionen vor Ort.

„Grundsätzlich glaube ich nicht, dass die Investition in ein Freibad mit der Attraktivität des Ortskernes verbunden ist“, sagt Lars Gumbel, Fraktionsvorsitzender der Niederkrüchtener FDP. Durch die bisher 50 Jahre Freibadbetrieb sei es auch nicht gelungen, den Einzelhandel zu stärken oder die Gastronomie zu halten. Etwas für Gastronomen oder Händler tun, dies könnten nur die Menschen durch ihr Verhalten. Freibadbesucher kämen dafür weniger in Frage. „Ich glaube nicht, dass jemand nach dem Besuch im Freibad noch einkaufen geht“, so Gumbel. Und die Pommes Frites würden eh im Freibad gegessen werden. „Im Falle einer Flächengemeinde wie Niederkrüchten oder auch Brüggen, die aus mehreren Ortsteilen besteht, muss man auch immer eine Ausgewogenheit der Investitionen in den einzelnen Ortsteilen im Blick behalten“, so Gumbel. Das Freibad würde an der Attraktivität des Ortskerns von etwa Elmpt als Siedlungsschwerpunkt mit doppelt so vielen Einwohnern wie Alt-Niederkrüchten wohl nichts ändern.

 

2. Mehr Besucher: Frisch saniert wird das Freibad in Niederkrüchten wieder zu einem Besuchermagneten mit überregionaler Bedeutung.

„Das glaube ich nicht“, sagt Reinhardt Lüger, Vorsitzender der Niederkrüchtener CDU. Bereits in den vergangenen Jahren habe es einen deutlichen Rückgang bei den Besucherzahlen im Freibad gegeben. Ein Grund dafür sei das geänderte Freizeitverhalten, gerade von Jugendlichen. Dies hätten ihm unterschiedliche Vereinsvertreter gespiegelt, für die es immer schwieriger werde, junge Mitglieder zu motivieren. Eine klassische Magnetwirkung wird es nach Lügers Einschätzung durch das Freibad nicht mehr geben. Selbst im Sommer sei ein Freibad wegen der Wetterabhängigkeit, etwa bei Gewittern, nicht immer zu öffnen. Dies hätten Erfahrungen in diesem Sommer bei Freibädern in der Umgebung, wie etwa Düsseldorf, gezeigt. Dadurch sei auch die Zeit, um eine Magnetwirkung entfalten zu können, sehr eingeschränkt.

3. Sozialer Treffpunkt: Egal, ob jung, alt, arm oder reich, ob Wasserratte oder Sonnenanbeter. Alle sind willkommen, Spaß zu haben.

„Das Argument eines sozialen Treffpunktes gilt ebenso für das interkommunale Bad“, sagt SPD-Vorsitzender Marco Goertz. Zumal man mit dem gemeinsamen Hallenbad auch Ziele verfolge wie Schulschwimmen, Vereinsschwimmen und Reha-Sport. Das interkommunale Bad wäre – anders als das Freibad – nicht nur für vier Monate ein Ort der Begegnung, sondern das ganze Jahr über. Sollten Überlegungen für eine Gastronomie am interkommunalen Bad umgesetzt werden, würde damit auf jeden Fall ein attraktiverer sozialer Treffpunkt geschaffen werden: für die ganze Familie, das ganze Jahr über. Goertz kann zwar nachvollziehen, dass man sich ein Freibad wünscht. Doch mit dem Außenbecken sei ein guter Kompromiss für den Sommer gefunden, in Kombination mit einem Hallenbad. Zudem sei zu bedenken: Ein neues Freibad würde über eine deutlich kleinere Wasserfläche verfügen als das bisherige und verliere damit in seinen Augen an Attraktivität.

4. Entlastung der Seen: Als einziges Freibad weit und breit nehmen wir den Druck von den Naturseen.

„Das Argument kann ich nachvollziehen. Allerdings glaube ich, dass nur eine marginale Entlastung durch das Freibad stattfinden würde“, sagt Sebastian van de Weyer, Fraktionsvorsitzender der „Christlich-kommunalen Wählergemeinschaft“ (CWG). Dieselbe Entlastung sieht er aber auch durch ein interkommunales Bad gegeben, das über ein Außenbecken verfügt. Zudem sei nach seiner Einschätzung das Publikum an den Seen ein anderes als im Schwimmbad: „Das sind keine Leute, die im Becken Bahnen schwimmen wollen.“

Diese wollten lieber einen Tag am See verbringen, zusammensitzen oder grillen. Dies würden die Autokennzeichen der oft aus Krefeld, Düsseldorf oder Köln kommenden Besucher an den Seen zeigen: Diese Gruppen würden eher ein Knöllchen in Kauf nehmen, dies wäre für sie immer noch billiger als Eintritt für ein Freibad zu zahlen.

