Ausstellung in Viersen Als die Viersener Franzosen waren
Der Verein für Heimatpflege zeigt ab Sonntag die Ausstellung „Meter, Maire und Code Civil. Französische Herrschaft am Rhein“.
Ein Viersener Bäcker hatte im 19. Jahrhundert ein besonders herrschaftliches Gebäck im Sortiment. Er verkaufte Spekulatiusplätzchen, etwa so lang wie ungekochte Spaghetti, die Napoleon Bonaparte in Uniform und mit Zweispitz auf dem Kopf darstellten. Die dazu passende Holzform des Bäckers können Besucher ab Sonntag im Salon der Villa Marx in Viersen begutachten: Sie ist Teil der neuen Ausstellung „Meter, Maire und Code Civil. Französische Herrschaft am Rhein“, die das Leben im Kreis Viersen in der Zeit von 1801 bis 1814 in den Blick nimmt.
Hinter der Ausstellung steckt der Verein für Heimatpflege Viersen, Kuratorin ist Britta Spies. „Das ist unsere zehnte Ausstellung in fünf Jahren“, sagt der Vereinsvorsitzende Albert Pauly. Insgesamt mehr als 15.000 Besucher schauten in all den Monaten vorbei – für so einen kleinen Salon und eingeschränkte Öffnungszeiten sei das doch eine beachtliche Zahl, ergänzt er. Das Thema Frankreich „hat mich unheimlich gereizt“, erzählt Pauly. Welche Spuren haben die Franzosen nach der so genannten Franzosenzeit im Kreis Viersen hinterlassen? Wie war damals das Leben unter französischer Herrschaft? Oder wie es Pauly formuliert, „wie ist das eigentlich, wenn man morgens aufwacht und plötzlich Franzose ist?“ Das soll die Ausstellung dokumentieren.
Der Verein für Heimatpflege hat die Eckpunkte der Historie zusammengefasst: Von 1801 an gehörten die linksrheinischen Gebiete zum französischen Staat, plötzlich lebten die Bewohner nicht mehr im Kurfürstentum Köln, im Herzogtum Jülich oder Geldern, sondern sie waren Bürger der Französischen Republik im Département de la Roer. Sie hatten keinen Bürgermeister mehr, sondern einen „Maire“. Sie erlebten die Einführung einer neuen Währung, einer neuen Amtssprache, eines neuen Verwaltungssystems. Adel und Klerus verloren ihre Privilegien und ein neues Gesetzbuch, der Code Civil, sollte allen Bürgern die Gleichheit vor dem Gesetz garantieren. Das metrische System mit Meter und Kilogramm ersetzte offiziell die alten Maße wie Elle, Fuß, Malter oder Scheffel. Unter den neuen Machthabern entwickelte sich in der agrarisch geprägten Region allmählich ein modernes Wirtschaftssystem und manche in dieser Zeit entstehende Branche wie das Textilgewerbe.
Erstmals habe der Heimatverein eng mit mehreren anderen Museen aus der Region zusammengearbeitet und dadurch viele Leihgaben erhalten, erzählt Pauly. Doch auch Privatleute steuerten Stücke bei, zum Beispiel alte Briefe. „Die Planung der Ausstellung hat ungefähr zwei Jahre gedauert“, ergänzt Kuratorin Britta Spies. Ab Sonntag seien 40 bis 50 Originalexponate im Salon zu sehen, dazu mehr als 100 Kopien und mehr als 50 Abbildungen, die nacheinander auf einem Bildschirm eingeblendet werden. Neben dem Alltagsleben soll auch das Leben des französischen Herrschers Napoleon Bonaparte dokumentiert werden – unter anderem mittels Bilderbögen und Karikaturen.
Die Ausstellung beinhaltet außerdem interaktive Elemente. An drei Bildschirmen können sich die Besucher ausführlich über Napoleons Biografie, den Bau des Viersener Nordkanals und bis heute erkennbare sprachliche Einflüsse aus der Franzosenzeit informieren. Dafür müssen sie nur mit einem Finger auf den Bildschirm tippen.