Tönisvorst Mossul-Offensive verschärft humanitäre Lage

Tönisvorst · Der seit 2013 andauernde Kampf gegen den IS hat über 3 Millionen Iraker innerhalb des Iraks zur Flucht gezwungen, davon leben etwa 2 Millionen in der Kurdischen Autonomieregion. Dort will Action Medeor ein Hilfsbüro eröffnen.

 Die neue Mitarbeiterin für den Nordirak, Sophia-Helena Zwaka (links), und Eva Greitmann (Partner Development) vor der Zentrale in Vorst.

Die neue Mitarbeiterin für den Nordirak, Sophia-Helena Zwaka (links), und Eva Greitmann (Partner Development) vor der Zentrale in Vorst.

Foto: WOLFGANG KAISER

Action Medeor hat insgesamt Hilfe für den Nahen und Mittleren Osten im Wert von rund vier Millionen Euro auf den Weg gebracht, für den Irak Hilfe im Wert von rund 600.000 Euro. Bei der Hilfe arbeitet das Medikamentenhilfswerk mit lokalen Partnern zusammen. Vorstandssprecher Bernd Pastors rechnet mit einem Anhalten des Krieges. "Ohne vor Ort im Kurdengebiet präsent zu sein, findet man nicht die richtigen Partner", weiß Pastors. Action Medeor plant deshalb schon seit längerem, im Nordirak ein Verbindungsbüro zu eröffnen. Jetzt nehmen die Pläne konkrete Gestalt an. In Erbil wurden Räume in einem internationalen Zentrum angemietet, Ende des Jahres soll es eröffnet werden.

 Eine Trauma-Box für die Arbeit mit Kindern in den Flüchtlingscamps.

Eine Trauma-Box für die Arbeit mit Kindern in den Flüchtlingscamps.

Foto: Action Medeor

Landesbeauftragte für den Irak wird im kommenden Jahr Sophia-Helena Zwaka sein. Sie wird über die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe Köln beauftragt. Die 27-jährige Berlinerin hat nach ihrem BWL-Studium Nahost-Studien in London drangehängt. Außerdem absolvierte sie Praktika in Tunesien und Marokko und verbrachte ein Auslandssemester im Libanon. Deswegen beherrscht sie nicht nur Englisch, sondern auch Arabisch und Türkisch. Sophia Zwaka wird seit vier Monaten bei Action Medeor eingearbeitet. Zusammen mit Eva Greitemann (Partner Development) reiste sie jetzt im Auftrag von Action Medeor nach Erbil oder englisch Arbil (Lufthansa bietet sogar Direktflüge von Frankfurt an), Sitz der Regierung der Autonomen Region Kurdistan im Irak. Durch die Kurden-Hilfe der Bundeswehr sind Deutsche im Moment sehr gerne gesehen. Die Kurdische Regierung ist für NGOs (Nichtregierungsorganisationen) sehr offen. Während die syrischen Kurden als PKK-nah gelten und bekämpft werden, kooperiert die Türkei mit den Kurden im Irak, vor allem im Handel. Im Irak sind zurzeit rund drei Millionen Binnenflüchtlinge registriert, rund die Hälfte davon im Kurdengebiet im Nordirak. Durch den Kampf um Mossul rechne man vor Ort mit weiteren 500.000 bis einer Million Flüchtlinge. Kaum einer davon könne sich die Flucht nach Europa leisten und Schlepper bezahlen. Nur der gebildete Mittelstand habe Pläne, den Kindern Sicherheit und einen besseren Lebensstandard in Europa, den USA oder Australien zu bieten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit habe jetzt jedenfalls 34 Millionen Euro als Soforthilfe für Mossul-Flüchtlinge angekündigt. In einer Woche seien nur 1500 neue Flüchtlinge angekommen. Für die Menschen in Mossul sei es nicht leicht, die Stadt zu verlassen. Vielfach würden Zivilisten als menschliche Schutzschilde von den Kämpfern missbraucht.

 Das Camp Debaga bei Makhmur wurde 2015 eingerichtet. Im Zuge der Offensive werden dort weitere 15.000 Binnenvertriebene aus Mossul erwartet

Das Camp Debaga bei Makhmur wurde 2015 eingerichtet. Im Zuge der Offensive werden dort weitere 15.000 Binnenvertriebene aus Mossul erwartet

Foto: Action Medeor
 Action Medeor unterstützt auch Partner, die mit einer mobilen Klinik in den Bergen der Sinjar Region aktiv sind. Die frontnahe Region wird vor allem von Jeziden und Christen bewohnt und ist besonders gefährlich.

Action Medeor unterstützt auch Partner, die mit einer mobilen Klinik in den Bergen der Sinjar Region aktiv sind. Die frontnahe Region wird vor allem von Jeziden und Christen bewohnt und ist besonders gefährlich.

Foto: ACTION MEDEOR

Die Hilfslieferungen an Medikamenten von Action Medeor kommen sowohl per Luftfracht als auch über den Landweg durch die Türkei an. Die Einfuhrbehörden müssen die Waren kontrollieren und der Zoll sie freigeben. Vor Ort lässt sich die Bürokratie besser erledigen als aus der Ferne. Besonders beeindruckt waren Kwaka und Greitmann vom Camp Dahuk. Es handelt sich nicht mehr um eine Zeltstadt, sondern ähnelt mit den Behelfsbauten vielen Slums. Im Camp gibt es provisorische Schulen, Wassertanks und sogar Läden. Hilfskräfte bieten dort Kindern eine Traumatherapie an. Mit Hilfe von Spielzeugautos, Tierfiguren und Plüschtieren können sie von ihren Erlebnissen erzählen.

(RP)
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