5. Beste Ökobilanz: Sanieren im Bestand spart sehr viel CO2. Ein Neubau im Randbereich eines Biotops vernichtet wertvolle Natur und verbraucht Unmengen grauer Energie.

„Diese Argumentation klingt im ersten Moment natürlich schlüssig und passt auch in die Zeit und die politische Ausrichtung einiger Freibad-Befürworter“, meint FDP-Fraktionschef Lars Gumbel. Er sehe darin aber kein unüberwindliches Problem, „da in der Planung bereits Öko-Standards und Richtlinien berücksichtigt wurden. Alle Baumaterialien sind laut Planungsbüro, im Bereich der Nachhaltigkeit auf neustem Stand.“ Es werde eine große Industriebrache entsiegelt und durch einen wesentlich kleineren modernen Baukörper ersetzt, der Biotopverbund bleibe bestehen. „Bezüglich der Energieversorgung wird sicherlich aufgrund der aktuellen Situation ebenfalls eher eine ökologische Verbesserung erfolgen“, so Gumbel. Im Übrigen müsse auch bei der kompletten Sanierung ein größerer CO2-Fußabdruck entstehen – von dem zusätzlichen Bau eines nötigen Hallenbades für das Schulschwimmen mal abgesehen. Doch davon spreche seitens der Befürworter keiner.

Der zunächst für diesen Punkt angefragte Michael Tekolf von der NWG erklärte am Mittwoch dazu: „Wir als NWG-Fraktion sehen uns in Anbetracht der komplexen Sachverhalte, welche durch die vorgelegten Argumente der Freibadbefürworter im Raum stehen, in der Kürze der Zeit außerstande, eine sachlich und fachlich fundierte Stellungnahme abzugeben.“

CONTRA SANIERUNG

Hier fünf Argumente der Parteien, die eine Sanierung ablehnen, und was die Bürgerinitiative, die Initiatorin des Entscheids ist, dazu sagt.

1. Beides, ein ganzjährig geöffnetes Familienbad und Freibad kann die Gemeinde ohne Steuererhöhungen und starke finanzielle Einschränkungen der freiwilligen Leistungen nicht stemmen.

Dazu die Initiative: „Bei einem Ja zur Freibadsanierung müssen die Pläne für das interkommunale Hallenbad überarbeitet werden, um eine Überforderung des Gemeindehaushalts zu vermeiden. Wenn Förderungen ausbleiben, müsste das Hallenbad mindestens abgespeckt werden. In Hinblick auf die ,freiwilligen Leistungen‘ verfügt Niederkrüchten dann mit dem Freibad über ein sehr attraktives Angebot. Es entsteht wieder ein Ort der Begegnung.  Die Kosten für den Betrieb eines großen Hallenbades werden unterschätzt und sind für die Zukunft schwer kalkulierbar. Nachwirkungen von Corona sind noch spürbar. Auch die Betriebskosten explodieren. Die Energiekrise ist noch nicht einberechnet. Ein Freibad ist viel günstiger beheizbar und betreibbar.  Wir befürworten eine Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden. Diese muss aber nicht zwangsläufig im Neubau eines großen Hallenbads auf einer Industriebrache münden. Im Vergleich zu Brüggen hat Niederkrüchten deutlich kleineren Bedarf für Schul- und Vereinsschwimmen. Brüggen hat ein zentral gelegenes Hallenbad, das mit einem Lehrschwimmbecken erweitert werden könnte. Förderungen waren hierfür bereits im Rahmen des integrativen Handlungskonzeptes in Brüggen eingeplant. Warum kann man ein Hallenbad in Brüggen und das Freibad in Niederkrüchten nicht gemeinsam betreiben?“ 

 

2. Die Pflichtaufgabe Schulschwimmen zu erfüllen, wäre nur durch Bau eines Lehrschwimmbeckens am Schulzentrum mit zusätzlichen Kosten möglich.

