Tönisvorst Pflegemutter muss für drei Jahre ins Gefängnis

Tönisvorst · Die Berufungskammer sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte in Tönisvorst ihre Pflegekinder misshandelt hatte.

Das Gesicht mit einem großen Halstuch vermummt, den Kopf nach unten gesenkt, trat Mathilde T. gestern zur Urteilsverkündung in den Gerichtssaal. Am 26. Verhandlungstag verkündete die Berufungskammer des Krefelder Landgerichts die Entscheidung: Die ehemalige Pflegemutter muss wegen Kindesmisshandlung ins Gefängnis. Mit drei Jahren Haft lag die Berufungskammer ein halbes Jahr unter dem erstinstanzlichen Urteil.

Selten war eine Begründung des Gerichts so umfangreich. Dass die jetzt 64-jährige Frau ihre beiden Pflegetöchter über vier Jahre hinweg misshandelt hatte, sei erwiesen. Die Angeklagte selber hatte sich nach langem und hartnäckigem Leugnen erst am vorletzten Verhandlungstag zu einem Geständnis hinreißen lassen. Sie sei überfordert gewesen, war ihre Erklärung. Das sah auch das Gericht.

Angeklagte war überfordert

Allerdings habe die Frau ihre Überforderung aus egoistischen Gründen nicht zugegeben. Schließlich habe sie auf das Pflegegeld nicht verzichten wollen. Ihre finanzielle Lage sei schlecht gewesen. Für zwei Kioske habe sie sich hoch verschuldet. Angestellte habe sie sich nicht leisten können, allerdings 16 Stunden am Tag arbeiten müssen. So kam es, dass auch die Kinder Waren sortieren, Regale einräumen und Kartons zerreißen mussten.

Freunde und Freizeitbeschäftigung untersagte sie den Mädchen. Bei geringsten Verfehlungen trat und schlug sie zu. Auch psychische Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Die Palette der Grausamkeiten war breit: Die Kinder mussten bei Kälte leicht bekleidet still im Hof stehen, sich gegenseitig schlagen und durften nur zu festgelegten Zeiten zur Toilette. Vergaßen sie, anzuklopfen, gab es Tritte.

"Klima der Angst"

Der Zivilcourage einiger Eltern von Klassenkameraden sei es zu verdanken gewesen, dass die Kinder den Qualen entkommen konnten, sagte die Richterin. Während der Verhandlung berichteten auch leibliche Kinder der Angeklagten und ein weiteres ehemaliges Pflegekind von ähnlichen Misshandlungen. "Sie hat ein wirkliches Klima der Angst erzeugt", sagte die Richterin.

Sie sprach von einem Verfahren mit vielen Hindernissen. Die Taten liegen lange zurück, ein Teil der Vorfälle sei daher schon verjährt. Dazu komme, dass man sich an viele Dinge nicht mehr erinnern könne. Außerdem seien einige Akten verschwunden. Aufgrund des Leugnens mussten teure Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Opfer eingeholt werden. Durch die vielen Umzüge der Angeklagten wisse man auch nicht genau, wann sie wo gelebt habe. Außerdem verweigerten einige Mitarbeiter der Jugendämter die Aussagen.

Wohl zu recht, mutmaßte die Richterin. Denn die müssen sich nicht selber belasten. Man müsse aber davon ausgehen, dass es damals wohl noch keine klaren Vorschriften gab, wie oft eine Pflegemutter kontrolliert wird. Das sei inzwischen anders. Das Jugendamt in Kerken hatte die Pflegemutter damals nach Moers vermittelt. Später war dann das Jugendamt in Viersen zuständig. Aufgrund des überlangen Verfahrens gelten vier Monate der Haftzeit als bereits verbüßt.

(bil)
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