Tönisvorst Zwei Jahre Gast im Land von Martin Luther

Tönisvorst · Seit dem 1. August ist der französische Pfarrer Robert Sautter Gast der Evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis. Er ist der erste Franzose überhaupt, der auf Einladung der Rheinischen Landeskirche in eine deutsche Gemeinde wechselt.

 Pfarrer Robert Sautter, Gastpfarrer aus Arras in Nordfrankreich, mit Pfarrerin Daniela Büscher-Bruch und Presbyterin Ingeborg von Kalkstein in der evangelischen Kirche an der Hülser Straße in St. Tönis.

Pfarrer Robert Sautter, Gastpfarrer aus Arras in Nordfrankreich, mit Pfarrerin Daniela Büscher-Bruch und Presbyterin Ingeborg von Kalkstein in der evangelischen Kirche an der Hülser Straße in St. Tönis.

Foto: WOLFGANG KAISER

Das deutsch-französische Austauschprogramm der Rheinischen Landeskirche gibt es schon lange. Viele Pfarrer aus dem Rheinland sind bereits für eine Weile nach Frankreich gegangen, aber Robert Sautter ist der erste Gast in der Landeskirche, der den umgekehrten Weg gegangen ist: Von Frankreich nach Deutschland. Seit dem 1. August ist der sympathische, bescheiden auftretende 35-jährige Sautter für zwei Jahre Gast der Evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis und wird hier die beiden Pfarrer Daniela Büscher-Bruch und Renz Schaeffer unterstützen.

Acht Jahre lang hat er sein erstes Pfarramt in Arras in Nordfrankreich ausgeübt. Protestanten in Frankreich sind eine absolute Minderheit, das nordfranzösische Arras (auf Flämisch Atrecht) ist Diaspora. Seine erste Gemeinde hatte nur 200 Mitglieder. Das war aber nicht der Grund, sich für eine Stelle in Deutschland zu bewerben. Was dann? Zum Einen ist es die Sprache. Er hat Deutsch bereits in der Schule als erste Fremdsprache gelernt und will seine Kenntnisse weiter verbessern. Er spricht schon jetzt sehr gut Deutsch, natürlich mit einem charmanten französischen Akzent. Doch das ein oder andere Wort fehlt ihm noch. Als Protestant ist es ihm aber genauso wichtig, das Land Luthers kennenzulernen. Bis auf kurze Reisen nach Freiburg und Nürnberg ist Deutschland Neuland für ihn.

Seine Familie ist mitgekommen. Seine Frau war zu Hause Grundschullehrerin, seine drei Töchter im Alter von drei, sechs und zehn Jahren müssen mit Deutsch ganz von vorn anfangen. Die Sechsjährige wurde in St. Tönis eingeschult - mit einer Schultüte, was man in Frankreich nicht kennt. Die Älteste hat auf dem Michael-Ende-Gymnasium schon viele neue Wörter gelernt. Aufs Skifahren muss Sautter, der ursprünglich aus Grenoble stammt, verzichten. Dafür erkundet er jetzt zusammen mit der Familie auf Fahrrädern den Niederrhein.

Seine Heimatgemeinde in Arras hat ihn ungerne ziehen lassen. Viele hätten nicht verstanden, dass er statt ins sonnige Südfrankreich nach Deutschland ginge. Auch wenn sich die Menschen in Arras europäisch fühlten, ist nicht vergessen, dass die nordfranzösische Stadt im Ersten Weltkrieg stark zerstört wurde. Ausgerechnet Anfang August, 100 Jahre nach Ausbruch des Krieges, zieht er ins Rheinland - auch das ein Zeichen des Friedens und der Aussöhnung. Trotzdem gebe es in Frankreich noch viele Vorurteile über die Deutschen, auch sprächen nicht viele Franzosen so gerne Deutsch wie er.

In der Bibel liebt er vor allem die Bücher Moses im Alten Testament. Die Verantwortung für die Schöpfung in der Genesis ist ihm ebenso wichtig wie der Auszug aus Ägypten und der Zug durch die Wüste. In der St. Töniser Kirchengemeinde wird er sich in die Konfirmandenarbeit und bei den Tauffeiern einbringen. Er verstärkt bereits den Chor, und sein Klarinettenspiel hat er ebenfalls in einen Gottesdienst mit eingebracht. Morgen bei der Gemeindeversammlung wird Robert Sautter offiziell vorgestellt.

(RP)
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