Aktion „Schichtwechsel“ in Viersen Kriminalkommissar in der Kantine

Viersen · Dieser Einsatz von Kommissar Christoph Bermel (33) hat keinen kriminellen Hintergrund: Er war einen Tag lang Kollege von Lucas Franke, der in der Hauswirtschaft in der „Impuls“-Werkstatt tätig ist.

 Christoph Bermel von der Polizeiwache Viersen beim Schichtwechsel. Er besuchte Lukas Franke bei der Essensausgabe in der Viersener „Impuls“-Werkstatt des Heilpädagogischen Zentrums.

Christoph Bermel von der Polizeiwache Viersen beim Schichtwechsel. Er besuchte Lukas Franke bei der Essensausgabe in der Viersener „Impuls“-Werkstatt des Heilpädagogischen Zentrums.

Foto: Daniela Buschkamp

„Guten Hunger“, sagt Christoph Bermel, reicht ein belegtes Brötchen über die Theke und rechnet es ab. Danach übergibt er einen Teller mit Kartoffel-Selleriepüree und Gulasch an einen Wartenden in der Schlange. Bermel ist an diesem Montag in einem anderen Einsatz als sonst: in der Kantine der „Impuls“-Werkstatt des Heilpädagogischen Zentrums (HPZ) in Viersen statt am Schreibtisch in der Pressestelle der Polizeiwache in Viersen. Kommissar Christoph Bermel (33) hat Schichtwechsel – und mit Lukas Franke (30) aus der Hauswirtschaft für einen halben Tag einen neuen Kollegen. „Gespült haben wir auch schon“, sagen beide.

Das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) hat am Standort Schiefbahner Straße 11 in Viersen zum fünften Mal beim bundesweiten Aktionstag „Schichtwechsel“ mitgemacht. Organisiert wird dieser Tag seit 2018 vom deutschlandweit tätigen Verein „Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen“. Er sucht dafür Männer und Frauen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt sind. Sie tauschen für einen Tag mit einem Beschäftigten aus einer Werkstatt den Job. Im Gegenzug besucht der Tauschpartner sie an ihrem Arbeitsplatz.

Im ersten Jahr seien elf Beschäftigte des HPZ dabei gewesen, schildert Jeanette Echterhoff, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim HPZ Krefeld-Kreis Viersen. Seitdem seien es pro Jahr zwischen vier und fünf Mitarbeiter. Durch die Corona-Pandemie sei der Schichtwechsel etwas in Stocken geraten.

Was ein solcher Austausch bringen kann, schildert Sozialpädagogin Renate Stehr-Grefrath, Abteilungsleiterin Rehabilitation, am Standort Viersen: „Viele unserer Beschäftigten haben schon lange nicht mehr oder noch nie den ersten Arbeitsmarkt kennengelernt.“ Entsprechend schwammig seien manche Vorstellungen. Um ihnen den beruflichen Alltag zu zeigen, suche man Tauschpartner. Solche wie Kommissar Christoph Bermel.

Ihn hat Lucas Franke (30) zuvor auf der Polizeiwache in Viersen besucht und diese vom Erdgeschoss bis zum Keller kennengelernt. Franke erzählt, dass er die Zellen gesehen habe, unterschiedliche Möglichkeiten der Fingerabdruck-Abnahme kennenlernen konnte und das Büro von Christoph Bermel besucht habe; der Kommissar kümmert sich mit um die Pressearbeit der Polizei im Kreis Viersen. „Leider konnten wir nicht mit dem Streifenwagen fahren, aber ich konnte mich reinsetzen“, erzählt Funke. Für ihn sei dieser Tag spannend gewesen.

Ähnlich schildert Christoph Bermel seine Erfahrungen: Ihm sei die gesamte Einrichtung gezeigt worden. Besonders beeindruckt habe ihn die Produktion von Wassersäulen, wo sehr detailliert gearbeitet werden müsse.

Bermel hat das Polizei-Blau an diesem Tag in das Weiß des HPZ getauscht. Er trägt ein T-Shirt mit „Impuls“-Logo auf der Brust und über seinen Haaren eine weiße Mütze. Und dann ging es ans Spülen, Essen aufteilen, ausgeben und kassieren. Was, wenn jemand mehr Fleisch als Kartoffeln wolle oder einen Nachschlag? Im Zweifel schaut der Kommissar zu seinem Kollegen. Lukas Franke kennt seine Kunden, weiß, wer wie viel auf dem Teller möchte. „Nachschlag gibt es natürlich immer - und Nachtisch“, sagt Renate Stehr-Grefrath. An diesem Tag ist es eine Banane.

Danach müssen Franke und Bermel alles wieder herrichten. Der Schichtwechsler wurde zudem durch die Einrichtung und ihre Abteilungen mit 75 Mitarbeitern und neun Angestellten geführt. Dort werden Produkte verpackt, konfektioniert oder auch produziert, wie etwa die Wassersäulen.

„Wir nutzen die Aktion auch, um unsere Einrichtung und unsere Arbeit vorzustellen“, sagt Stehr-Grefrath. Und auch die Beschäftigten seien sehr interessiert an dem Gast und stellten ihm viele Fragen: Ob er auf Streife unterwegs sei, was er genau mache, wie lange er arbeite: Das waren nur einige der Fragen, die Christoph Bermel gern beantwortete, bis seine Schicht zu Ende ist. Und er wieder in den Polizeiwagen steigt.

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