Arbeitsmarkt im Kreis Viersen Vom Helfer zur Fachkraft

Viersen · Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, lassen Unternehmen im Kreis Viersen ihre Mitarbeiter weiterbilden. Das Qualifizierungschancen-Gesetz eröffnet neue Fördermöglichkeiten. Einen Teil des Gehalts zahlt die Agentur für Arbeit.

 Holger Sommerfeld, Mitarbeiter der EGN, lässt sich im Rahmen des Qualifizierungschancen-Gesetzes weiterbilden. Die Agentur für Arbeit fördert seine Ausbildung.

Holger Sommerfeld, Mitarbeiter der EGN, lässt sich im Rahmen des Qualifizierungschancen-Gesetzes weiterbilden. Die Agentur für Arbeit fördert seine Ausbildung.

Foto: Nadine Fischer

Kfz-Mechatroniker, Kaufmann, Schreiner: das sind Ausbildungsberufe, von denen wohl jeder Jugendliche schon mal gehört hat. Aber „Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft“? Da dürften so einige Jugendliche passen. „Wir suchen händeringend nach Fachkräften“, sagt Aline Okrongli von der Personalabteilung der Viersener Entsorgungsgesellschaft Niederrhein (EGN). Mit Holger Sommerfeld hat sie immerhin im eigenen Unternehmen eine angehende gefunden. Der 38-jährige Familienvater profitiert vom neuen Qualifizierungschancen-Gesetz.

Vor rund sechs Jahren hat Sommerfeld als Helfer bei der EGN angefangen. Jetzt lässt er sich in zwei Jahren zur Fachkraft ausbilden, bekommt weiterhin volles Gehalt, gefördert von der Agentur für Arbeit Krefeld. „Ich bin froh, dass ich die Chance bekomme, das zu machen“, sagt er. 81 Förderungen in rund 20 Unternehmen im Bezirk Krefeld und Kreis Viersen verzeichnet die Behörde 2019 bisher. „Das sind jetzt schon mehr als im gesamten Jahr 2018“, sagt Bettina Rademacher-Bensing, Leiterin der Agentur für Arbeit Krefeld. „Wir wollen in diesem Jahr etwa 135 Förderungen erreichen“, ergänzt sie. Mit dem Qualifizierungschancen-Gesetz lasse sich sowohl dem demografischen als auch dem Strukturwandel Rechnung tragen. Wo sich also zum Beispiel Berufsbilder stark verändern, können ältere Mitarbeiter gefördert werden.

Ein weiterer Vorteil für lernwillige Arbeitnehmer wie Sommerfeld: Qualifizierung kann vor Arbeitslosigkeit schützen. „Je geringer die Qualifikation ist, desto größer ist die Gefahr, arbeitslos zu werden“, sagt Rademacher-Bensing. „Auf eine Helfer-Stelle kommen zehn Arbeitslose, auf eine Fachkräfte-Stelle zwei.“ Insgesamt waren im Juli im Kreis Viersen 14.844 Männer und Frauen arbeitssuchend gemeldet. Das sind 85 mehr als im Juni, aber 1074 weniger als im Juli 2018. Für den Gesamtbezirk Krefeld – Kreis Viersen verzeichnete die Agentur für Arbeit 21.304 Arbeitslose, 517 mehr als im Vormonat. „Der Anstieg ist saisontypisch dem Ende der Schulzeit und vieler Ausbildungsverhältnisse geschuldet“, sagt Rademacher-Bensing. Zum Beispiel Azubis, die vom Ausbildungsbetrieb nicht übernommen wurden, sorgen also für den Anstieg.

Die Arbeitslosenquote liegt im Kreis Viersen bei 5,4 Prozent, um 0,2 Prozentpunkte höher als im Juni. Rademacher-Bensing ist optimistisch, dass sich der Arbeitsmarkt nach dem Sommer wieder positiver entwickelt. Die Erfahrung zeige, dass gerade die jungen Fachkräfte, die mit der Ausbildung fertig sind, nach der Sommerpause schnell in den Arbeitsmarkt aufgenommen würden. „Der Bedarf an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt ist da“, sagt Rademacher-Bensing.

Insgesamt wurden der Agentur für Arbeit im Juli in der Region 937 neue sozialversicherungspflichtige Stellen gemeldet, somit könnten aktuell 4646 Stellen besetzt werden. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen ist im Vergleich zum Vorjahr im Kreis Viersen um 104 auf 1697 gestiegen, die Zahl der gemeldeten Bewerber hingegen um 198 auf 1956 gesunken. Auf 100 Bewerber im Bezirk der Agentur für Arbeit Krefeld kommen rechnerisch 94 Ausbildungsstellen.

Holger Sommerfeld ist voraussichtlich noch ein Jahr lang Auszubildender, gerade hatte er Zwischenprüfungen. „Es ist schon eine Umstellung, wieder zur Schule zu gehen“, sagt der 38-Jährige. Als Helfer war eine seiner Hauptaufgaben, Sondermüll zu wiegen. „Jetzt komme ich näher mit den Chemikalien in Kontakt“, erzählt er. So sortiert er etwa Schadstoffe, ist im Labor, fährt mit dem Schadstoffmobil mit. Warum er sich für eine Ausbildung im Rahmen des Qualifizierungschancen-Gesetzes entschieden hat? „Qualifizierung schadet ja nicht“, sagt er. Aber eine normale Ausbildung sei für ihn aus finanziellen Gründen nicht in Frage gekommen.

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