Prozess in Krefeld Brachte diese Waage drei Menschen den Tod?

Brüggen/Krefeld · Die Staatsanwaltschaft wirft dem Brüggener Heilpraktiker Klaus R. fahrlässige Tötung vor. Im Prozess vor dem Landgericht Krefeld wurde nun deutlich: Seine Waage war für das Wiegen kleiner Mengen im Milligrammbereich absolut ungeeignet.

 Diese Waage hat der Angeklagt fürs Wiegen benutzt.

Diese Waage hat der Angeklagt fürs Wiegen benutzt.

Foto: Sebastian Esch

Der zweite Prozesstag im Fall um den Heilpraktiker Klaus R., der in Brüggen ein Biologisches Krebszentrum betrieb, beschäftigte sich mit einer Nachstellung des Abwiege-Prozesses. Laut Anklage soll der Heilpraktiker aus Moers beim Wiegen fahrlässig gehandelt haben und sich vermessen haben. Durch eine so entstandene Überdosis soll er drei Menschen getötet haben.

In der Mitte des Saals 167 im Landgericht Krefeld stand das so wichtige Objekt für diesen Prozess: eine gräulich silberfarbene Waage. Auf dieser Waage wog der Anklagte den experimentellen Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) ab, welchen er als eine Art letztes Wundermittel seinen totkranken Patienten injizierte.

Die Staatsanwaltschaft führte ein Beispiel eines Patienten von R. vor, in dem der Anklagte diesem 210 Milligramm verabreichte. Dies geschah in zwei Dosierungen, jeweils mit 105 Milligramm. Und da fing das Problem schon an: Denn die Waage von R. konnte die dritte Stelle nach dem Komma, also die Milligrammangabe, gar nicht anzeigen. Deshalb habe R. „immer in Richtung 100 runtergewogen“. Aber auch bei einer Dosis von 210 Milligramm hätte R. nie sicher sein können, ob es nicht 216 oder 218 Gramm sind, so Staatsanwältin Plass.

Damit das Gericht die einzelnen Schritte dieses Prozesses nachvollziehen konnte, wurde R. zu einer Demonstration des Abwiegens gebeten. Mit einem seiner Dosierlöffel entnahm er aus einem Reagenzglas eine kleine Menge des Wirkstoffs und legte diesen auf die Waage. Bei einem Testversuch sollte der Angeklagte 70 Milligramm abwiegen. Er streute die Substanz auf die Platte, bis dort „0,07“ stand. Eine zweite Waage, die auch den Milligrammbereich wiegen kann, stand direkt daneben auf dem Tisch. Als im Anschluss die abgewogene Menge von R. Waage auf die andere Waage mit Milligrammanzeige gelegt wurde, zeigte diese 0,076 an. Eine Differnez von sechs Milligramm.

Um das Ergebnis nochmals zu verdeutlichen, legte ein Sachverständiger ein Probegewicht auf die Waage von R. „Das Gewicht wiegt 1,16153 Gramm“, erklärte er vorher. Die Anzeige auf der Waage von R. zeigte allerdings 1,5 Gramm an. „Das ist für die Waage total okay“, sagte der Sachverständige. „Die ist auf so kleiner Ebene eben ungenau.“

Diese Erkenntnis spielte der Staatsanwaltschaft in die Hände. „Wenn ich von vorneherein weiß, dass ich keine Fünfer-Schritte abwiegen kann, dann kann ich doch überhaupt keine Dokumentation anfangen“, sagte Staatsanwältin Plass. Wenn das tatsächlich über den gesamten Zeitraum so gemacht und dementsprechend dokumentiert worden sei, dann seien die Werte eine reine „Illusion und nicht zu gebrauchen“, so die Staatsanwältin.

„Die dritte Stelle ist in der Wirkungsweise nicht so ausschlaggebend“, sagte dagegen der Angeklagte. Er sei ohnehin nie über sein Limit von 300 Milligramm pro Patientin gegangen. In einer Studie, auf die er sich bezog, war ein Maximum von 400 Gramm angegeben. „So weit bin ich aber nie gegangen.“ Deshalb spiele es aus seiner Sicht keine Rolle, dass die dritte Stelle hinter dem Komma nicht angezeigt werde.

„Ich halte es sehr wohl für vollkommen relevant, dass Sie eine Waage besitzen, die auch wirklich alles messen kann“, sagte die Staatsanwältin. Das könne man doch nicht mit der „therapeutischen Breite“ rechtfertigen. „Im Endeffekt ist es für mich nicht nachvollziehbar, was die Patienten wirklich erhalten haben“, so die Staatsanwältin.

Der Prozess geht am Freitag, 12. April, weiter.

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