„Es würde fünf Jahre brauchen, bis die ersten Schüler das interkommunale Hallenbad nutzen können. Mehrere Möglichkeiten müssten geprüft werden: Da der Bedarf für das Schulschwimmen in Niederkrüchten eher gering ist, wäre notfalls die Mitbenutzung von direkt benachbarten Hallenbädern denkbar.  Aus ökologischen Gründen sind wir für eine Sanierung des Hallenbads in Elmpt, selbst wenn es auf dem ersten Blick nicht wirtschaftlich erscheint.  Bei einem Neubau favorisieren wir ein 25-Meter-Hallenbad mit drei Bahnen. Dieses würde den gesamten Bedarf in Niederkrüchten abdecken. Der beste Standort müsste noch gefunden werden – Elmpt, Schulzentrum oder am Freibad.  Auch ein zügiger Bau eines Lehrschwimmbeckens ist denkbar: Die Grundschüler sollen schwimmen lernen und nicht die halbe Unterrichtszeit im Bus verbringen. Gangelt macht es vor und betreibt an seinen zwei Grundschulen direkt angebaute Lehrschwimmbecken, mit denen Schwimmunterricht ohne Wegezeiten möglich ist. Diese Variante ist auch in Hinblick auf Förderungen zu prüfen. Die hohe Zahl von Nichtschwimmern zeigt, dass der Trend zu zentralen großen Hallenbädern in den letzten 20 Jahren ein Fehler war.  Kinder werden nicht alleine durch Schwimmkurse zu sicheren Schwimmern. Es braucht Schwimmerfahrung. Diese bekamen sie früher mit einer Jahreskarte im Freibad. Für 32,50 Euro konnten Jugendliche den ganzen Sommer das Bad nutzen. Solche Angebote gibt es im Umkreis für kein Hallenbad. Stattdessen zahlt eine Familie in Ransberg 15,50 Euro pro Besuch.  In Süddeutschland findet Schulschwimmen auch im Freibad statt.“ 

 

3. Ein Freibad ist in den meisten Monaten geschlossen.

„In der Vergangenheit wurde das Freibad in den vier Monaten acht Mal so stark von der Öffentlichkeit frequentiert, wie das Elmpter Hallenbad in der übrigen Zeit. In den Wintermonaten verursacht das Freibad keine Betriebskosten. Im Sommer ist ein Freibad mehr als ein Schwimmbecken, in dem man Bahnen zieht. Es ist ein wichtiger und zentraler Ort der Begegnung. Es gibt sehr gute Gründe, warum es in Deutschland genauso viele Freibäder wie Hallenbäder gibt. Lediglich im Umkreis ist das Verhältnis durch die Schließung der Freibäder in Viersen, Tönisvorst und zuletzt Niederkrüchten in eine Schieflage geraten. Nur die Niederländer stellen in Roermond und Swalmen ein Angebot zur Verfügung, welches häufig überfüllt ist. Im Westkreis gibt es kein einziges Freibad mehr.  In Zeiten von knappen Haushaltskassen und Energiekrise wird sich auch durch den Klimawandel das Urlaubsverhalten dramatisch verändern bzw. verändern müssen. Urlaub und Erholung werden in Zukunft viel häufiger im lokalen Umfeld stattfinden als vor zehn Jahren. Freibädern könnte hier eine besondere Bedeutung für einen Urlaub zu Hause zukommen.“ 

 

4. Es ist ungeklärt, wer das Freibad betreiben soll, das Personal dafür stellt und die Kosten dafür übernimmt.

„Der Betrieb des Freibads gelang der Gemeinde Niederkrüchten 50 Jahre lang. Sogar während der schweren Wirtschafts- und Ölkrise hatte es geöffnet. Im Sommer halfen DLRG-Rettungsschwimmer bei der Aufsicht. Dieses Modell wollen wir weiter entwickeln und für die ehrenamtliche Hilfe werben, um Personalkosten zu senken. Bei der Personaleinsatzplanung ist Kreativität gefragt. Was spricht dagegen, die Schwimmmeister in den übrigen Monaten mit anderen Aufgaben der Gemeindeverwaltung oder in einem benachbarten Hallenbad zu beschäftigen? Auch flexible Arbeitszeitmodelle wären denkbar. Die Arbeit in Freibädern ist bei Schwimmmeisterinnen und Schwimmmeistern beliebt.  Die DLRG muss jedoch auch zuverlässige Wasserzeiten erhalten, um Rettungsschwimmer auszubilden. Ohne Freibad gibt es auch weniger Interesse an der Ausbildung zum Rettungsschwimmer. Kirchhoven ist hier Vorbild. Dort werden aktiv Schülerinnen und Schüler für die sommerliche Wasseraufsicht begeistert und zu Rettungsschwimmern ausgebildet: eine Win-Win-Situation.“

 

5. Ein Freibad ist aus ökologischen Gründen ungünstig, durch das Beheizen des Wassers wird sehr viel Energie an die Umwelt abgegeben.

„Ein modernes Freibad benötigt keine Gasheizung mehr. Besonders Freibäder eignen sich ideal für die Nutzung von Solarenergie. Das Freibad in Alpirsbad im Schwarzwald wird seit 2013 ausschließlich so beheizt. Hingegen ist der Gesamtenergiebedarf von großen Hallenbädern auch durch die nötige Luftentfeuchtung um ein Vielfaches höher. Die Kombination aus einem großen Freibad und einem kleinen Hallenbad hat die deutlich bessere Energiebilanz als ein großes Hallenbad.“

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