Stolpersteine in Viersen Demnig verlegt Stolpersteine in Süchteln

Viersen · Der Berliner Bildhauer Gunter Demnig hat gestern 15 Steine einbetoniert, die an Opfer der Nationalsozialisten erinnern sollen. Vor der Verlegung hatte es eine Kontroverse um das Veto-Recht von Hausbesitzern gegeben.

 Gunter Demnig verlegte 15 Stolpersteine in Viersen-Süchteln.

Gunter Demnig verlegte 15 Stolpersteine in Viersen-Süchteln.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Die ersten 15 Stolpersteine für Viersen-Süchteln sind verlegt: Rund 100 Menschen folgten gestern dem Berliner Bildhauer Gunter Demnig, als er im Ortskern mit Maurerkelle und Gummihammer unterwegs war. Er verlegte an drei Stellen die mit Messingschild versehenen Pflastersteine. Dabei handelt es sich um Steine, die an jüdische Opfer der NS-Diktatur erinnern sollen.

„Viersen stellt sich seiner Verantwortung“, sagte Manfred Budel am ersten Treffpunkt Lindenplatz. Der Viersener ist Mitbegründer und im Vorstand des Vereins „Förderung der Erinnerungskultur: Viersen 1933-45“. Budel hat lange in Archiven recherchiert, um die Schicksale von 26 Süchtelner Juden aufzuarbeiten. „Es gibt nur sehr spärliche Informationen, insbesondere Fotos sind selten“, hat er dabei festgestellt. So mussten acht Steine an der ehemaligen Synagoge vor der evangelischen Kirche an der Hindenburgstraße verlegt werden, weil die Hauszuordnung nicht ermittelt werden konnte.

Als erstes griff Gunter Demnig am Lindenplatz vor dem Haus Nummer 2a zu seinem Handwerkseimer. Dort sind jetzt Gedenksteine von Berta und Martha Eckstein sowie Netta und Isidor Baum im Trottoir eingearbeitet. Martha Eckstein wurde 1942 von den Nazis im Konzentrationslager Izbica ermordet, die anderen drei im gleichen Jahr im Vernichtungslager Treblinka im von dem „Dritten Reich“ besetzten Polen.

„Ich finde die Initiative gut. Schade ist, dass viele heute kaum noch darüber reden, was damals passiert ist“, sagt Laura Schumann. Die Grefratherin (16) hat soeben auf dem Gedenkstein für Martha Eckstein eine weiße Rose niedergelegt. In ihrer Geschichts-Arbeitsgemeinschaft in der Süchtelner Johannes-Kepler-Realschule hat sie sich mit dem Thema beschäftigt. „Demnächst machen wir eine Fahrt nach Bremen und besichtigen das ehemalige Konzentrationslager Mißler in Findorff“, sagt die Zehntklässlerin, während sie mit ihren Mitschülern zum nächsten Verlegeort Weberbrunnen an der Hochstraße 39 geht.

Dort haben die Initiatoren der Aktion „Stolpersteine für Süchtelner“, Uwe Micha und Mirko Danek, für Gunter Demnig bereits etwas Platz geschaffen, damit die nächsten drei Steine verlegt werden können. Micha hat fünf Jahre dafür gekämpft. Erst nach kontroversen Diskussionen im Stadtrat um ein Veto-Recht der Hausbesitzer und nach einem Bürgerbegehren konnte die Verlesung realisiert werden. Danek ist Vorsitzender des noch jungen Vereins.

„Ich finde es wunderschön, dass die jüdischen Mitbürger in Süchteln angekommen sind und der Rückhalt der Bevölkerung gegeben ist“, sagt Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) am dritten Verlegeort und blickt in die Menschenmenge, die sich auch dort versammelt hat. Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Udo Schiefner ist nicht nur wichtig, dass die jüngere Generation so zahlreich vertreten ist: „Auch für die Nachkriegsgeneration ist diese Initiative mit Blick auf den wachsenden Rechtspopulismus in unserem Land wegweisend.“

Das unterstreicht Marie-Luise Caelers, die in der Nachbarschaft, an der Gebrandstraße, aufgewachsen ist. Sie hat ihr ganzes Leben im Süchtelner Ortskern verbracht. Die 64-Jährige ist eine von 5800 Unterzeichnern der Petition, die sich für das Verlegen der Stolpersteine in Süchteln stark gemacht haben.

Im Mai 2019 werden die restlichen elf Stolpersteine verlegt. Bis dahin ist für den Erinnerungskultur-Verein noch viel zu tun. Manfred Budel und seinen Mitstreitern ist wichtig, dass nicht nur an die jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft erinnert wird, sondern auch an andere Verfolgte wie Zwangsarbeiter, politische Oppositionelle, Homosexuelle oder Sinti und Roma.

In einer früheren Version des Textes hatten wir die Formulierungen „ostpolnisches Konzentrationslager“ und „polnisches Vernichtungslager Treblinka“ verwendet, um deutlich zu machen, wo sich die NS-Vernichtungslager befanden. Die Formulierungen könnten aber auch so verstanden werden, als habe es sich um Einrichtungen des polnischen Staates gehandelt. Dies war nicht der Fall. Die beiden Konzentrationslager wurden im vom „Dritten Reich“ besetzten Polen von Deutschen gebaut. Wir haben die Formulierungen im Text deshalb geändert.

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