Tönisvorst Vorster Hits: Papperlapapp und Paradies

Tönisvorst · Ein netter Ortskern, aber zu wenig Frequenz: Beim Rundgang mit IHK-Fachmann Andree Haack und Regina Bormann von "Vorst aktiv" werden Stärken und Schwächen des Einzelhandels und Gastgewerbes in Vorst thematisiert.

 Der Abbelen-Fabrikverkauf im ehemaligen Schlecker-Laden an der Kuhstraße ist bereits wieder eingestellt.

Der Abbelen-Fabrikverkauf im ehemaligen Schlecker-Laden an der Kuhstraße ist bereits wieder eingestellt.

Foto: Kaiser Wolfgang

Das Einzelhandelsgutachten, das die Stadt in Auftrag gab, bescheinigt Vorst Potenzial: Außer dem Rewe-Markt am Ortseingang (Kempener Straße) könnte nach Ansicht des Gutachters Vorst noch einen zweiten Nahversorger vertragen. Schnell wurden Pläne für einen Netto-Discountgeschäft an der Anrather Straße bekannt - getan hat sich noch nichts. Doch die Pläne seien noch aktuell, weiß man bei der Stadtverwaltung. Bisher fahren die Vorster auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Rückweg zu Aldi nach Anrath oder gleich zu Real in St. Tönis. Wie in so vielen Kommunen ist der Bedarf vor Ort da, aber er wird oft woanders gestillt. So hat auch der Fabrikverkauf von Abbelen im ehemaligen Schlecker-Laden an der Kuhstraße wieder geschlossen. Trotz Grillsaison habe sich der Verkauf dort nicht rentiert, mutmaßt bei "Vorst aktiv".

Zusammen mit Andree Haack, bei der IHK MIttlerer Niederrhein Geschäftsführer Existenzgründung und Unternehmensförderung, Regina Bormann, der Vorsitzenden von "Vorst aktiv" und Marlies Dohr aus dem Vorstand ist ein gemeinsamer Rundgang durch den Ortskern verabredet: Wie sieht der IHK-Experte aus Mönchengladbach die Situation des Einzelhandels und der Gastronomie in Vorst?

 Regina Bormann, Vorsitzende von "Vorst aktiv", Marlies Dohr, Vorstandsmitglied "Vorst aktiv" und IHK-Experte Andree Haack auf dem zentralen Marktplatz.

Regina Bormann, Vorsitzende von "Vorst aktiv", Marlies Dohr, Vorstandsmitglied "Vorst aktiv" und IHK-Experte Andree Haack auf dem zentralen Marktplatz.

Foto: Kaiser Wolfgang

Treffpunkt ist Bormanns Apotheke am Markt. Und gleich da wird das Doppelgesicht des Ortes augenfällig. Der Marktplatz mit der Kirche und dem Maibaum ist eine prächtige Augenweide, eine Zierde an Ortskern. Doch gleich an der Ecke Kuhstraße neben der Eisdiele ist ein häßlicher Leerstand, das Fenster mit einer Holzplatte gesichert. Doch das Eiscafé Paradies daneben überstrahlt alles. Bei schönem Wetter gibt es lange Schlangen, die Eisfreunde, die oft von weit her kommen, verteilen sich auf die Tische im Außenbereich, aber auch an den Brunnen und die Bänke auf dem Platz. Für Bormann und Dohr sind das Eiscafé Paradies und das Kulturcafé Papperlapapp die beiden großen Pluspunkte von Vorst, die auch viele Gäste von außerhalb anziehen. Das Kulturcafé in der Clevenstraße lockt nicht nur mit leckeren Kuchen und kleiner Küche, sondern mit Lesungen, Ausstellungen und Konzerten. Und natürlich einem Biergarten hinter dem Haus.

Dagegen kommt der Wochenmarkt nicht ans Laufen. Viel wurde bereits versucht. Die Öffnungszeit wurde von vormittags auf den Nachmittag verlegt, weil es hieß, vormittags sind die meisten Berufstätigen als Pendler nicht vor Ort. Jetzt findet er donnerstags Nachmittag statt, und das Angebot bröckelt. Der Käsemann aus Holland bleibt treu dabei, regelmäßig kommen der Fischmann und der Wagen für Wild und Geflügel. Außerdem gibt es noch Honig und Blumen. Der typische Obst- und Gemüsehändler fehlt dagegen, der letzte kommt längst nicht mehr. Doch diese Lücke wird nicht vermisst, da es in Vorst jetzt regelmäßig von Montag bis Freitag einen Verkaufsstand vom Obsthof Fruhn mit frischem Obst und Gemüse auf dem Parkplatz vor der Volksbank gibt. Aber das Verhaltensmuster, erst etwas unbedingt haben zu wollen und es dann doch zu teuer zu finden, gibt immer wieder von Neuem Rätsel auf.

Außerdem verfügt Vorst noch über zwei ausgezeichnete Metzger - Jakob Kohnen an der Süchtelner Straße 30 und Landfleischerei Helbig an der Eichenstraße 5. Doch beide liegen bereits außerhalb des eigentlichen Ortskerns und damit wird es schwierig, sie etwa mit dem Rollator zu Fuß zu erreichen. Andree Haack ist auf den ersten Blick von Vorst sehr angetan: eine schöne Struktur, der zentrale Markt ein schöner Platz mit der Kirche als Ortsmittelpunkt. Und der Platz sei nicht verkehrsberuhigt, Autofahrer könnten die Geschäfte direkt anfahren. Die Vorster dagegen beklagen, dass zu viele schwarze Schafe unter den Autofahrern Abkürzungen durch den Ort suchen, um Ampeln zu umgehen. Bei aller optischen Gefälligkeit ist Vorst für Haack ein Opfer des Strukturwandels. Je mehr Geschäfte verschwinden, gehen die Kopplungsgeschäfte zurück. Vorst ist wie viele andere kleinere Orte "klassisch ausgeblutet". Vorst hat 7000 Einwohner, das ist gerade so die Schwelle für den Einzelhandel, sagt Haack. Nur kleine Einzelhändler sehen hier eine Chance, Ketten nicht mehr. Und die Vorster wissen, dass Anrath nur drei Kilometer entfernt ist. Eines dieser besonderen inhabergeführten Läden ist das Mauerblümchen in der Clevenstraße 11, die ein besonderes grünes Pflanzenangebot anbietet. Und auf der Kuhstraße "Das Schublädchen", das ausschließlich Besteckeinsätze für Schubkästen anbietet, das aber auch bundesweit über das Internet anbietet. Auch der Angelbasar Petri ist ein Spezialgeschäft, das nicht von einer Vorster Laufkundschaft leben muss. Auch Fünfzehen, ein Laden für Kinderschuhe, im Steinpfad, verkaufe viel übers Internet.

Die Vorster lassen sich nicht entmutigen. Mit viel Engagement organisieren sie attraktive Stadtfeste wie das Apfelfest und Kunst und Kultur, die eine große Besucherresonanz haben. Gastronomisch hat Vorst mit dem "Tafelsilber" ein echtes Highlight zu bieten - aber eben nicht im Ortskern, sondern an der Anrather Straße schon außerhalb des Ortes. Auch das Haus Vorst hat viele Veranstaltungen, die Fremde in den Ort holen. Der Vorster Citygrill ist für viele schon Kult, Italienisch Essen kann man im Sardinia oder Mediterraner, neben dem Café Papperlapapp steht noch das Café bd (ebenfalls Clevenstraße) als Anlaufpunkt für eine gemütliche Runde an.

(RP)
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