Tönisvorst Ruhekissen für den beliebten Postboten

Tönisvorst · Nach 50 Jahren als Zusteller geht Friedhelm Lindstädt in den Ruhestand. Jeden Wochentag ging er 13 Kilometer durch den Ortskern von St. Tönis und stellte Briefe und Päckchen zu. Zum Abschied gab es ein besticktes Kissen.

 Friedhelm Lindstädt ist bei den St. Tönisern beliebt. "Die meisten Leute kenne ich ja schon ewig", sagt der 64-Jährige.

Friedhelm Lindstädt ist bei den St. Tönisern beliebt. "Die meisten Leute kenne ich ja schon ewig", sagt der 64-Jährige.

Foto: Stephanie Wickerath

Als Friedhelm Lindstädt 1965 seine Lehre bei der Post anfing, hieß die noch Deutsche Bundespost und war ein staatliches Unternehmen. Das Briefporto betrug 20 Pfennig, und Lindstädt bekam im dritten Lehrjahr als "Postjungbote" 90 Mark Gehalt. E-Mails gab es nicht, Lindstädt brachte sehr viele Briefe, Karten und manchmal sogar Telegramme in die Haushalte. Vieles hat sich seitdem geändert, nur Friedhelm Lindstädt ist geblieben.

Jetzt aber hat auch er die Postuniform für immer ausgezogen. "Ich habe genau 50 Jahre voll, das reicht", sagt der St. Töniser, der als einer der letzten noch verbliebenen Postbeamten eine Entlassungsurkunde mit der Unterschrift des Innenministers bekommen hat. Lindstädt weiß schon jetzt, dass er den Kontakt zu den Kunden vermissen wird. "Die meisten Leute kenne ich ja schon ewig", sagt der 64-Jährige, der immer zu einem Plausch aufgelegt war und auch schon mal, wenn es die Zeit zuließ, eine Einladung zum Kaffee oder zu einem Schnäpschen annahm.

Rund 13 Kilometer ist Lindstädt in den vergangenen Jahren fünf Mal in der Woche durch den St. Töniser Ortskern gelaufen. Mit Uniform und Posthandwagen war er in der Fußgängerzone gut zu erkennen. In den Geschäften und Praxen wurde der freundliche Mann stets herzlich empfangen. Dass ein Praxisteam ihm aber zum Abschied ein Kissen geschenkt hat, auf dem "Friedhelms (Un-)Ruhekissen" eingestickt ist, hat selbst ihn umgehauen.

Auch die Kollegen hatten sich für die letzte Woche im Dienst etwas Besonderes ausgedacht: In mehreren Geschäften hingen Plakate, die die letzte Tour ankündigten und dem langjährigen Zusteller einen wohlverdienten Ruhestand wünschten. Friedhelm Lindstädt, ein eher bescheidener Mensch, war das etwas unangenehm, aber seinen Kunden gab die Information auf den Plakaten die Gelegenheit, sich von dem Mann zu verabschieden, der seit vielen Jahren zu ihrem Alltag gehört.

Was er mit der freien Zeit anfangen soll, weiß der 64-Jährige noch nicht so recht. Ein paar Ausflüge und vielleicht eine Reise will er mit seiner Frau Jutta unternehmen, aber sonst? "Ich bin nicht der Typ, der den ganzen Tag zu Hause sitzt", sagt der St. Töniser. Vielleicht wird er also doch noch öfter in der Fußgängerzone zu sehen sein - wenn auch ohne Uniform.

(WS03)
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