Einkaufen in Viersen Azubis übernehmen Aldi-Filiale

Viersen · Im Markt an der Viersener Freiheitsstraße hat zurzeit der Nachwuchs das Sagen: 20 Lehrlinge und eine Handelsfachwirtin leiten ihn für vier Wochen. Sie erledigen alles — von der Warenannahme bis zum Kassieren.

 Azubis Johannes Eschweiler (l.) und Philip Satlawa, hier mit Regionalverkaufsleiterin Elena Fischer, gehören zum Team, das die Viersener Filiale leitet.

Azubis Johannes Eschweiler (l.) und Philip Satlawa, hier mit Regionalverkaufsleiterin Elena Fischer, gehören zum Team, das die Viersener Filiale leitet.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Johannes Eschweiler (22) rangiert einen Drahtkorb voller Blumen durch die Gänge der Viersener Aldi-Süd-Fliale an der Freiheitsstraße. Er platziert ihn mittig im Gang, wirft dabei noch einen prüfenden Blick in die Regale: Sieht dort alles ordentlich aus? Gibt es irgendwo Lücken? Wenn das so wäre, würde er aufräumen oder neue Ware aus dem Lager besorgen. Und außerdem ist das ja noch der Backautomat, der regelmäßig bestückt werden muss. Und die Pfandrückgabe, die stets betriebsbereit sein sollte. Und wie sieht es eigentlich im Kassenbereich aus: Stehen irgendwo mehr als fünf Kunden? Dann müsste eine zweite Kasse besetzt werden. Die vielen Fragen zeigen: Johannes Eschweiler ist zurzeit mehr als Azubi. Gemeinsam mit 21 anderen Lehrlingen und einer Handelsfachwirtin leitet er bis 22. Februar den Discounter mitten in Viersen. „Wir müssen uns viel absprechen. Jeder von uns übernimmt einmal alle Aufgaben“, beschreibt der Wassenberger.

Auch Philip Satlawa (19) trägt eines der blau-orangefarbenen Shirts. „Azubi-Filiale: wir leiten diese Filiale“ steht darauf. Für den Berufsnachwuchs ist es eine spannende Phase. „Morgens werden erstmal die Aufgaben verteilt“ erzählt Satlawa. Jeder Azubi leite einmal die Filiale, mal in der Früh-, mal in der Spätschicht. Bestellungen müssen abgewickelt werden, Obst und Gemüse ist einzuräumen, der Backautomat muss bestückt werden. Pünktlich um 8 Uhr muss der Markt für die Kunden fertig sein. „Besser noch zehn vor 8 Uhr“, sagt Eschweiler. Denn um 8 Uhr öffnen sich die Automatiktüren. Dafür sind die bis zu zehn Auszubildenden in der ersten Schicht bereits seit 5.30 Uhr im Einsatz. Johannes und Philip sind sich einig: In der Obst- und Gemüseabteilung arbeiten sie besonders gern. „Das macht Spaß. Da hat man morgens schon etwas zu tun, muss sich bewegen“, sagt Eschweiler. „Das ist wie Frühsport.“

Bereits seit 2008 gehört die Azubi-Filiale zum Repertoire des Unternehmens. Lehrlinge im dritten Lehrjahr können dann über einen Zeitraum von vier Wochen zeigen, was sie bisher gelernt haben. Ganz ohne Hilfe sind sie nicht: In Viersen begleiten Filialleiter Koray Pala und sein Stellvertreter das junge Team, das aus Filialen etwa in Mönchengladbach, Krefeld und Erkelenz stammt. Für die Leitungsfunktion wurden die Lehrlinge vorbereitet, Lagerung, das Annehmen und Verräumen der Ware oder das Kassieren ist für sie schon Routine.

Eine Frage, die sich wohl jeder Aldi-Kunde an der Kasse schon mal gestellt hat: Wie schafft es der Kassierer, derart schnell zu arbeiten, dass man mit dem Einräumen der Waren in den Wagen gar nicht mehr nachkommt? Johannes Eschweiler meint lachend: „Übung. Und wir wurden gut ausgebildet.“

Eine neue Herausforderung in der Azubi-Filiale: Der Nachwuchs, der sich bisher höchstens von der Berufsschule kannte, muss zusammen arbeiten und zu einem Team werden. Dabei ist kein Tag wie der andere. Insbesondere die Samstage seien eine Herausforderung: Dann kommen die meisten Kunden. Und dann ist die Schicht mit zehn Lehrlingen auch voll besetzt. Besonders gefragt sind auch die Aktionswaren, die in den Prospekten beworben werden. Sind etwa Avocados im Angebot, werden diese häufiger verkauft. Oder gibt es zeitlich begrenzt Mode von Youtuber Justin Bam, dann landet die besonders häufig auf dem Kassenband. Die legen aber nicht die Jugendlichen drauf, sondern „eher deren Eltern“, sagt Regionalverkaufsleiterin Elena Fischer mit einem Lachen.

„Wir bestärken unsere Azubis mit dem Leitungsprojekt darin, eigenverantwortlich zu arbeiten“ sagt Fischer. Die Leitung eines Marktes sei nicht nur eine große Aufgabe, sondern auch ein Vertrauensbeweis. Und außerdem seien die Filialleitungen ja auch vor Ort. Sie geben dem Nachwuchs nicht nur Rückmeldungen nach ihren Einsätzen. Sie könnten auch bei Problemen helfen oder Fragen beantworten.

Und hatte Philip Satlawa als Azubi-Chef schon einmal eine schwierige Situation zu bewältigen? „Nein“, sagt er. Bisher habe alles gut geklappt. Allerdings sei die Chef-Rolle schon eine andere als der normale Alltag: „Man guckt ganz anders durch die Filiale, muss auf viele Dinge gleichzeitig achten, darf nichts vergessen“, sagt der 19-Jährige. Der Anspruch sei, Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen. „Wenn der Kunde auf die volle Pfandrückgabe aufmerksam machen muss, dann ist es eigentlich schon zu spät“, sagt Satlawa.

Fällt den Kunden auf, dass in Viersen jetzt die Azubis das Sagen haben? „Angesprochen werden wir selten. Aber wenn, finden es die Kunden gut“, so die Erfahrung von Johannes Eschweiler.

In seine Leitungszeit fällt noch der Karnevalssamstag: Ein Tag, an dem sich viele mit Berlinern, Snacks und Getränken ausrüsten, um Karneval zu feiern oder am Zugweg zu stehen. Johannes Eschweiler und seine jungen Kollegen werden auch dann gelassen bleiben. Jetzt hört er: „Liebe Kunden. Kasse 2 öffnet für Sie.“ Und nimmt dort Platz.

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