Kreis Viersen Amok-Opfer leidet unter Angstattacken

Kreis Viersen · Vor dem Schwurgericht sagten am Freitag Opfer und Schütze der Schwalmtaler Amoktat aus. "Die mussten weg. Feierabend", erklärte der Angeklagte auf Nachfragen des Richters. Der 72-jährige Rentner erschoss am 18. August vergangenen Jahres in Amern drei Menschen.

Was beim Familiendrama in Schwalmtal geschah
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Durch drei Schüsse wurde Bernd Püllen, Sachverständiger beim Vermessungsamt des Kreises Viersen, schwer verletzt. Am Freitag sagte der 51-Jährige vor dem Schwurgericht in Mönchengladbach aus.

Doch dem Täter, der wegen dreifachen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen sowie eines Mordversuchs angeklagt ist, wollte das Opfer nicht gegenübertreten. So wurde Püllen in einem besonderen Zeugenzimmer des Landgerichts vernommen und dann seine Aussage in den Gerichtssaal A 128 auf einen Bildschirm übertragen.

Waffe und Munition in einer Tüte

Zusammen mit einem Kollegen und zwei Rechtsanwälten war der Viersener Gutachter damals an einem Treffen beteiligt, bei dem der Wert eines Grundstücks im Amern ermittelt werden sollte. Nach Meinung des Angeklagten richtete sich zu dieser Zeit alles gegen seine Tochter, die "vom Ex-Schwiegersohn und den Anwälten bei der bevorstehenden Zwangsvollstreckung über den Tisch gezogen" werden sollte. Dass der Rentner damals aus Unna mit einer Waffe und 100 Schuss Munition in einer Plastiktüte angereist war, wusste niemand.

Laut Geständnis hatte sich der 72-Jährige einige Zeit vor der Tat überlegt, die Rechtsanwälte seiner Tochter, seines früheren Schwiegersohns und den ebenfalls am Verkauf des Hauses beteiligten Immobiliengutachter zu erschießen. Er habe die gesamte Situation nicht mehr ertragen.

Seine Tochter habe rund um den Verkauf des Hauses mehrere Prozesse verloren, sein früherer Schwiegersohn habe alle Anwälte seiner Tochter bestochen. Eines der späteren Opfer habe ihn angefleht, nicht zu schießen. Daraufhin habe er erklärt, das käme zu spät. "Das hättest Du Dir früher überlegen müssen, hab ich gesagt", so der 72-Jährige vor Gericht.

Im Hausflur seien die Beteiligten dem Rentner damals begegnet, erinnerte sich Gutachter Bernd Püllen gestern: "Ich sah aus den Augenwinkeln eine Bewegung des 72-Jährigen." Dann erblickte er den ausgestreckten Arm des Amokschützen. "Der zielte mit einer Pistole und schoss sofort", beschrieb das Opfer den Ablauf. Püllen stürzte die Treppe hinunter. Die Schüsse, die ihn trafen, habe er nicht bewusst registriert, nur einen Schlag gespürt. Er sei aus dem Haus gekrochen, habe dabei noch gesehen, wie sein Kollege ebenfalls getroffen wurde. "Draußen riefen mir Leute zu, ich solle kommen, bei ihnen sei ich sicher", so der Gutachter.

Während der (Bildschirm-)Aussage des 51-Jährigen war es gestern im überfüllten Gerichtssaal sehr still geworden. Der Familienvater ist nach wie vor dienstunfähig, leidet unter Schlafstörungen und Angstattacken.

(RP)
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