Tönisvorst Groß Lind: Wohnen, wo Napoleon schlief

Tönisvorst · Im Bereich der ehemaligen Scheunenanlage sollen neun Wohneinheiten in Form von Reihenhäusern gebaut werden.

 Das Gut Groß Lind einmal von hinten gesehen: An die Häuser sollen die Reihenhäuser angesetzt werden. Rechts im Bild kann man den in die Bebauung integrierten Berfes (Wehrturm) der historischen Anlage sehen.

Das Gut Groß Lind einmal von hinten gesehen: An die Häuser sollen die Reihenhäuser angesetzt werden. Rechts im Bild kann man den in die Bebauung integrierten Berfes (Wehrturm) der historischen Anlage sehen.

Foto: WOLFGANG KAISER

Auf dem Rückzug vom Russland-Feldzug nach Frankreich Anfang 1813 soll Napoleon in der Rundscheune von Groß Lind übernachtet haben. Udo Engels, der vor über 20 Jahren die damalige Ruine erworben hat und heute auf Groß Lind wohnt, lacht. Das sei nur eine Legende, erzählt von einem Nachbarn, als Engels dort einzog. Vielleicht sei es auch nur ein Offizier aus Napoleons geschlagener Armee.

Projekt dürfte durchgewunken werden

In einer Woche, am Mittwoch, 29. Januar, steht Groß Lind auf der Tagesordnung des Planungsausschusses. Nachdem während der öffentlichen Auslegung vom 14. November bis 16. Dezember keine Stellungnahmen mit negativen Bemerkungen oder Bedenken eingereicht wurden, dürfte das Projekt reibungslos durchgewunken werden. Für Engels ist das Thema ein alter Hut. Der Bebauungsplan stand schon einmal vor Jahren an, damals habe die Stadt Tönisvorst aber einen handwerklichen Fehler gemacht und die Zuwege als Wald ausgewiesen.

Der Bebauungsplan hatte am 14. Juli 2006 Rechtskraft erlangt. Nach Prüfung der geltenden Rechtssprechung wurde erkannt — so räumt jetzt die Vorlage der Verwaltung ein — dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes zur Erstellung der geplanten Reihenhäuser nicht ausreichen. Grund war, dass die örtlichen Verkehrsflächen nicht festgesetzt wurden. Aus einem einfachen Bebaungsplan musste ein qualifizierter entwickelt werden. Diese 1. Änderung soll jetzt am Mittwoch beschlossen werden.

Solche baurechtlichen Finessen sind schon wichtig, handelt es sich beim Vorhaben um ein ganz besonderes Terrain. Auf dem 4,35 Hektar großen Plangebiet von Groß Lind südlich des Südringes und westlich der Düsseldorfer Straße (L 379) steht das Herrenhaus Groß Lind mit seiner historischen Parkanlage. Nach Angaben der Verwaltung handelt es sich dabei um den ältesten Landschaftsgarten der Region, "der von Fachleuten zu den bemerkenswertesten Vertretern seiner Art im Rheinland überhaupt gerechnet wird." Es werde vermutet, dass diese 17.500 qm große Anlage vom berühmten Gartenarchitekten Maximilian Friedrich Weyhe (Düsseldorfer Hofgarten, Krefeld-Linn) als englischer Landschaftspark um 1822 geplant und verwirklicht wurde. Auftraggeber war der Kaufmann Gerhard Schumacher, der der Krefelder Mennonitengemeinde angehörte. Der Park mit drei Mammutbäumen und einer Flachskuhle (mit Wasser gefüllte Grube) ist als Bodendenkmal geschützt.

Seit 1984 unter Denkmalschutz

Das Gut Groß Lind war im Mittelalter ein Schöffenhof. Der Hof war zum Schutz mit Gräben umgeben. Der Herrensitz im klassizistischen Stil aus dem 18. Jahrhundert steht seit 1984 unter Denkmalschutz. Denkmalswert sind außer dem Haupthaus die Rundscheune, das Gesindehaus, ein Berfes (Wehrturm) und ein Gärtnerhaus. Die Scheunenanlage war einsturzgefährdet und wurde 1993 abgerissen.

Im Bereich der ehemaligen Scheunenanlage sollen jetzt neun Wohneinheiten in Form von Reihenhäusern geschaffen werden. Nach den Immoblienangeboten im Internet sollen die Reihenhäuser eine Wohnfläche von 133 qm verteilt über drei Ebenen haben. Als Kaufpreis werden 190.900 Euro genannt. Das Endhaus und ein Mittelhaus sollen bereits verkauft sein.

Udo Engels hat das Anwesen vor mehr als 20 Jahren als Ruine erworben und peu à peu saniert. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen und wird noch Jahre dauern. Das aktuelle Bauprojekt wird ein wichtiger Baustein dabei sein. Bisher leben fünf Familien auf Groß Lind.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort