Interview mit Chefarzt Prof. Dr. Tobias Zekorn Wertvolle Tipps für das Reisen mit Diabetes

Tönisvorst · Der Facharzt gibt Ratschläge, was Diabetiker vor Reiseantritt und auf Reisen beachten sollten.

 Professor Dr. Tobias Zekorn, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. Foto: Alexianer

Professor Dr. Tobias Zekorn, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. Foto: Alexianer

Foto: Alexianer

Professor Dr. Tobias Zekorn ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie des Krankenhauses Maria-Hilf Tönisvorst sowie Leiter des Alexianer Diabeteszentrums Region Krefeld. Als erfahrener Diabetologe kann er den Menschen mit insbesondere insulinpflichtigem Diabetes ein paar Tipps mit auf den Reiseweg geben.

Worüber muss ich mich vor Reiseantritt zusätzlich informieren?

Zekorn Die Reiseziele sind nicht nur kulturell sehr unterschiedlich. Auch die Infrastruktur in der Gesundheitsversorgung kann von Land zu Land sehr abweichen. Deshalb sollten sich Diabetiker rechtzeitig vor Reiseantritt darüber informieren, wie die medizinische Versorgung geregelt ist, ob ihre Versicherung etwaige Krankheitskosten auf Reisen trägt, mit welchen regionalen Speisen und Getränken zu rechnen ist und natürlich, welche klimatischen und hygienischen Besonderheiten im Urlaubsland regelhaft angetroffen werden.

Muss ich bei der Reiseplanung mit meinem Hausarzt sprechen, auch wenn ich gut geschult und eingestellt bin?

Zekorn Die Erfahrungen zeigen, dass Blutzuckerentgleisungen auf Reisen sehr viel häufiger vorkommen als zu Hause. Gerade wenn der Diabetiker eine exotische regionale Küche antrifft und diese auch genießen möchte, sollte er deutlich häufiger seinen Blutzuckerspiegel messen als sonst. Auch manche, insbesondere auch alkoholhaltige, Getränke enthalten häufig deutlich mehr Kohlenhydrate, als man vermutet. Blutzucker-Messgerät und Traubenzucker (Unterzuckerung) sollten immer in Reichweite sein. Auch Flüge über mehrere Zeitzonen erfordern eine entsprechende Anpassung der Diabetesmedikation. Dieses alles und die Festlegung des erhöht benötigten Insulin- und Tablettenvorrates sowie die zu berücksichtigende Reiseapotheke sowie notwendige Impfungen sollten mit dem Hausarzt besprochen werden. Benötigte Medikamente sollten auch nicht alle in nur einem Koffer transportiert werden, sondern auf zum Beispiel Handgepäck und Koffer verteilt – vielleicht kommt der aufgegebene Koffer erst Tage später als der Reisende an.

Für die Mitnahme von Insulin-Ampullen in Flugzeugen oder gegebenenfalls auch von bestimmten Schmerzmitteln sollte der Hausarzt ein ärztliches Attest in englischer Sprache erstellen.

Wie verändert sich die Wirksamkeit von Insulin je nach Umgebungstemperatur?

Zekorn Insulin darf nicht Temperaturen von unter null Grad oder über 40 Grad Celsius ausgesetzt werden. Sonst verändert es seine Wirksamkeit. Das bedeutet ganz praktisch, dass die im Koffer transportierten Diabetesutensilien bei Flügen zentral im Koffer und somit isoliert transportiert werden. Bei Pausen während der Autoreise sollte Insulin an warmen Tagen nicht im aufgeheizten Wagen zurückgelassen werden. Bei Temperaturen unter null Grad Celsius empfiehlt es sich, Insulin direkt am Körper und nicht in der Handtasche bei sich zu tragen. Auch sollte man beachten, dass Blutzuckermessgeräte bei extremen Temperaturen falsche Werte anzeigen können.

Gibt es Erkrankungsrisiken, die für Diabetiker bei Auslandsreisen besonders zu beachten sind?

Zekorn Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen können Symptome einer Magen-Darm-Grippe sein. Andererseits können sie aber auch Anzeichen einer Blutzuckerentgleisung sein, beispielsweise ausgelöst durch eine Infektion. In einem solchen Fall benötigt der mit Tabletten oder Insulin behandelte Diabetiker unter Umständen professionelle Hilfe, da das Gleichgewicht zwischen Glukoseaufnahme und Bewegung plus Insulin empfindlich gestört sein könnte.

Hier helfen dann die Mitnahme des Diabetes-Ausweises und eines Behandlungsplanes dem Arzt vor Ort, sich zu orientieren.

Schnell können sich außerdem im Urlaub Wunden „einschleichen“, gerade wenn man barfuß unterwegs ist. Vieles, was im Alltag zu Hause beherzigt wird, ist häufig genug im „Wohlfühlurlaub“ vergessen. So ist gerade auf Fernreisen die Sicht- und Tastkontrolle der Füße extrem wichtig und im Zweifel auf das Barfußlaufen zu verzichten. Sollte sich der Diabetiker trotz aller Vorsicht eine Wundinfektion eingehandelt haben, helfen in dieser Notsituation meist nur noch intravenös verabreichte Antibiotika.

Wo kann man sich eingehend informieren?

Zekorn Erste Anlaufstelle sollte der Hausarzt beziehungsweise die eigene Diabetesberatung sein. Für Diabetiker, die für sich noch keine Hilfsstrukturen aufgebaut haben, stehen wir im Alexianer Diabeteszentrum gerne vermittelnd zur Seite. Spezifische Fragestellungen beantworten auch gerne neben den Krankenkassen die Hersteller von Insulin und Blutzuckerteststreifen, zum Beispiel über die Verfügbarkeit im jeweiligen Reiseland. Auch der ADAC und die Deutsche Diabetes-Hilfe können zu den Reisevorbereitungen angefragt werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort