Viersen Brustkrebs: Therapie ohne Chemie

Viersen · Viel zu viele Frauen werden nach einer Brustkrebs-Operation vorsorglich mit Chemotherapie behandelt. Dies soll eine vom Brustzentrum Niederrhein inspirierte neue Studie belegen. Insgesamt 4600 Patientinnen können teilnehmen. Gentests ermöglichen den Verzicht auf "Chemo".

 Gemeinsam mit dem AOK-Vorstandsvorsitzenden Wilfried Jacobs stellte Prof. Dr. Ulrike Nitz im Bethesda-Krankenhaus das Konzept der Brustkrebs-Studie vor. Dritter im Bunde ist die US-Firma Genomic Health.

Gemeinsam mit dem AOK-Vorstandsvorsitzenden Wilfried Jacobs stellte Prof. Dr. Ulrike Nitz im Bethesda-Krankenhaus das Konzept der Brustkrebs-Studie vor. Dritter im Bunde ist die US-Firma Genomic Health.

Foto: Ilgner

MÖNCHENGLADBACH Bereits vor 17 Jahren hatte Professor Dr. Ulrike Nitz, Chefärztin des Brustzentrums Niederrhein am Mönchengladbacher Bethesda-Krankenhaus, die Westdeutsche Studiengruppe (WSG) gegründet. Heute leitet Prof. Nitz die WSG gemeinsam mit ihrer Kollegin Prof. Dr. Nadia Harbeck vom Brustzentrum München. Die Forschungseinrichtung hat sich der Entwicklung und Durchführung von klinischen Studien verschrieben, die sich mit der Bekämpfung des Brustkrebses, des "Mammakarzinoms", befassen.

ADAPT-Studie hat begonnen

Kürzlich gab Prof. Nitz, gemeinsam mit Wilfried Jacobs, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg, eine neue Studie bekannt. "Sie heißt ADAPT", sagte Nitz. In der Pilotphase, die Anfang dieses Monats begonnen hat, werden zunächst 400 von geplanten insgesamt 4600 Teilnehmerinnen eingeschlossen. Zunächst zwölf Brustzentren in NRW und Hamburg bilden die Speerspitze des Projekts, das über ein Gesamtbudget von rund 13 Millionen Euro verfügt. Einen beträchtlichen Teil der Kosten – nämlich die individuellen Genom-Tests an den Patientinnen, die jeweils 3000 Euro erfordern – trägt die AOK Rheinland/Hamburg für ihre Versicherten.

"Es ist eine strategische Studie", sagt Ulrike Nitz. Und Dr. Oleg Gluz, Oberarzt am Brustzentrum Niederrhein, erklärt dies ganz konkret: "Eine Brustkrebspatientin ist operiert, der Tumor und die befallenen Lymphknoten sind entfernt worden. Nun muss eine Prognose über die Rückfall-Wahrscheinlichkeit gestellt werden", so Dr. Gluz. Werden keine Mikro-Metastasen festgestellt, kann bei solchen Patientinnen – also bei 60 bis 80 Prozent – begründet angenommen werden, dass es in den kommenden zehn Lebensjahren bei ihnen nicht zu einem Rückfall mit neuer Tumor-Erkrankung kommt. Dennoch erhalten diese Frauen derzeit eine Chemotherapie als Standard-Vorsorgebehandlung. "Das bedeutet, dass rund zwei Drittel der Patientinnen chemotherapeutisch behandelt werden, die gesund sind und dies gar nicht nötig hätten", erläutert Gluz. Die Fallzahlen solcher "Überbehandlung" soll die Studie zukünftig verringern helfen.

Ob "Chemo" notwendig ist oder nicht, kann im Einzelfall auf dem Testweg ermittelt werden. Dabei wird mit einem zertifizierten "Oncotype DX"-Verfahren ein genetischer Fingerabdruck des Tumors genommen. Per Stanz-Biopsie wird eine Gewebeprobe aus der Brust entnommen, die danach unter dem Mikroskop untersucht wird. Dies leistet die in Kalifornien ansässige Firma Genomic Health, die als dritter Partner an der WSG-Studie mitwirkt. Drei Wochen später wird ein weiterer Test durchgeführt. Dabei wird auch geprüft, ob der Tumor sensibel auf Hormone reagiert. Wenn ja, erhalten die Frauen eine gezielte Antihormon-Therapie, die ihnen die Chemotherapie erspart.

Ulrike Nitz ist zuversichtlich, was das Ergebnis der Studie betrifft: "Auf Dauer werden wir mindestens 50 Prozent der Patientinnen nicht mehr therapieren müssen", hofft sie. Dadurch bleibe den operierten Frauen ein Höchstmaß an Lebensqualität erhalten. Um beispielsweise nur den dadurch vermeidbaren Haarausfall zu nennen.

AOK finanziert die Tests

"Wir sind bereit, diese Tests für unsere Versicherten zu finanzieren", sagte AOK-Chef Wilfried Jacobs. Er gehe davon aus, dass auch andere Krankenkassen diesem Beispiel folgen werden. Die AOK sei gern dabei, wenn es gelte, "unwirksame Behandlungen und überflüssige Nebenwirkungen zu ersparen und so die Lebensqualität zu erhöhen." Wichtig sei jedoch die ausführliche Aufklärung jeder Patientin über die geplante Therapie-Optimierung.

(RP)
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