Flüchtlingshilfe Mona kann wieder den Himmel sehen

Tönisvorst · Seit 2015 sind rund 800 Flüchtlinge aus 30 Ländern nach Tönisvorst gekommen. Einige sind abgeschoben worden, manche sind weitergezogen, viele sind geblieben. Sind sie angekommen? Mona aus dem Iran ist eine von ihnen.

 Mona im Gespräch mit Karin Steffan (rechts), Presbyterin der Evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis und Ehrenamtlerin bei der Flüchtlingshilfe Tönisvorst. Mona ist froh, nicht mehr geschlagen zu werden.

Mona im Gespräch mit Karin Steffan (rechts), Presbyterin der Evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis und Ehrenamtlerin bei der Flüchtlingshilfe Tönisvorst. Mona ist froh, nicht mehr geschlagen zu werden.

Foto: Stephanie Wickerath

Irgendwann kam der Punkt, an dem Mona nicht mehr bereit war, hinzunehmen, dass die Männer die Frauen kontrollieren, ihnen Vorschriften machen, sie schlagen, sexuell belästigen, ohne jeden Respekt behandeln. Die junge Teheranerin war nicht länger bereit, sich an all die Verbote zu halten, die in ihrem Land, dem Iran, für Frauen, nicht aber für Männer gelten. „Ich habe die Willkür in Frage gestellt, habe begonnen, die Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung anzuprangern“, erzählt die heute 28-Jährige.

Ihr Bruder, der vom Vater den Auftrag hatte, die Schwester zu erziehen, schlug jedes Mal zu, wenn Mona den Mund aufmachte. „Mein Vater schlägt meine Mutter, mein Bruder schlägt mich und niemand ist da, um uns zu helfen“, sagt Mona. Wenn sie ihre Mutter fragte, warum die Männer alle Macht und die Frauen keine haben, hörte sie, das sei im Islam nun mal so. „Ich habe mich deshalb vom Islam abgewandt. Eine Religion, die es den Männern erlaubt, Frauen so schlecht zu behandeln und ihnen jede Freiheit nimmt, ist nichts, woran ich glauben kann“, sagt Mona. „Ich wollte glauben, aber ohne die islamischen Regeln.“

Als die junge Frau diesen Entschluss einmal gefasst hat, gibt es kein Zurück. Ihrer Familie bleibt die Abkehr vom Islam nicht verborgen. Auch die Familie ihres Mannes hat die „abtrünnige“ Schwiegertochter genau im Blick. „Mein Schwager ist ein einflussreicher Richter“, erzählt Mona, die auch aus diesem Grund nicht möchte, dass ihr Nachname veröffentlicht wird, „er begann, mich zu kontrollieren und mir zu drohen.“ Schon als Kind hat Mona gesehen, wie Menschen, die sich nicht an die Regeln halten, ohne Prozess öffentlich hingerichtet werden. Sie weiß also, dass die Drohungen kein leeres Gerede sind und der Schwager durchaus die Möglichkeit hat, sie ins Gefängnis sperren oder töten zu lassen.

„Mein Mann hat gesagt, ich soll nach Deutschland gehen. Ich wusste nichts über Deutschland, aber er sagte, es sei ein christliches Land, in dem Frauen gleichberechtigt sind.“ Das Erste, was Mona macht, als sie vor 18 Monaten auf dem Köln-Bonner-Flughafen landet, ist, den Hidschab abzulegen. „Ich genieße jeden Tag ohne Kopftuch“, sagt die 28-Jährige, die den Hidschab tragen musste, seit sie sieben Jahre alt war, „endlich kann ich den Himmel sehen“.

Nach Flüchtlingsunterkünften in Mönchengladbach und Viersen kommt Mona vor gut einem Jahr nach Tönisvorst. Dort geht sie in die Kirche. Karin Steffan, Presbyterin in der evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis und Ehrenamtlerin bei der Flüchtlingshilfe, entdeckt die fremde Frau nach dem Gottesdienst und spricht sie an. „Wie soll es sonst klappen mit der Integration, wenn wir Deutschen nicht auf die Menschen zugehen?“, fragt die 65-Jährige.

Mona lernt Deutsch, engagiert sich ehrenamtlich in der Kirchengemeinde und lässt sich von Pfarrerin Daniela Büscher-Bruch evangelisch taufen. Ihre Rückkehr in den Iran ist damit ausgeschlossen. Konvertierten Moslems droht die Todesstrafe. Die Richterin, die über ihren Asylantrag entscheidet, interessiert das nicht. Sie glaubt Monas Geschichte nicht und lehnt das Asylgesuch ab. Mona legt Widerspruch ein und leidet Monate lang unter Albträumen. „Ich habe von meinem Bruder geträumt, der mich schlägt, von dem Polizisten, der mich in Teheran mehrfach belästigt hat, von meinem Kollegen, der mich denunziert hat, als ich im Büro mal das Kopftuch abgelegt hatte, und von meinem Schwager, der mich töten will“, erzählt die 28-Jährige. Dann, vor fünf Wochen, hat Mona beim Verwaltungsgericht Düsseldorf die zweite Anhörung. Seitdem kann sie wieder gut schlafen, denn ihr Asylantrag ist anerkannt.

„Sobald ich das schriftlich habe, kann ich endlich den Integrationskursus machen“, sagt Mona. Ihre Zeugnisse und das Universitätsdiplom in Architektur, Logistik- und Transportwesen sind bereits auf dem Weg nach Deutschland. „Ich hoffe, dass meine Ausbildung hier anerkannt wird“, sagt die junge Akademikerin, die möglichst schnell arbeiten und sich eine Zukunft aufbauen will.

Obwohl Mona ihre Heimat, ihren Job und ihre Familie verloren hat – ihr Vater spricht nicht mehr mit ihr –, ist die junge Frau dankbar: „Ich genieße jeden Tag. Niemand schlägt mich, und ich führe endlich ein selbstbestimmtes Leben.“ Nun hofft sie, dass auch ihr Ehemann nachkommen und in Deutschland leben darf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort